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Handgefertigte Kunstwerke von Geflüchteten können nun auf MADE51, dem Online-Marktplatz von UNHCR, erworben werden.
Als Kind kehrte der Vater von Kapya Kitungwa mit Holzstücken aus dem Wald nach Hause zurück. Er hackte und schnitzte, bis sich die Holzstücke vor Kapyas Augen in beeindruckende Masken verwandelten. Mit 14 Jahren fertigte Kapya seine erste eigene Maske an. Er verkaufte sie für einen Dollar und ging stolz zum örtlichen Geschäft, um sein verdientes Geld auszugeben.
„Ich sagte [meinem Vater]: ‚Das will ich machen’“, erinnerte sich der 44-jährige Kapya, der aus der Demokratischen Republik Kongo fliehen musste und jetzt in Kenia lebt. „Er hat etwas geschnitzt, dann habe ich etwas geschnitzt. So hat er es mich gelehrt.“
Kapya benutzt die gleichen Werkzeuge, die er als Kind im Kongo benutzte, um eine traditionelle Holztaube für bestimmte Feiertage herzustellen. Auf dem Online-Marktplatz für Kunsthandwerk von Flüchtlingen MADE51 sind Kapyas Tauben seit kurzem zu haben. Kapya und sein Team, die für das in Nairobi ansässige Sozialunternehmen Mifuko arbeiten, schnitzten 2.000 Vögel aus einheimischem Jacaranda-Holz, einer schnell nachwachsenden Baumart.
Die MADE51-Feiertagskollektion umfasst 20 Teile unterschiedlichen Kunsthandwerks aus 16 Ländern, von denen jedes für Widerstandsfähigkeit und Solidarität steht. Das Kunsthandwerk wird in Geschenkschachteln aus Recyclingpapier mit Karten geliefert, auf denen die Bedeutung hinter dem Gegenstand und seine Herstellung erklärt wird.
„Ich möchte mein Handwerk fortsetzen. Ich liebe es wirklich.“
UNHCR hat MADE51 im Jahr 2016 ins Leben gerufen, um Flüchtlingen zu helfen, eigenes Geld zu verdienen und um geflüchtete Kunsthandwerker*innen einen Zugang zu globalen Märkten zu ermöglichen. Viele der Flüchtlingsgemeinschaften hatten Zugang zu Rohstoffen und den Fähigkeiten, um die Produkte herzustellen, aber es fehlte ihnen an Unterstützung. MADE51 brachte die Flüchtlinge mit sozialen Unternehmen zusammen, die bei der Vermarktung und der logistischen Unterstützung helfen und zusätzliche Beratung anbieten.
Ein solches Unterstützungsnetzwerk ist aktuell besonders wichtig. Die Coronavirus-Pandemie bedroht die soziale und wirtschaftliche Stabilität vieler Geflüchteten. Flüchtlinge, von denen die meisten in den ärmsten Ländern der Welt leben, sind oft von der informellen Wirtschaft abhängig und daher besonders verwundbar. Viele Tageslöhner*innen haben durch Corona ihre Lebensgrundlage verloren.
Rania Shrum und ihre Familie waren gezwungen, vor dem Krieg aus Syrien zu fliehen und kamen vor sechs Jahren in die Türkei. Seit vier Jahren arbeitet sie bei Bebemoss, einem Sozialunternehmen in Istanbul. Sie und ihr Ehemann hatten grosse Mühe, über die Runden zu kommen. Seit Beginn der Pandemie ist die Arbeit ihres Mannes in einer Nähwerkstatt noch unsicherer.
Als Kind lernte Rania von ihrer Mutter, wie sie Kleider für ihre Puppen anfertigen konnte. Als sie in die Türkei kam, lernte sie häkeln. Gemeinsam mit anderen syrischen Frauen fertigt sie die farbenfrohen „Brave Ibis-Häkeltiere“ für die MADE51-Kollektion an. Die gehäkelten Tiere sind eine Hommage an den Nördlichen Kahlkopfibis, der in Teilen Syriens lebt.
