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Bayerischer Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 9. Januar 1992-AN 5 K 89. 39099

Publisher Germany: Verwaltungsgericht
Publication Date 9 January 1992
Citation / Document Symbol Nr. AN 5 K 89. 39099
Cite as Bayerischer Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 9. Januar 1992-AN 5 K 89. 39099 , Nr. AN 5 K 89. 39099, Germany: Verwaltungsgericht, 9 January 1992, available at: https://www.refworld.org/cases,DEU_VERWALT2,3ae6b73914.html [accessed 21 May 2023]
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Bayrisches Verwaltungsgericht Ansbach

Beschluss vom  9. Januar 1992

X gegen

1.         die Bundesrepublik Deutschland - Beklagte zu 1) -

X gegen

2.         den Freistaat Bayern - Beklagter zu 2) -

IM NAMEN DES VOLKES

In der Verwaltungsstreitsache vertreten durch den Bundesminister des Innern in Bonn, dieser vertreten durch den Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausiändischer Flüchtlinge, 8502 Zirndorf beteiligt: Bundesbeauftragter für Asylangelegenheiten, Zirndorf vertreten durch die Landesanwaltschaft Ansbach

wegen

Verfahrens nach dem AsylVfG

(138-05469-88)

erläßt das Bayer. Verwaltungsgericht Ansbach - 5. Kammer -

folgendes

Urteil:

1.         Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10. Oktober 1989 wird aufgehoben.

Das Bundesamt wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen.

2.         Im Übrigen wird die Klage abgwiesen.

3.         Die Beklagte zu 1) trägt 2/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie ihre außergerichtlichen Kosten. Im übrigen trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens; Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Schuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die jeweiligen Gläubiger Sicherheit In gleiche Höhe leisten.

4.         Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1966 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit und Moslem. Nach seinen Angaben verließ er am 29. März 1988 sein Heimatland und reiste, ausgewiesen durch einen jugoslawischen Personalausweis, am 30. März 1988 bei Salzburg in das Bundesgebiet ein, wo er sich am 5. April 1988 als Asylbewerber meldete.

Zur Begründung seines Asylantrages führte der Kläger gegenüber der Ausländerbehörde schriftlich aus, das jugoslawische System gefalle ihm nicht, er werde unterdrückt, und nicht nur er werde unterdrückt, sondern alle Albaner, die in Jugoslawien lebten.

Bei der Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 19. Oktober 1988 machte der Kläger weitere Angaben zum Sachverhalt, wegen der auf die Vorprüfungsniederschrift verwiesen wird.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 1989 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und führte zur Begründung im wesentlichen aus, das Asylvorbringen des Klägers werde als unglaubhaft erachtet. Daraufhin forderte das Landratsamt Traunstein den Kläger mit Bescheid vom 17. Oktober 1989 unter Bezugnahme auf § 28 AsylVfG zum Verlassen des Bundesgbietes auf, setzte Ausreisetrist und drohte die Abschiebung an. Beide Bescheide wurden dem Kläger am 23. Oktober 1989 durch Niederlegung zugestellt.

Der Kläger beantragt mit seiner am 14. November 1989 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klage sinngemäß in der mündlichen Verhandlung, den Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 1989 sowie den Bescheid des Landratsamts Traunstein vom 17. Oktober 1989 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen.

Die Beklagten beantragen jeweils, die Klage abzuweisen.

Ein für den 8. November 1990 angesetzter Termin für die mündliche Verhandlung wurde auf Antrag des Klägerbevollmächtigten abgesetzt.

