UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi zum Jahrestag des Schiffsunglücks von Lampedusa

Mehr als 1000 Menschen sind 2019 bereits bei der Überquerung des Mittelmeeres gestorben, Seerettung darf nicht kriminalisiert werden.

Am 3. Oktober 2013 sank das Schiff mit über 500 Menschen an Bord vor der Insel Lampedusa. 368 Menschen sind dabei ums Leben gekommen, nur 155 haben überlebt.

UNHCR hat sich heute in Lampedusa mit der Zivilgesellschaft, den lokalen und nationalen Behörden, den Überlebenden des Schiffsunglücks und den italienischen UnterstützerInnen versammelt, um den Nationalen Tag der Erinnerung an das Unglück von Lampedusa zu begehen, der 2016 gesetzlich festgelegt wurde. Heute gedenken wir jener 368 Flüchtlinge und MigrantInnen, die am 3. Oktober 2013 beim Schiffbruch vor Lampedusa ums Leben gekommen sind, und allen anderen Menschen, die ihr Leben bei der Überquerung des Meeres verloren haben.

Die Zahl der Menschen, die versuchen, über das Meer nach Europa zu gelangen, ist in den letzten Jahren, insbesondere entlang der Mittelmeerroute, stark zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Zahl der Todesopfer jedoch gestiegen. Anfang dieser Woche wurde ein tragischer Meilenstein erreicht: Mehr als 1.000 Menschen sind 2019 auf See gestorben, die meisten von ihnen auf der Route zwischen Libyen und Europa. Seit Anfang 2014 sind mehr als 15.000 Menschen im zentralen Mittelmeer bei ihrer Suche nach Schutz und Sicherheit ums Leben gekommen.

Wir können und müssen es besser machen.

UNHCR bekräftigt erneut, dass Such- und Rettungskapazitäten im Mittelmeerraum dringend zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies sollte die Rückkehr einer europäischen Such- und Rettungsoperation einschliessen. Unterstützung aus der Luft kann dringend benötigte Hilfe bieten, aber damit kann niemand aus dem Wasser gezogen werden, der sich in Not befindet. Alle Staaten im Mittelmeerraum müssen ihre Verantwortung für die rasche Bergung und Ausschiffung von Menschen wahrnehmen, die Rettung von Menschenleben muss dabei oberste Priorität haben.

Es ist an der Zeit, unseren NGO-Partnern zu danken, die in den letzten Jahren eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben, dass die Zahl der Todesopfer nicht noch höher war. Wenn die HelferInnen Land erreichen, nachdem sie Menschen auf See gerettet haben, dürfen ihre Schiffe nicht beschlagnahmt und ihre Besatzung nicht festgenommen werden. Diese Bemühungen sollten gelobt, nicht kriminalisiert oder stigmatisiert werden.

UNHCR begrüsst die jüngsten Diskussionen der Staaten über ein regionales Konzept zur Ausschiffung von Menschen, die auf See gerettet wurden. Wir sollten uns daran erinnern, dass die Rettung von Menschen bedeutet, sie aus dem Wasser zu holen und sie an einen sicheren Ort zu bringen. Wir hoffen, dass bei dem bevorstehenden Treffen des EU-Rates für Justiz und Inneres am 8. Oktober im Geiste der Aufteilung der Verantwortung und der Solidarität weitere Fortschritte erzielt werden.

Gleichzeitig müssen Anstrengungen unternommen werden, um die Ursachen für Flucht und Vertreibung zu beseitigen, einschliesslich einer verstärkten Unterstützung der Asyl- und Transitländer und erneuter Bemühungen, Frieden zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

Schliesslich müssen wir uns erneut darüber im Klaren sein, dass Libyen in seiner gegenwärtigen Lage kein sicherer Ort für die Rückführung von auf See geretteten Menschen ist. Die ohnehin volatile Sicherheitslage hat sich durch die Verschärfung der Gewalt seit April weiter verschlechtert. Solange sich die Situation nicht dramatisch verändert, kann Libyen nicht als Ort der Sicherheit für die Ausschiffung von auf See geretteten Menschen angesehen werden.

Drei Monate nach dem Luftangriff auf das Internierungslager in Tajoura, bei dem mehr als fünfzig Flüchtlinge und MigrantInnen getötet wurden, werden Menschen, die von der libyschen Küstenwache gerettet und abgefangen wurden, weiterhin nach Libyen zurückgebracht und dort routinemässig in Internierungslagern festgehalten. Dort müssen sie schreckliche Umstände und entsetzliche Menschenrechtsverletzungen erleben und laufen Gefahr, in die Kampfhandlungen verwickelt zu werden. UNHCR fordert weiterhin die Schliessung aller Internierungslager. Das Dekret des Innenministeriums vom 1. August zur Schliessung von drei Internierungslagern ist ein erster positiver Schritt, der nun wirksam umgesetzt werden muss.