Große Fluchtbewegungen wie aus Syrien und langanhaltende Flüchtlingssituationen wie Afghanistan oder Somalia – sie sind eine globale Herausforderung, die nur durch die Zusammenarbeit von Staaten gelöst werden kann. Wie diese Zusammenarbeit gestaltet wird, dafür liefert der Global Compact on Refugees (GCR) eine Handlungsanleitung.
Was steht drin?
Der globale Pakt für Flüchtlinge ist ein internationales Übereinkommen, das die Hilfe für Flüchtlinge in großen und lang andauernden Flüchtlingssituationen verbessern soll. Er hat vier große Ziele: Länder entlasten, die viele Flüchtlinge aufgenommen haben; Flüchtlingen besser helfen wieder auf eigenen Beinen zu stehen; besonders Hilfsbedürftige unter den Flüchtlingen u.a. durch Resettlement in sichere Länder bringen sowie Bedingungen schaffen, damit Flüchtlinge freiwillig und sicher nach Hause zurückkehren können.
Wozu braucht es den Pakt?
Konflikt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen haben nie mehr Menschen zur Flucht gezwungen als heute. Ende des Jahres 2018 waren rund 25,9 Millionen Menschen als Flüchtlinge im Exil – zumeist in den Nachbarstaaten ihrer Heimatländer und eben nicht in Europa. Dennoch hat die europäische Flüchtlingssituation 2015 und 2016 dazu beigetragen, dass auch westliche Staaten Flucht und Vertreibung wieder verstärkt als globale und gemeinsame Herausforderung erkannt haben. Die jetzige Situation verlangt nach einem systematischeren Ansatz, der alle Akteur*innen – Staaten, humanitäre Organisationen, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und viele mehr – einbezieht. Das Ziel ist, durch den Pakt weltweite Unterstützung für Flüchtlinge effizienter und besser zu machen.
Wer hat ihn ausgehandelt?
Unter dem Eindruck großer Fluchtbewegungen verabschiedeten die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen am 19. September 2016 die New Yorker Erklärung. In dieser wird UNHCR damit beauftragt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten einen Pakt zu entwickeln, der auf die jahrzehntelange Erfahrung von UNHCR und Staaten in der Flüchtlingshilfe zurückgreift. Das geschah anhand eines in der Praxis erprobten Rahmenplans bewährter Maßnahmen (Comprehensive Refugee Response Framework, CRRF) und in enger Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten der UN, mit Nichtregierungsorganisationen, Flüchtlingen, Wissenschaftlern und zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Was haben einzelne Staaten davon?
Viele europäische Länder, darunter auch Österreich, haben vor allem in den vergangenen Jahren sehr viel für den Flüchtlingsschutz geleistet. Sowohl als Geber von Geldern für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in Flüchtlingssituationen als auch als Aufnahmeländer ist Europa ein wichtiger Partner humanitärer Organisationen. Dass diese Verantwortung auf viele Schultern verteilt wird, ist ein zentrales Anliegen des Flüchtlingspakts. Zudem ist es im Interesse der Staatengemeinschaft, dass Flüchtlinge in ihren Herkunftsregionen besser versorgt werden, befähigt werden für sich selbst zu sorgen und letztlich vor Ort eine Lebensperspektive haben.
Muss Österreich Zugeständnisse machen?
Der Globale Pakt für Flüchtlinge enthält keine neuen rechtlichen Verpflichtungen, die Österreich nicht schon durch die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention und anderer internationaler Abkommen erfüllt. Der Globale Pakt für Flüchtlinge ist vielmehr eine Blaupause von sinnvollen Maßnahmen, die globalen Flüchtlingsschutz effizienter machen. Der Wert des Paktes liegt vor allem darin, wie diese Maßnahmen umgesetzt werden. Die nationale Souveränität der einzelnen Staaten bleibt gewahrt. Mitgliedstaaten, die den Pakt annehmen, dürfen selbstverständlich auch weiterhin unter Achtung ihrer bestehenden internationalen Verpflichtungen selbst entscheiden, welche Flüchtlingspolitik für ihr Staatsgebiet sinnvoll ist.