Der Klägerbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1990 aus, der Kläger könne die von ihm geschilderte dreimonatige Inhaftierung in einem jugoslawischen Gefängnis im Jahre 1982 nunmehr belegen. Die Festnahme des Klägers sei in der Tageszeitung. "Rilindja" veröffentlicht worden. Der Zeuge Luan Hima habe die Veröffentlichung gelesen. Der Name des Klägers sei nur mit jeweils einem Buchstaben für Vor- und Nachname angegeben gewesen. Der Zeuge habe gleichfalls in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag gestellt. Der Kläger kenne noch einen weiteren Zeugen, der über die Arbeit des Klägers in der Widerstandsgruppe "Blumen des Kosovo" informiert gewesen sei, allerdings kenne der Kläger den Aufenthalt dieses Zeugen, der sich gleichfalls in der Bundesrepublik Deutschland befinde, nicht. Es werde beantragt, die Zeitschrift "Rilindja", Ausgabe vom 22. April 1982, beizuziehen. Der Kläger könne auch noch aus der Erinnerung den Namen des Richters bekanntgeben, der ihn seinerzeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt habe. Es handelte sich dabei um Muharre Bekteshi. Die Veruteilung des Klägers zu einer dreimonatigen Haftstrafe sei erfolgt wegen Teilnahme an einer Demonstration, Verteilens von Flugblättern, Schreibens von Parolen und Anheftens von Flugblättern an Hauswänden. Durch die vorgeschilderten Ereignisse, insbesondere im Hinblick auf den Warnanruf seines Bruders von der Verhaftung von drei Kameraden des Klägers aus der gleichen Widerstandsgruppe, habe der Kläger mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen.

Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1990 teilte das Bundesamt mit, der im Klägerschriftsatz vom 31. Oktober 1990 genannte Zeuge sei beim Bundesamt nicht als Asylbewerber registriert.

Unter dem 7. Januar 1991 teilte das Landratsamt Traunstein mit, der Kläger befinde sich seit 20. Oktober 1990 in der JVA Mühldorf am Inn.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 1991 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten erklären: Der Klägerbevollmächtigte habe in der Zwischenzeit über die Bibliothek des Südostinstituts, München, die Ausgabe der Zeitschrift "Rilindja" vom 22. April 1982 in Fotokopie erhalten und gemeinsam mit dem Kläger durchgesehen. Der Artikel, der sich mit der Verhaftung des Klägers befaßt habe, sei in dieser Ausgabe nicht enthalten gewesen. Der Kläger, der zur damajigen Zeit in Haft gewesen sei und den Artikel nicht selbst gelesen habe, könne nicht ausschließen, daß der Artikel in einer der auf den 22. April 1982 folgenden Ausgaben der Zeitschrift "Rilindja" veröffentlicht worden sei. Der Kläger werde deshalb mit Erlaubnis des Landratsamt selbst in die Bibliothek des Süostinstituts München fahren und die späteren Ausgaben der Zeitschrift durchsehen und dann von der fraglichen Veröffentlichung eine Fotokopie beibringen. Der Vater eines Bekannten des Klägers werde in den nächsten Tagen eine Fahrt nach Kosovo antreten und dabei auch den Heimatort des Klägers besuchen. Sofern es möglich sei, werde er die Eltern des Klägers aufsuchen und die dort wahrscheinlich noch vorhandene Haftbescheinigung des Klägers beschaffen und zur Verfügung stellen.

Seit 15. Januar 1991 ist der Kläger nach Mitteilung des Landratsamtes Traunstein wieder in der Gemeinschaftsunterkunft Engelsberg wohnhaft.

Mit Schreiben vom 13. Februar 1991 tellte das vom Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 17. Dezember 1991 eingeschaltete Auswärtige Amt mit, um anhand von gerichtlichen Unterlagen die vom Kläger vorgetragenen Sachverhalte nachvollziehen zu können, möge dieser das fragliche Gericht näher bezeichnen, die Registernummer seines Verfahrens angeben und Angaben über Ort und Datum des Verfahrens machen.

Mit Schreiben vom 3. Juni 1991 teilte das Auswärtige Amt dem Verwaltunqsgericht mit, über die Gruppe, der der Kläger angehört haben will, lägen dort keine Erkenntnisse vor. Ein von der Botschaft Belgrad befaßter Vertrauensanwalt habe bisher nicht vermocht, den Fall des Klägers festzustellen. Der Vertrauensanwalt schlage vor, auf ihn eine Blankovollmacht des Klägers oder eines engeren Familienangehörigen auszustellen, weil ihm dann ein gesetzlicher Anspruch auf Untersuchung zustünde und bessere Aussicht auf Auskunft erreicht werden könnten.

