Flüchtlingskinder sind besonders schutzbedürftig. Während ihrer langen Flucht nach Europa werden sie oft Zeuge oder sogar Opfer von Gewalt sowie von weiteren Risiken wie Misshandlung, Vernachlässigung, Menschenhandel oder Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen.

Unabhängig davon, ob ein Kind von seinen Eltern begleitet wird oder nicht, ist eine angemessene Betreuung im Aufnahmeland entscheidend. Um den Kindern Stabilität zu geben, muss man ihnen die Möglichkeit geben, wieder Vertrauen in sich selbst und ihre Umgebung zu fassen. Dies ist nur dann möglich, wenn das Kindeswohl bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, vorrangig berücksichtigt wird. Dieses Prinzip ist in Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Es ist daher bei jeder Entscheidung wichtig zu erkennen, was jeweils im Interesse des einzelnen Kindes liegt. Jedes Kind muss zum Beispiel die Möglichkeit haben, die Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu absolvieren sowie in einer Umgebung aufzuwachsen, die seine Entwicklung fördert. Durch ein multidisziplinäres Verfahren können das Kindeswohl festgelegt und langfristige Lösungen gefunden werden. In der Regel werden diese Massnahmen in den Empfehlungen von UNHCR durch die Begriffe „Einschätzung und Feststellung des Kindeswohls“ (Best Interest Assessment – BIA, Best Interest Determination – BID) beschrieben.

Die UN-Kinderrechtskonvention verbrieft fundamentale Rechte von Kindern und gibt wichtige Grundsätze in allen Lebensbereichen vor – von Gesundheit und Bildung bis zu politischen Rechten. Die Konvention trägt damit dem Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung von Kindern – also alle Personen unter 18 Jahren – Rechnung. Diese Rechte stehen allen Kindern zu – unabhängig von Nationalität und Status.

Wenn Familien mit Kindern oder Kinder allein Asyl ersuchen, muss sowohl bei der Aufnahme und Unterbringung als auch bei der Durchführung des Asylverfahrens das Wohl des Kindes in den Vordergrund gestellt werden. Dies ist wichtig, damit die in internationalen Abkommen verankerten Kinderrechte umgesetzt werden.

 

Schutz von Flüchtlingskindern in der Schweiz

Die Vorstellung, dass Kinder einfacher Schutz bekommen als Erwachsene, ist nicht richtig. Ihr Asylgesuch wird nach den gleichen rechtlichen Kriterien geprüft wie die Gesuche von Erwachsenen. Unbegleitete Kinder haben in der Schweiz keinen Anspruch auf Familienzusammenführung, um ihre Eltern oder Geschwister nachzuholen – obwohl die Familieneinheit für die Integration der Kinder sehr wichtig ist.

UNHCR setzt sich deshalb in der Schweiz dafür ein, dass die besonderen Schutzbedürfnisse von Kindern stärker berücksichtig werden. Im Asylverfahren müssen kinderspezifische Fluchtgründe, zum Beispiel Zwangsheirat oder Kinderhandel, analysiert werden. Ausserdem hat UNHCR Empfehlungen veröffentlicht, wie die besonderen Bedürfnisse von Kindern bei der Unterbringung in Bundesasylzentren berücksichtigt werden sollten. Auch die Integration sollte anhand der Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet werden. Insbesondere für unbegleitete Kinder kann es schwierig sein, das Asylverfahren zu verstehen und Vertrauen in die Aufnahmegesellschaft zu fassen.

 

Unbegleitete asylsuchende Kinder
(unbegleitete minderjährige Asylsuchende oder UMA)

Einige Kinder müssen alleine fliehen – ohne Eltern, Familienangehörige oder andere gesetzliche Vertreter. Das kann verschiedene Gründe haben: Manchmal werden Familien während der Flucht getrennt, und teilweise treten Kinder die Flucht von vornherein alleine an.

2018 waren 2.6 % der Asylsuchenden in der Schweiz unbegleitete Kinder. Traumatisierung kann dazu führen, dass die Kinder nicht im Stande sind, alltägliche Aufgaben zu erledigen. Besonders belastend sind zusätzlich die Isolation und die Ungewissheit in der Zukunft. Nach ihrer Ankunft in der Schweiz sind sie häufig desillusioniert, weil ihre Vorstellungen von der Aufnahmegesellschaft und den Bedingungen vor Ort nicht der Wirklichkeit entsprechen. Ausserdem kommen die Erinnerungen an das Erlebte immer wieder zurück.

