Land auswählen:
Inmitten der weltweit am schnellsten voranschreitenden Vertreibungskrise haben zwei Community-Leader Binnenvertriebene aufgenommen, versorgt und Einigkeit gepriesen. Dafür wurden sie mit dem regionalen Nansen-Flüchtlingspreis ausgezeichnet.
Anfang 2019 tauchten jeden Tag ein oder zwei Neuankömmlinge auf der staubigen Straße nach Bollé auf, einer Gemeinde am Rande von Kaya, der Hauptstadt der Region Centre-Nord in Burkina Faso. Sie suchten verzweifelt nach Hilfe, nachdem sie vor Angriffen bewaffneter Gruppen und nationaler Streitkräfte weiter nördlich nahe der Grenze zu Mali geflohen waren.
Als jedoch im vergangenen Jahr die Angriffe im Norden zunahmen und sich die Unsicherheit ausbreitete, wurden die Ankünfte täglich mehr. Da die Gemeinschaft nicht wusste, was sie mit den vielen notleidenden Menschen tun sollte, die jeden Tag ankamen, bat sie Diambendi Madiega um Hilfe.
„Damals begannen die Menschen in sehr großer Zahl in nur kurzer Zeit zu kommen“, erklärte Madiega. „Wenn man die Straße [nach Norden] nahm, traf man ständig auf Menschen, die hierherkamen. Es war ein Punkt erreicht, an dem ich überwältigt war.“
Burkina Faso, das lange Zeit als eine Bastion der Stabilität in der unruhigen Sahelzone Afrikas galt, kämpft derzeit mit der weltweit am schnellsten voranschreitenden Vertreibungskrise. Als Reaktion auf häufige und tödliche Angriffe auf Zivilist*innen und Sicherheitskräfte wurden in den letzten zwei Jahren mehr als 1,4 Millionen Burkinabè aus ihren Häusern vertrieben, davon mindestens 350.000 seit Anfang 2021.
Zu erkennen ist der hochgewachsene 67-jährige Madiega sofort an dem Stock, auf den er sich nach einem Motorradunfall stützt, und an dem bunt gemusterten Hut, der ihn als Anführer der Gemeinschaft ausweist. Von den Einheimischen wird er liebevoll „Naaba Wogbo” – Elefantenhäuptling – genannt.
Angesichts der vielen Menschen, die mit nichts als ein paar persönlichen Gegenständen ankamen, fühlte sich Madiega verpflichtet, zu helfen. Er kaufte Lebensmittel, um ihren Hunger zu stillen, und öffnete seinen großen Hinterhof für die vertriebenen Familien, die dort provisorische Unterkünfte bauten, um sich vor den Naturgewalten zu schützen. Als sich der Hof schnell füllte, wies er Hunderten von ihnen sein nahes gelegenes Feld. zu
Schon bald beherbergte und versorgte er etwa 2.500 Menschen, aber es kamen immer mehr hinzu. Da er kein eigenes Land mehr zur Verfügung hatte, machte sich Madiega daran, 300 andere Menschen in seiner Community davon zu überzeugen, Menschen bei sich aufzunehmen.
„Ich bat sie um ihr Land, um zwei oder drei Zelte aufzustellen, und sie stimmten zu“, erklärte er. „Sie sind sich darüber im Klaren, dass sie sich in Zukunft in der gleichen Situation wiederfinden könnten, wenn die derzeitige Situation ungelöst bleibt. Es gibt keinen Unterschied zwischen uns.“
„Wenn eine Frau weiterkommt, dann auch ihre Gemeinschaft…“
Während Madiega die Ressourcen seiner eigenen Gemeinschaft mobilisierte, spielte sich 170 Kilometer nordöstlich in Dori ein nahezu identisches Szenario ab, in der Nähe der unruhigen Grenzregion des Landes zu Mali und Niger, die in den letzten Jahren zu einem Brennpunkt für Angriffe und Einschüchterungen durch bewaffnete Gruppen geworden war.
Als die Bevölkerung der Stadt mit der Ankunft von 35.000 Vertriebenen in nur zwei Jahren um ein Fünftel anstieg, versammelten sich jeden Tag Dutzende vor dem Haus von Roukiatou Maiga.