Nach Üermittlung der angeforderten Blankovollmacht teilte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 10. Oktober 1991 mit, der Vertrauensanwalt der Botschaft Belgrad habe mit Hilfe der übersandten Vollmacht über einen Korrespondenzanwalt die Gerichtsakten beim Kreisgericht und bei der Kreisstaatsanwaltschaft in Prizren in den Jahren 1982 und 1983 einsehen können. Ein Strafverfahren gegen den Kläger habe nicht festgestellt werden können.

Mit Schriftsatz vom 14. Februar 1991 machte der Klägervertreter noch geltend: Der Kläger habe von der Veröffentlichung in der Zeitung "Rilindja" über den Zeugen Hima erfahren. Es werde deshalb beantragt, den Zeugen Hima zu der Bewelsfrage zu vernehmen. Die ladungsfähige Anschrift zu diesen Zeugen werde noch bekannt gegeben. Der Kläger sei Ende Januar 1991 selbst im Südostinstitut in München gewesen, um die Ausgaben der Zeitschrift "Rilindja" für die Zeit nach dem 23. April 1982 durchzusehen. Leider sei ihm dies nicht vollständig gelungen, da die Ausgaben für den 26. und 27. April 1982 Im Südostinstitut nicht vorhanden seien.

Mit Schriftsatz vom 14. November 1991 führte der Klägerbevollmächtigte aus: Der Kläger könne nicht verstehen, daß sein Verfahren nicht festgestellt worden sei. Der Kläger versichere die Wahrhaftigkeit seiner Asylgründe. Der klägerbevollmächtigte habe aus diesem Grunde mit gleicher Post im Auftrag des Klägers einen im Kosovo ansässigen Anwalt direkt beauftragt und gebeten, nach den Akten zu suchen. Der Kläger befürchte, daß der Vertrauensanwalt der Botschaft Belgrad möglicherweis nicht mit der erforderlichen Genauigkeit nachgeforscht habe oder daß ihm die Ergebnisse unrichtig übermittelt worden seien. Es werde gebeten, die Bemühungen bei dem Anwalt in Pristina abzuwarten. Ein Eingang einer weiteren Stellungnahme seitens des Klägerbevollmächtigten in der genannten Angelegenheit konnte nicht festgestellt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, einschließlich der Sitzungsniederschrift, sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsqründe:

Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1) richtet. Im übrigen ist sie dagegen unbegründet.

Der Kläger begehrt neben der Aufhebung des Bescheides des Landratsamtes Traunstein vom 17. Oktober 1989 die Verpflichtung des Bundesamtes, ihn unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 10. Oktober 1989 als Asylberechtigten im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG anzuerkennen. Diese Klage ist zulässig und sachlich auch begründet. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 1989 verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, denn er hat für seine Furcht vor politischer Verfolgung in Jugoslawien gute Gründe.