Ist der Pakt rechtlich bindend?
Nein. Es ist ein Dokument, das in enger Zusammenarbeit mit Staaten und vielen anderen Akteur*innen über die letzten 18 Monate intensiv verhandelt wurde. Der finale Text ist im Konsens entstanden und ein starkes Bekenntnis zum internationalen Flüchtlingsschutz sowie zu internationaler Zusammenarbeit. Zudem beinhaltet der Pakt Foren, Treffen und Konferenzen, um unter anderem auf Ministerebene den Fortschritt der Umsetzung des Pakts im Blick zu behalten.
Was hat der Pakt für Flüchtlinge mit dem Migrationspakt zu tun?
Nicht viel. Migrant*innen werden in beiden Pakten inhaltlich klar von Flüchtlingen unterschieden. Zudem sind es zwei getrennte Prozesse. Der Flüchtlingspakt baut auf internationalem Recht auf, das für Migrant*innen in der Form nicht existiert. Zwar ist der Ursprung sowohl des Migrationspakts als auch des Flüchtlingspakts die New Yorker Erklärung vom September 2016, doch während die Verhandlungen zum Migrationspakt ein von UN-Mitgliedstaaten geleiteter Prozess unter Führung von Mexiko und der Schweiz ist, wird der Weg zum Pakt für Flüchtlinge durch UNHCR angeführt. Wegen seiner Erfahrung aus fast 70 Jahren Flüchtlingsschutz, wurde UNHCR durch die New Yorker Erklärung beauftragt den Konsultationsprozess mit Staaten zu leiten und in enger Abstimmung mit ihnen ein Konsensdokument zu entwickeln.
Ersetzt der Pakt die Genfer Flüchtlingskonvention?
Nein. Er bestätigt die Bedeutung der Genfer Flüchtlingskonvention und baut auf dieser und anderem bestehendem Flüchtlingsrecht auf. Die Flüchtlingskonvention hebt auf die Rechte und Pflichten von Staaten und Flüchtlingen ab. Sie spricht auch von der Zusammenarbeit von Staaten, aber nicht davon, wie diese aussehen soll. Das ist die Idee des Pakts für Flüchtlinge: die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen um die internationale Verantwortungsteilung zu erweitern und eine Idee davon zu entwickeln, wie diese in der Praxis umgesetzt werden kann.
Kommen wegen des Pakts mehr Flüchtlinge?
Flüchtlinge fliehen vor Krieg, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. Flucht ist nicht freiwillig und per Definition nicht planbar. Was aber mit Flüchtlingen geschieht, wenn sie in einem Aufnahmeland – in den allermeisten Fällen dem Nachbarland – ankommen, ist sehr wohl steuerbar. Hier setzt der Flüchtlingspakt an und will die Hilfe für Flüchtlinge dort effektiver gestalten, mit dem Ziel, dass sich die Menschen selbst versorgen können. Sie sollen eine Perspektive für die Zukunft bekommen. Je besser große und langanhaltende Flüchtlingssituationen in den Herkunftsregionen gehandhabt werden, desto weniger Menschen werden sich auf gefährliche Routen begeben, um eine Perspektive und Unterstützung in anderen Staaten zu suchen. Durch größere Resettlement-Programme wird gleichzeitig sichergestellt, dass auch besonders akute humanitäre Fälle nicht vergessen werden.
Was sind die nächsten Schritte?
Die UN-Generalversammlung hat den Globalen Pakt für Flüchtlinge am 17. Dezember 2018 angenommen. Im Dezember 2019 fand das erste Globale Flüchtlingsforum statt. Das Forum findet alle vier Jahre statt und wird auf Ministerebene abgehalten. Es dient den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und relevanten Interessenträger*innen unter anderem dazu, konkrete Zusagen und Beiträge zur Verwirklichung der Ziele des Globalen Paktes zu vereinbaren und die Fortschritte der gesetzten Ziele zu prüfen.