Die 55-jährige Maiga, die aus einer der adeligen Familien der Region stammt, wurde mit einem Dickkopf geboren, der sie dazu brachte, sich über die Konventionen und die Wünsche ihrer Familie hinwegzusetzen und den Mann zu heiraten, den sie liebte.
„Meine Eltern wollten, dass ich jemanden aus meiner eigenen ethnischen Gruppe heirate, aber ich sagte ‚nein, ich will ihn‘“, erklärte Maiga. „Es war nicht leicht … Es dauerte, bis meine Eltern das akzeptierten.“
Diese Erfahrung hat sie gelehrt, über die ethnische Zugehörigkeit eines Menschen hinauszuschauen. „Ich möchte zeigen, dass alle Ethnien in Frieden zusammenleben können. Deshalb habe ich angefangen, den Vertriebenen zu helfen.“
Die Menschen drängen sich in Maigas sonnendurchflutetem Innenhof auf der Suche nach Hilfe in Form von Lebensmitteln, Notunterkünften und praktischen Ratschlägen, wie sie sich für die Hilfe von UN-Organisationen und anderen Partnern registrieren lassen können.
Maiga kümmert sich besonders um die Bedürfnisse von Frauen und Kindern, die mehr als die Hälfte der vertriebenen Bevölkerung Burkina Fasos ausmachen. Viele von ihnen haben Gewalt miterlebt, darunter auch die Tötung von Familienangehörigen und Nachbarn.
Neben der Gründung einer landwirtschaftlichen Kooperative, die vertriebenen und einheimischen Frauen eine Lebensgrundlage bietet, nimmt sich Maiga auch die Zeit, sich mit den Neuankömmlingen zusammenzusetzen und sich ihre Geschichten anzuhören, wobei sie ihnen tröstend die Hand reicht.
„Viele hier haben extrem schwierige Erfahrungen gemacht, und viele haben psychische Probleme“, sagt Maiga. „Ich denke, wenn eine Frau weiterkommt, dann auch ihre Gemeinschaft und das ganze Land mit ihr.“
Fatoumata Diallo kam vor einem Jahr in Dori an und blieb bei Maiga, bis sie von UNHCR, eine eigene Unterkunft erhielt. „Sie nahm uns auf, hörte uns zu und half uns“, sagte Diallo. „Jetzt ist sie wie eine Mutter für uns.“
„Es zeigt, dass wir alle dasselbe Volk sind; wir sind alle Burkinabè.“
Für ihren unermüdlichen Einsatz zur Unterstützung von Binnenvertriebenen in Burkina Faso wurden Maiga und Madiega zu den regionalen Co-Preisträger*innen des UNHCR Nansen-Flüchtlingspreises 2021 für Afrika ernannt.
Der prestigeträchtige Preis, der nach dem norwegischen Forscher und Menschenfreund Fridtjof Nansen, dem ersten UN-Flüchtlingshochkommissar und Nobelpreisträger, benannt ist, wird alljährlich an Personen verliehen, die außergewöhnliche Anstrengungen unternommen haben, um gewaltsam vertriebenen oder staatenlosen Menschen zu helfen.
Als er erfuhr, dass er den Preis erhalten würde, drückte Madiega seine persönliche Freude, aber auch seinen tiefen Stolz darüber aus, wie seine Nachbarn zusammengekommen waren, um ihren Landsleuten zu helfen. „Ich bin sehr glücklich über das, was diese Gemeinschaft getan hat. Es zeigt, dass wir alle dasselbe Volk sind; wir sind alle Burkinabè.“
Maiga beschrieb, wie ihre Arbeit mit den Vertriebenen ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben hat, äußerte jedoch die Hoffnung, dass ihre Hilfe eines Tages nicht mehr benötigt wird.
„Ich habe so viel erlebt, wie es ist, Menschen zu helfen und als humanitäre Helferin zu arbeiten, dass es mein Leben, meine Leidenschaft geworden ist“, sagte sie. „Ich wünsche mir für die Vertriebenen, dass sie zurückkehren können, dass Gott sie gesund in ihre Dörfer zurückbringt und dass in Burkina Faso Frieden herrscht.“
Share on Facebook Share on Twitter