Nach Artikel 16 Abs. 2 S. 2 des Grundgesetzes - GG - hat ein Ausländer Anspruch auf Gewährung von Asyl in der Bundesrepublik Deutschand, wenn er - sofern er nicht bereits in einem anderen Staat vor politischer Verfolgung sicher war (§ 2 AsylVfG) - für seine Person die auf Tatsachen gegründete Furcht vor Verfolgung in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung hegen muß. Begründet ist die Furcht vor Verfolgung, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher wahrscheinlichkeit droht, so daß ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Die bereits im Heimatstaat aufgetretenen Umstände (Vorfluchtgründe) hat der Asylsuchende glaubhaft zu machen. Glaubwürdig ist ein Vorbringen dann nicht, wenn es in sich widersprüchlich ist und die Widersprüche nicht bereinigt werden können. Als glaubhaft gemacht kann ein Sachverhalt nur anerkannt werden, wenn der Asylbewerber während des Asylverfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, die wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen. Auch ein sich im Laufe des Asylverfahrens steigerndes Vorbringen kann zur Unglaubwürdigkeit führen. Die Aufklärungspflicht des Gerichts findet hierbei ihre Grenzen in der Mitwirkungspflicht des Asylsuchenden. Bei der Bewertung und Würdigung der aufgetretenen Widersprüche findet auch die persönliche Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers Berücksichtigung. Insbesondere kann das Gericht auch den Eindruck, den der Asylbewerber in der mündlichen Verhandlung hinterläßt, berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Die Kammer hat, im wesentlichen aufgrund des vom Klägerin der mündlichen Verhandlung hinterlassenen persönlichen Eindrucks, die gem. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwar erforderliche, aber andererseits auch ausreichende Überzeugungsgewißheit davon gewonnen, daß die vom Kläger geltend gemachten Asylgründe letztlich als glaubhaft gewertet werden können, die bisher hiergegen bestehenden Bedenken mithin also zurückzustellen sind. Fluchtauslösendes Ereignis war nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung somit die bereits beim Bundesamt (vgl. insbesondere Bundesamtsakt Bl. 12-14) geltend gemachte Verhaftung dreier Freunde. Die zeitlich weiter zurückliegenden Ereignisse, insbesondere die geltend gemachte dreimonatige Haft im Jahr 1982, waren zwar nicht unmittelbar fluchtauslösend, die diesbezüglichen Angaben des Klägers wurden jedoch bei der Beurteilung der allgemeinen Glaubwürdigkeitdes Klägers von der Kammer berücksichtigt, wobei die Kammer insbesondere dadurch beeindruckt wurde, daß der Kläger sich auch bei einer nochmaligen, bewußt nicht an dem vom Kläger zuvor angegebenen zeitlichen Ablauf der Ereignisse orientierten Abfrage der jeweiligen Daten in keinerlei nennenswerte Widersprüche verwickelte (vgl. auch Sitzungsniederschrift Seite 4, 2. Absatz von oben). Der Umstand, daß das Auswärtige Amt die vom Kläger genannte Organisation "Blumen des Kosovo" nicht kennt (vgl. die im Verfahren erholte amtl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 03. Juni 1991) und daß der von der Botschaft in Belgrad eingeschaltete Vertrauensanwalt auch über einen Korrespondenzanwalt nach Einsicht der Gerichtsakten ein Strafverfahren gegen den Kläger nicht feststellen konnte (vgl. die weiter im Verfahren erholte amtl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10. Oktober 1991), steht der von der Kammer in der mündlichen Verhandlung festgestellten Glaubwürdigkeit des Klägers nicht zwingend entgegen, zumal das Auswärtige Amt die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers keineswegs positiv widerlegt hat. Auch der weitere Umstand, daß der in aufwendigen und zeitraubehden Ermittlungen gesuchte Zeitungsartikel über die geltend gemachte Verhaftung des Klägers im Jahre 1982 letztendlich nicht beigebracht werden konnte, steht der Glaubwürdigkeit des Klägers nicht entgegen. Es erscheint der Kammer, ohne daß sich insoweit weitere Ermittlungen aufgedrängt hätten oder solche seitens der Beklagten beantragt worden wären, jedenfalls nachvollziehbar, daß es sich bei der vom Südostinstitut in München gehaltenen Ausgabe der Zeitschrift "Rilindja" um eine spezielle Auslandsausgabe handelt, deren Inhalt teilweise von der Inlandsausgabe abweicht. Auf die angebotene Vernehmung des mitgebrachten Zeugen Luan Hima hat die Kammer unter den obengenannten Umständen verzichtet, auch insoweit drängte sich eine Beweiserhebung nicht auf, seitens der Beklagten wurde sie nicht beantragt. Im Hinblick auf die von der Kammer in der mündlichen Verhandlung, wie ausgeführt, festgestellte persönliche Glaubwürdigkeit des Klägers vermag die Kammer auch gewissen nicht zu übersehenden vereinzelten Unklarheiten im Vortrag des klägers (vgl. z.B. hinsichtlich des Zeitpunktes der geltend gemachten Verhaftung einerseits Bundesamtsakt Bl. 11, andererseits Bundesamtsakt Bl. 15) keine ausschlaggebende Bedeutung dahin beizumessen, daß diese Unklarheiten dem Erfolg der Asylklage entgegenstühden.

