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Eine syrische Familie fand 2015 in einem kleinen Ort nahe Potsdam Schutz. Während der Corona-Krise geben sie Schutz zurück – auf ganz andere Weise.
Eine syrische Familie fand 2015 Zuflucht und Schutz in einem Örtchen, von dem sie noch nie gehört hatte. Fünf Jahre später arbeiteten alle vier tags und fast auch nachts, um ihrerseits ihrer Gemeinde Schutz zu geben – wenn auch auf ganz andere Art.
„Alles, was wir wollten, war helfen. Und etwas zurückgeben“, sagt Fatima Ibrahim in fehlerfreiem Deutsch. Sie wirkt ein bisschen müde, aber auch glücklich. Beides hat die Ursache in der Arbeit ihrer ganzen Familie in den letzten Tagen: Die vier Kurden aus Syrien, die seit 2015 in der Gemeinde Seddiner See in Brandenburg leben, haben spontan Hunderte von Gesichtsmasken genäht, um ihre Gemeinde vor Corona zu schützen.
Rashid ist Schneider, Fatima Verkäuferin, ihre beiden Töchter sind zehn und sieben Jahre alt. Sie kommen aus Afrin, ganz im Nordwesten Syriens. Vor dem Krieg flüchtete die Familie bis nach Deutschland und kam nach Seddiner See, ein paar Kilometer südlich von Potsdam. „Wir hatten noch nie von Seddiner See gehört. Aber die Menschen sind so freundlich hier und sie haben uns an die Hand genommen und geholfen. Sie waren….“, sie sucht nach Worten, „…sie waren einfach immer so gut, so lieb zu uns“.
Einer von ihnen ist Bodo Schade. Der Rentner ist 72, aber immer für andere da. „So bin ich erzogen und als Christ macht man das so: Wenn ein Mensch in Not ist, hilft man“; sagt er selbstverständlich, als wundere er sich über die Frage. „Das ist doch nur menschlich.“ Immer wieder half er Flüchtlingen, eine Wohnung zu finden, sich richtig zu bewerben oder gab bei der Behörde Beistand.
Und dann kam Corona. „Meine Schwiegertochter arbeitet in einem Krankenhaus und sie sagte, dass diese Gesichtsmasken knapp werden. Weil Rashid Schneider ist, habe ich ihn gefragt, ob er nicht ein paar nähen kann.“ Der musste nach eigenen Worten „nicht einmal eine Sekunde nachdenken“ und sagte sofort zu.
„Der halbe Ort hat mitgemacht.“
Das Problem war das Material. Für den Stoff besorgte Schade Bettlaken, aber Gummibänder waren knapp, Lieferzeiten bis in den Juni. „Also hat meine Frau in ihrer WhatsApp-Gruppe gefragt, in der sie sonst Gartentipps austauschen. Und eine Stunde später quoll der Briefkasten von Fatima und Rashid über mit Gummibändern.“ Die Helfer steckten sogar Zettel in den Kasten: „Super!“ und „Vielen, lieben Dank für die Aktion!“ stand drauf. „Der halbe Ort hat mitgemacht“, sagt Schade lachend.
Und dann legte Rashid los. Wenn Fatima von der Arbeit als Verkäuferin nach Hause kam, machte sie mit. Und die Kinder schnitten mit zu, sortierten und zählten. Und zählten. Und zählten. 360 Gesichtsmasken machte die Familie in den ersten Tagen (und auch Nächten). Rentner Schade brachte sie dann in ein Pflegeheim und ein Krankenhaus. „Mann, haben die sich gefreut!“
Die Aktion wurde von einer Zeitung aufgegriffen. Dann von noch einer. Dem Radio. Und dann von einem kurdischen Fernsehsender. Und einem syrischen Radioprogramm. Die Initiative war plötzlich international bekannt und Rashid bekam das Angebot, Fördergelder für die Aktion zu bekommen. Der Schneider lehnte ab. Keinen Pfennig wolle er, betont er.
„… wenn wir Deutschland ein bisschen etwas zurückgeben können, dann sind wir glücklich.“
Aber warum macht die Familie das dann alles? Und macht sogar weiter, mehr als 800 Masken sind es inzwischen. „Corona ist eine solch furchtbare Krankheit und wir wollen helfen, wo wir können“, erklärt Fatima. Zuerst hatte sie angeboten, für alte Leute einkaufen zu gehen. Aber die Gesichtsmasken seien der noch bessere Weg, ihren Nachbarn, der Gemeinschaft zu helfen. „Wir wurden so herzlich aufgenommen“, sagt sie. „Wir fanden Schutz, wir haben Arbeit, unsere Kinder können zur Schule gehen. Wir sind sehr gern in Seddiner See und wenn wir Deutschland ein bisschen etwas zurückgeben können, dann sind wir glücklich.“
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