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Acht Frauen aus dem Südsudan betreiben in der zweitgrößten Flüchtlingssiedlung der Welt einen Friseursalon – ein Projekt, das Gemeinschaft und Hoffnung stiftet
Sich in einer Arbeitspause mit Freundinnen treffen, um sich gegenseitig die Haare zu flechten, zu plaudern und zu scherzen, gehört zu den Sachen, die Sarah Aba nach ihrer Ankunft in der Flüchtlingssiedlung Bidibidi (Uganda) am meisten vermisst hat. 2016 musste die heute 25-Jährige aus dem Südsudan fliehen, weil ihr Heimatland immer tiefer im Bürgerkrieg versank.
Insgesamt vier Millionen Menschen wurden vertrieben, 80 Prozent davon Frauen und Kinder. Ob ihre Freundinnen von damals noch leben oder wohin sie der Konflikt verschlagen hat, weiß Sarah nicht. Doch gemeinsam mit sieben anderen geflohenen Frauen hat sie ihr Schicksal in die Hand genommen. Inmitten der zweitgrößten Flüchtlingssiedlung der Welt haben sie einen kleinen Friseursalon eröffnet – ein Projekt, das Gemeinschaft und Hoffnung stiftet.
Die Vertreibung aus dem Südsudan hatte viele Gemeinschaften und Familien zerrissen. Enge Beziehungen innerhalb von Dörfern, Großfamilien, Clans und Stämmen gehören zu den Traditionen des Landes, mit denen Südsudanes*innen aufwachsen. „Jeden den ich kenne, kenne ich seit dem Moment meiner Geburt“, erzählt Sarah.
Viele Südsudanes*innen wurden durch die Flucht aus diesen familiären Strukturen herausgerissen und fanden sich plötzlich alleine in einem fremden Land wieder, inmitten eines fast 250.000 Bewohner*innen fassenden Flüchtlingslagers. Die meisten tun sich schwer, dort neue Kontakte zu knüpfen und der Einsamkeit zu entfliehen. Besonders stark betroffen sind junge Mütter, denn im Südsudan werden die meisten Aufgaben und Herausforderungen der Kindererziehung gemeinschaftlich bewältigt.
Auch Sarah hatte zu Beginn ihrer Zeit im Flüchtlingslager mit Einsamkeit und Depression zu kämpfen. Ein Wendepunkt war der Entschluss, mit sieben ihrer Landsfrauen einen kleinen Friseursalon inmitten von Bidibidi zu eröffnen. Die Gründung kleiner Unternehmen dort wird von UNHCR unterstützt.
Der „Friendship Salon“ besteht nur aus einer kleinen Hütte und die Ausstattung ist einfach. Es gibt keinen Strom und die Frauen behelfen sich mit einigen Kämmen, Scheren, einer Bürste und einem Spiegel. Eine formale Ausbildung als Friseurin hat keine von ihnen. Dennoch hat sich die Geschäftsidee bewährt und der Salon viele Kund*innen gewonnen. Das eingenommene Geld kommt den Kindern der Frauen zugute.
Für die Frauen ist der Salon jedoch mehr als eine bescheidene Verdienstquelle. Sie verbringen dort gemeinsam Zeit, tauschen sich aus und möchten eine unterstützende Gemeinschaft für alleinerziehende Mütter aufbauen. Auch bringt sie die Beschäftigung mit Kamm, Schere und dem Flechten traditioneller Frisuren auf andere Gedanken. Denn viele von ihnen haben im Bürgerkrieg Familienangehörige verloren, auch Kinder.
„Im Südsudan hatte ich eine große Familie“, erzählt die 20-jährige Mary Sande. „Ich kannte jeden im Dorf. Aber hier war ich nach meiner Ankunft alleine. Mein Ehemann hat mich mit zwei Kindern zurückgelassen. Es gab niemanden, an den ich mich wenden konnte. Ich habe mir viele Sorgen gemacht. Dann habe ich diese Frauengruppe, diesen Salon gefunden. Sie sind jetzt meine Familie.“
Zugleich schützt die Frauen die Gemeinschaft, die sie durch den Salon geschaffen haben. Im Südsudan war in den letzten Jahren ein Anstieg an sexueller Gewalt zu beobachten. Frauen, die oftmals alleine mit ihren kleinen Kindern fliehen müssen, werden häufig Opfer von Übergriffen – sogar in Flüchtlingslagern. „Viele Frauen haben Angst und verstecken sich”, berichtet Yeno Lili, die auch zu den Betreiberinnen des Salons zählt. „Aber wir sind stolz darauf, gut auszusehen, aufzufallen und als Frauen wahrgenommen zu werden. Warum sollten wir uns verstecken? Gemeinsam fühlen wir uns sicher.”
Gerne machen sich die Frauen auch gegenseitig aufwendige Frisuren. „Wir sind schließlich wandelnde Werbeträgerinnen für den Salon“, scherzt Mary Sande. Und manche der kreierten Haarprachten weisen auch symbolische Bedeutungen auf, wie die Flechtfrisur von Susan Mordn, die den Namen „Kura“ – „Einheit“ – trägt. „Wenn alle Stämme des Südsudans zusammenfinden wie die Zöpfe im Haar, werden wir Frieden haben“, hofft die 23-Jährige.
Siehe auch: Original-Spotlight von Giles Duley über den „Friendship Salon“ (englisch)
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