Ist das Vorbringen des Klägers aber richtig, so drohte ihm im Zeitpunkt seiner Ausreise aus seinem Heimatland bereits unmittelbar politische Verfolgung. Der Kläger hat überzeugend geschildert, daß er am 25. März 1988 erfahren hat, daß drei seiner Freunde, die Führer der Organisation "Blumen des Kosovo", der auch der Kläger angehört hat, verhaftet worden sind. Weiterhin erscheint der Kammer glaubhaft und nachvollziehbar, daß der Kläger befürchtete, den drei Verhafteten werde kein anderer Ausweg bleiben, als die übrigen Mitglieder der Organisation preiszugeben. Damit findet auf den Kläger der für Vorverfolgte geltende Beurteilungsmaßstab Anwendung.

Es kann aber auch nicht mit der somit erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, daß der Kläger im Fall seiner Rückkehr nach Jugoslawien politischen Verfolgungsmaßnahmen unterzogen wird. Dem steht die Strafrechtsreform in Jugoslawien Ende 1990 nicht entgegen, da nach dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand 20. Mai 1991, nach wie vor Strafverfolgungen aus politischen Gründen auf der Grundlage des serbischen Republikstrafrechts stattfinden. Aus der gleichen Erkenntisquelle ergibt sich auch, daß es sich insoweit um äußerst weitgefaßte Straftatbestände handelt, die es dem Heimatstaat des Klägers durchaus ermöglichen, politische Gegner weiterhin im Gewande des Strafrechts zu maßregeln. Die serbische Repressionspolitik im Kosovo hat nach dem genannten Lagebericht des Auswärtigen Amtes auch zur Folge, daß nicht mehr länger ausgeschlossen werden kann, daß Albaner allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit staatlich verfolgt werden, wobei ein Ende der Repressionsmaßnahmen nicht abzusehen ist. Unter diesen Umständen ist der Kläger in Jugoslawien von politischer Verfolgung bedroht. Eine Rückkehr dorthin ist ihm nicht zuzumuten. Die Kaimer entnimmt dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand 20. Mai 1991, in ständiger Rechtssprechung auch, daß dem Kläger auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht, zumal aufgrund der zwischenzeitlich fortgeschrittenen politischen Ereignisse ohnehin davon auszugehen sein dürfte, daß die völkerrechtliche Sezession der Republiken Slowenien und Kroatien nunmehr beendet ist.

Ein Ausspruch des Gerichts zu § 51 Abs. 1 AuslG wurde seitens des Klägers nicht beantragt. Einer entsprechenden Auslegung des Klagebegehrens bzw. einer gerichtlichen Entscheidung hierüber unter dem Gesichtspunkt einer gesetzlichen Klageerweiterung bedurfte es jedenfalls im Hinblick auf § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG im Hinblick auf den Urteilstenor nicht.

Bei Stattgabe des Antrages auf Anerkennung als Asylberechtigter steht nämlich zugleich von Gesetzes wegen fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (vgl. auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 17. September 1991, 13TE 1710/91).

Die gegen den Bescheid des Landratsamtes Traunstein vom 17. Oktober 1989 gerichtete Klage ist dagegen unbegründet, weil dieser Bescheid § 28 AsylVfG entspricht. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides weder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung noch war das Landratsamt verpflichtet, ihm ungeachtet der Entscheidung über seinen Asylantrag den weitern Aufenthalt hier zu ermöglichen. Aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 10. Oktober 1989 war für die Ausländerbehörde auch kein Anhaltspunkt ersichtlich, der den Schluß zulassen hätte können, der Kläger würde unabhängig von der Frage der Asylrechtsgewährung in Jugoslawien politisch bedroht. Insoweit ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses der ausländerbehördlichen Entscheidung abzustellen (ständige einheitliche Rechtssprechung).

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