E1510/2015 ua
Publisher | Austria: Constitutional Court of Austria (Verfassungsgerichtshof) |
Publication Date | 23 November 2015 |
Cite as | E1510/2015 ua, Austria: Constitutional Court of Austria (Verfassungsgerichtshof), 23 November 2015, available at: https://www.refworld.org/cases,AUT_FCCA,58590ea64.html [accessed 6 October 2022] |
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Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
23.11.2015
Geschäftszahl
E1510/2015 ua
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung von Einreisetiteln für eine afghanische Ehegattin und den minderjährigen Sohn eines in Österreich anerkannten Flüchtlings; keine Darlegung der Gründe für die Verneinung der Qualifikation des Sohnes als Familienangehöriger
Spruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.877,60 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, die sich in Afghanistan aufhalten und am 29. April 2014 bei der österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: ÖB Islamabad) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß §35 AsylG 2005 iVm §26 FPG stellten. Zur Begründung brachten die Beschwerdeführer vor, als Ehegattin (Erstbeschwerdeführerin) und Sohn (Zweitbeschwerdeführer) Familienangehörige eines namentlich bezeichneten in Österreich anerkannten Flüchtlings zu sein, dem am 19. März 2014 Asyl gewährt worden sei.
2. Mit Bescheid der ÖB Islamabad vom 26. November 2014 wurden die Anträge beider Beschwerdeführer unter einem abgewiesen.
Zur Begründung verwies die ÖB Islamabad auf die gemäß §35 Abs4 AsylG 2005 erstattete Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA), wonach es nicht wahrscheinlich sei, dass den Beschwerdeführern derselbe Schutz wie ihrer Bezugsperson im Bundesgebiet zuerkannt werden würde. Das BFA hätte nämlich mitgeteilt, dass die Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Asylberechtigten nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb sie keine Familienangehörige im Sinne des 4. Hauptstücks des AsylG 2005 sei. Denn Artikel 70 des "Afghan Civil Code" sehe als Mindestalter für die Eheschließung bei Männern 18 Jahre vor; zum Zeitpunkt der Eheschließung sei der anerkannte Flüchtling jedoch erst 17 Jahre alt gewesen, sodass die Ehe nicht gültig zustande gekommen sei.
3. Die gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidung der ÖB Islamabad vom 30. Jänner 2015 unter einem als unbegründet abgewiesen. Im Wesentlichen wiederholte die ÖB Islamabad die Begründung, welche sie bereits im Bescheid vom 26. November 2014 gegeben hatte.
4. Am 17. Februar 2015 beantragten die Beschwerdeführer die Vorlage ihrer Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis vom 26. Juni 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden unter einem als unbegründet ab. Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht unter anderem aus, dass im Verfahren die Qualifikation der Beschwerdeführer als Familienangehörige des in Österreich anerkannten Flüchtlings nicht festgestellt worden sei, weshalb eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK nicht in Betracht komme.
5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art8 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
6. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor, sah von der Erstattung einer Äußerung ab und verwies auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Die ÖB Islamabad legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Rechtslage
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 70/2015, lautet auszugsweise:
"§2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[…]
22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat;
[…]
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß §34 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs1 und Abs2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art8 Abs2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß §11 Abs5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß §17 Abs1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."
Das Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I 100/2005 idF I 144/2013, lautet auszugsweise:
"Anwendungsbereich
§1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Ausübung der Fremdenpolizei, die Erteilung von Einreisetiteln, die Zurückweisung, die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, die Abschiebung, die Duldung, die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten und die Ausstellung von Dokumenten für Fremde.
(2) Auf Asylwerber (§2 Abs1 Z14 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100) sind die §§27a, 41 bis 43 und 76 Abs1 nicht anzuwenden. Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, sind darüber hinaus die §§39 und 76 nicht anzuwenden.
[…]
Begriffsbestimmungen
§2. (1) Einreisetitel sind Visa gemäß dem Visakodex, nationale Visa (Visa D) gemäß §20 Abs1 und die Besondere Bewilligung gemäß §27a.
[…]
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in
Visaangelegenheiten
§11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§39a AVG). §10 Abs1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.
[…]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in
Visaangelegenheiten
§11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des §76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. §11 Abs3 gilt.
[…]
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§26. Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß §35 Abs4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
2. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
3. Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
4. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich bezüglich der Verneinung der Qualifikation des minderjährigen ledigen Zweitbeschwerdeführers als Familienangehöriger des in Österreich anerkannten Flüchtlings den Ausführungen der ÖB Islamabad an und verweist auf deren Begründung. Das Bundesverwaltungsgericht legt damit jedoch nicht dar, weswegen der Zweitbeschwerdeführer nicht als Familienangehöriger der in Österreich lebenden asylberichtigen Person qualifiziert wird. Trotz dieses Verweises wird im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts keinerlei Begründung zum zweitbeschwerdeführenden Kind gegeben, sondern lediglich auf ein nicht bestehendes Eheverhältnis zwischen seinem in Österreich als anerkanntem Flüchtling lebenden Vater und seiner erstbeschwerdeführenden Mutter abgestellt. Gemäß §35 Abs5 AsylG 2005 ist jedoch auch Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist. Ob eine Ehe bereits im Herkunftsstaat bestand, ist nach dem klaren Wortlaut des §35 Abs5 AsylG 2005 lediglich für die Qualifikation von Ehepartnern als Familienangehörige, jedoch nicht für die Rechtsstellung von ledigen minderjährigen Kindern von anerkannten Flüchtlingen maßgeblich. Das Bundesverwaltungsgericht übt damit Willkür, wenn es - wie hier - die Qualifikation des Zweitbeschwerdeführers als Familienangehöriger eines in Österreich anerkannten Flüchtlings deswegen verneint, weil seine Mutter nicht mit dem anerkannten Flüchtling verheiratet sei.
5. Bei diesem Ergebnis ist auch die Verweigerung der Einreiseerlaubnis der Erstbeschwerdeführerin zu beheben, weil vor diesem Hintergrund zu prüfen gewesen wäre, ob - ungeachtet einer mangelnden Eheschließung - Art8 EMRK gebieten würde, der Erstbeschwerdeführerin die Einreise zur Wahrung des Familienlebens zu gestatten (vgl. VfGH 6.6.2014, B369/2013-13).
Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 479,60 enthalten.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:VFGH:2015:E1510.2015