„Mein Ziel für die Zukunft ist es, weitere und professionellere Wege zur Herstellung von Spielzeug zu erlernen und in der Lage zu sein, jede Art von Häkelarbeit herzustellen, die ich sehe“, sagte Rania.
„Ich möchte mit meinem Handwerk weitermachen, so wie ich es liebe.“
Seit Beginn der Pandemie sind viele Werkstätten geschlossen worden und die Handwerker*innen mussten von zu Hause aus arbeiten. Ein Rückgang der Flüge hat zu logistischen Schwierigkeiten und zu Verzögerungen bei den Lieferungen geführt. In Indien schaffte es eine Lieferung von Kunsthandwerk für die Sammlung kaum noch rechtzeitig aus dem Land. Pläne zur Kooperation mit großen Einzelhandelsgeschäften mussten ebenfalls aufgegeben werden, um sich stattdessen auf die pandemiesicheren Online-Verkäufe zu konzentrieren. Dennoch hat es MADE51 geschafft, vielen Kunsthandwerker*innen eine Rettungsleine anzubieten.
In der indischen Stadt Neu-Delhi, beschäftigt das Sozialunternehmen SilaiWali afghanische Flüchtlinge, die aus Abfallmaterialien Stoffpuppen und andere Kunstwerke herstellen. Der Gründer der Organisation Bishwadeep Moitra, der das Projekt zusammen mit seiner Frau Iris Strill ins Leben gerufen hat, berichtete, dass seit der Pandemie die angestellten Frauen die Materialien abholen und von zu Hause aus arbeiten mussten. Für die Festtagskollektion nähen sie kunstvolle Filzpferde – eine Hommage an ihr Aufnahmeland, wo das Pferd Loyalität, Schnelligkeit und Energie symbolisiert.
Humaira, die für die Organisation arbeitet sagte: „Ich kann damit meine Familie unterstützen und …
… wenn wir sehen, wie Menschen diese Werkstücke an andere verschenken, werden wir sehr glücklich sein, weil wir sie von Hand gefertigt haben.“
Ola Adeeb aus Syrien lebt seit ihrer Flucht in Jordanien und lernte von Mei Hayashi, der Gründerin von dem sozialen Unternehmen Tribalogy, wie man das beliebte „Proud Camel“ herstellt. Mei Hayashi unterrichtete im Flüchtlingslager Zaatari Kunsthandwerk, als sie eines Abends bei einer Ausstellung ein Gemälde von Ola entdeckte und sofort mit ihr zusammenarbeiten wollte.
Meis Idee des Kamels kam ihr auf ihren Reisen in Peru, wo sie Schlüsselanhänger mit Lamas gesehen hatte und sich dachte, ähnliche Produkte – mit Kamelen statt Lamas, um die jordanische Wüste darzustellen – würden sich bestimmt gut verkaufen. Sie brachte Ola bei, wie man sie herstellt, und bald schlossen sich Olas Mutter und ihre Schwägerin an.
Tribalogy beschäftigt mittlerweile ein Team von rund 30 Frauen, darunter Einheimische und Flüchtlinge, die die Kamele und viele andere Gegenstände herstellen. Das Sozialunternehmen schloss sich im vergangenen Jahr dem Netzwerk MADE51 an und verkauft seither die kleinen Kamele in allen Teilen der Welt.
„Am Anfang war es schwierig, die Kamele herzustellen. Ich hätte fast aufgehört, aber Mei und mein Vater ermutigten mich, es weiter zu versuchen, bis ich gut darin war“, sagte die 21-jährige Ola, die später einmal Psychologie, Mode oder Zahnhygiene studieren möchte. „Ich verdiene gutes Geld … Es erlaubt mir, Medikamente zu kaufen und meinen Eltern zu helfen.“
Die Interviews mit Kunsthandwerker*innen wurden von Sozialunternehmenspartner*innen und UNHCR-Mitarbeiter*innen auf der Grundlage von Fragen des Autors geführt.
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