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Der Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention wird in der Schweiz generell eingehalten, aber einige Aspekte der Schweizer Anwendungspraxis sind problematisch.
Dies ist der Fall bei der sehr restriktiven Auslegung des Flüchtlingsbegriffs im Zusammenhang mit Gruppen, die einem Bürgerkrieg entfliehen und leider meistens keinen Flüchtlingsstatus erhalten. Das belegen die Ergebnisse einer Studie, die vom UNHCR Büro für die Schweiz und Liechtenstein anlässlich des 70-jährigen Jubiläums der Genfer Flüchtlingskonvention in Auftrag gegeben wurde. Die Schweiz hat die Konvention 1954 ratifiziert.
Asylsuchende, die vor der Verfolgung in Syrien im Jahr 2015 oder anderen Bürgerkriegsländern geflohen sind, erhalten in der Schweiz nur dann den Flüchtlingsstatus und Asyl (Ausweis B), wenn sie nachweisen können, dass sie individuell verfolgt werden. Dies ist besonders schwierig bei Bürgerkriegen, in denen ganze Gruppen verfolgt werden, weil sie der gegnerischen Seite angehören oder dessen verdächtigt werden. Ohne einen solchen Nachweis individueller Verfolgung erhalten jedoch nicht alle Schutzbedürftigen den Flüchtlingsstatus.
Beispielsweise wurde das Haus einer syrischen Familie von der Regierung oder einem anderen Akteur bombardiert, weil dort Anhänger der gegnerischen Seite vermutet wurden. Da die Betroffenen jedoch keine gezielte Verfolgung belegen können, erhalten sie in der Schweiz regelmässig nur eine F-Bewilligung.
Obwohl Gesetz und Anwendungspraxis in der Schweiz in den meisten Fällen die Genfer Flüchtlingskonvention respektieren, ist diese sehr restriktive Auslegung des Flüchtlingsbegriffs in der Schweiz problematisch. «Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten haben vorläufig aufgenommene Personen in der Schweiz nicht die gleichen Rechte wie Flüchtlinge (Ausweis B). Sie sind ausserdem zahlreichen Hindernissen ausgesetzt, insbesondere beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Diese Menschen haben einfach nicht die gleichen Chancen, sich zu integrieren», betont Anja Klug, die Leiterin des Büros für die Schweiz und Liechtenstein.
Die Schweiz folgt auch einer engen Interpretation des Flüchtlingsbegriffs bei Personen, die einer bestimmten sozialen Gruppe angehören, wie beispielsweise Kinder, Personen die sexuelle Gewalt erlitten haben, oder LGBTIQ-Personen. Zwar wurden in dieser Hinsicht auf gesetzlicher Ebene Fortschritte erzielt, insbesondere im Hinblick auf Frauen, doch die Praxis bleibt in Bezug auf andere Gruppen nach wie vor sehr restriktiv.
Über die vorläufige Aufnahme (Ausweis F):
Die vorläufige Aufnahme wurde 1987 eingeführt und sollte ursprünglich einen kurzfristigen Schutz vor einer Abschiebung gewährleisten. Mittlerweile wird die F-Bewilligung weit über diesen Zweck hinaus auf ein immer breiteres Spektrum von schutzbedürftigen Personen angewendet, darunter auch solche, die eindeutig für den Rest ihres Lebens auf Schutz angewiesen sind und daher in der Schweiz bleiben werden. Heute haben fast 50.000 Personen in der Schweiz eine F-Bewilligung.
Weitere Informationen:
– Vollständige Studie (pdf-Datei)
– Positionspapier: Reform der vorläufigen Aufnahme – Ersetzen der vorläufigen Aufnahme durch einen Schutzstatus
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