Wenn diese Mädchen und Jungen alleine in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, sind sie mit sehr komplexen rechtlichen Verfahren konfrontiert. Ausserdem gibt es oft Probleme beim Zugang zu Bildung, zum Sprachunterricht sowie zu weiteren sachlichen oder finanziellen Dienstleistungen. Es ist daher wichtig, dass sich diese Kinder auf die Unterstützung von Fachpersonal verlassen können, das ihren spezifischen Bedürfnissen gerecht wird. Hierzu gehört beispielsweise, dass die Suche nach Familienmitgliedern aufgenommen und der Kontakt zu ihnen hergestellt wird. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Integrationsmassnahmen für diejenigen, die in der Schweiz bleiben. Alle diese Massnahmen tragen dazu bei, dass den Kindern schnellstmöglich der Weg für den Wiederaufbau einer neuen Zukunft geebnet wird.

 

Diese Empfehlungen zu unbegleiteten Kindern beruhen insbesondere auf den Leitfäden Safe & Sound (2014, UNICEF, UNHCR) und The Way Forward (2017, IRC, UNICEF, UNHCR). UNHCR unterstützt auch die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren und Sozialdirektorinnen (SODK) zu unbegleiteten minderjährigen Kindern und Jugendlichen im Asylbereich (Empfehlungen der SODK vom 20. Mai 2016).

Zusätzliche Informationen zum Schutz von Flüchtlingskindern können Sie den Empfehlungen des UNHCR zur Familienzusammenführung und zur Unterbringung von Asylsuchenden in Bundesasylzentren entnehmen. Weitere relevante Informationen zu diesem Thema können Sie ausserdem dem Lehrmaterial „Aufbrechen – Ankommen – Bleiben“ entnehmen, das die Ankunft junger Flüchtlinge in der Schweiz anspricht. Auch das Projekt „Speak out!“, in dem 27 unbegleitete minderjährige Asylsuche ihren persönlichen Anliegen und Träume auf kreative Weise Gehör verschaffen, zeigt die Perspektive dieser jungen Menschen.

Informationen zum Schutz von Flüchtlingskindern – Schweiz

Kinderrechte im Schweizer Asylverfahren

Bericht über den Runden Tisch vom Dezember 2019 zum Thema „Kinderrechte im Schweizer Asylverfahren – eine Bestandsaufnahme zum 30. Jahrestag der Kinderrechtskonvention“

Interkantonale Empfehlungen

Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren zu unbegleiteten minderjährigen Kindern und Jugendlichen aus dem Asylbereich – Mai 2016

Handbuch zur Betreuung unbegleiteter Minderjähriger in der Schweiz

Praktisches Handbuch des Internationalen Sozialdienstes Schweiz (SSI) für Fachpersonal – 2017

Handbuch „Asyl und Rückkehr“

Handbuch des Staatssekretariats für Migration (SEM) zu unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden

Minderjährige Asylsuchende

Informationen zu unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden auf der Webseite der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH)

Ombudsstelle Kinderrechte Schweiz

Die Ombudsstelle soll Kinder bezüglich ihrer Rechte beraten und so für das Kind den Zugang zur Justiz sicherstellen.

Informationen zum Schutz von Flüchtlingskindern – International

UNHCR Richtlinien

UNHCR Richtlinien zur Einschätzung und Feststellung des Kindeswohls (auf Englisch) – Mai 2008

UNHCR Richtlinien n°8

UNHCR Richtlinien zum International Schutz: Asylanträge von Kindern – Dezember 2009

 

“The rights of all children in the context of international migration”

Bericht des UNO-Ausschusses für die Rechte des Kindes (auf Englisch) – 2012

"The Heart of the Matter"

UNHCR Bericht: «Assessing Credibility when Children Apply for Asylum in the European Union» (auf Englisch) – Dezember 2014

Weitere Informationen zu unbegleiteten Kindern

Safe & Sound

Gemeinsamer Bericht von UNHCR/UNICEF: «Safe & Sound. Welche Massnahmen Staaten ergreifen können, um das Kindeswohl von unbegleiteten Kindern in Europa zu gewährleisten» – Oktober 2014

 

The Way Forward

Gemeinsamer Bericht von UNHCR/UNICEF: «The Way Forward to Strengthened Policies and Practices for Unaccompanied and Separated Children in Europe» (auf Englisch) – 2017

Flucht und Trauma im Kontext Schule

UNHCR-Handbuch für PädagogInnen für eine bessere Integration von Flüchtlingskindern mit Trauma – 2017