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Asmerom kam als Flüchtling mit Hilfe von UNHCR per Härtefallaufnahme nach Deutschland. Zuvor war er monatelang in einem der Haftlager in Libyen – die Not, die Gewalt und der Tod in dem Lager beschäftigen ihn auch in seiner neuen Heimat Hamburg noch. Jeden Tag.
Hamburg ist anders. Für Asmerom ist Hamburg nicht nur eine neue Heimat. Hamburg ist Sicherheit. Freiheit. Hoffnung. Hamburg ist anders als das alte zu Hause. In Eritrea hatte der studierte Historiker weder Freiheit noch Zukunft, in Libyen überlebte er nur mit Glück. „In Hamburg ist alles anders“, sagt er leise. „Ich bin frei. Und ich habe eine Chance.“ Kurze Pause. „Danke. Danke dafür.“
Schon als Historiker hatte er an Flucht gedacht. „Es ging ja nicht um wahre Geschichte, um Wissenschaft. Sondern nur um das, was das Regime behauptete“, sagt er. Als dann noch der unbefristete Militärdienst drohte, floh Asmerom. „Ich möchte nicht in einem Land sein, in dem es kein Recht gibt und in dem man ins Gefängnis gesteckt wird, weil man seine Meinung sagt.“
Eigentlich möchte er gar nicht über Libyen sprechen. „Es war…“. Er sucht nach dem passenden deutschen Wort. „Entsetzlich“, sagt er leise, „nur entsetzlich“. Acht Monate war er in dem Bürgerkriegsland. „Das Lager, es war nicht nur klein, es war auch völlig überfüllt. Wir waren 1.600 Menschen. Es gab nur eine Toilette. Waschen konnte man sich nicht. Und Essen gab es kaum. Wir hungerten.“ Und dann die ständige Gewalt: „Wir wurden geschlagen. Einfach so, ohne Grund. Auch ich wurde mißhandelt. Oft. Einfach so.“ Hinter einer Abtrennung war ein zweiter Bereich. „Da waren die Frauen und sogar auch Kinder. Wir haben sie nicht gesehen. Aber auch sie wurden geschlagen. Wir haben es gehört. Jeden Tag.“ Wie er diese Zeit überleben konnte? „Deshalb“, sagt er und legt die Hand auf das Holzkreuz an seiner Brust.
In dem Lager in Libyen war er als Christ besonders von den Misshandlungen der Wärter betroffen. Warum hat er dann das Holzkreuz nicht einfach weggeworfen? Er schaut befremdet. „Ohne es kann ich nicht leben“, sagt er bestimmt. „Es wegzuwerfen hieße, Gott anzulügen.“ Einmal habe ein Wärter es von seinem Hals gerissen und zertreten. Asmerom hob es auf und reparierte es irgendwie wieder. „Ich habe es geschützt. Aber eigentlich hat es mich geschützt.“
Nicht nur Gewalt und Not waren allgegenwärtig, auch der Tod. „Die Menschen starben. Viele starben.“ Die meisten, weil sie die Bedingungen nicht aushielten, weil es zu wenig zu Essen gab und die Gefangenen völlig vernachlässigt wurden. „Viele waren verletzt. Manche durch die Flucht, manche durch die Schläge und Misshandlungen. Niemand hat sich um sie gekümmert. Sie starben einfach.“ Ein Mann lag direkt neben ihm. Er wurde immer schwächer. Und dann war er tot. „Ich habe viele Menschen sterben sehen. Aber er war direkt neben mir. Ich werde ihn nie vergessen.“
Die Menschen wurden wie Sklaven gehandelt, erzählt er. Entweder tauschten die Milizen sie untereinander oder verkauften sie für Geld. Asmerom hatte das Glück, dass Mitarbeiter des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in das Lager kommen konnten. Sie konnten ihn durch Verhandlungen und internationalen Druck befreien.
Das Programm, mit dem Asmerom in ein sicheres Land kam, nennt sich Resettlement. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR identifiziert dazu unter den Millionen Flüchtlingen, die ohnehin unter schweren Bedingungen leben, die, die von besonderen Härten betroffen sind. Diese werden dann sicheren Drittländern vorgeschlagen, die die Fälle noch einmal prüfen und dann grünes Licht geben. Die Flüchtlinge können ganz offiziell einreisen, ohne tödliche Überfahrten über das Mittelmeer. UNHCR sorgt dafür, dass so tatsächlich den Notleidensten geholfen wird, die Behörden der Aufnahmeländer für die weitere ordnungsgemäße Abwicklung. „Das Programm ist für Flüchtlinge so wichtig“, sagt Asmerom. „Ich habe so viele Menschen leiden sehen. Bitte helft ihnen, auch mit Resettlement. Vergesst Libyen nicht! Bitte vergesst die Menschen in Libyen nicht!”
Staaten zu bewegen, mehr Resettlement-Plätze zu schaffen, ist auch Anliegen des 2018 von der UN-Vollversammlung angenommenen Globalen Pakts für Flüchtlinge, der Flüchtlingsschutz besser und effizienter machen soll. Im Globalen Flüchtlingsforum, das im Dezember dieses Jahres in Genf stattfindet, soll überprüft werden, wo die Staatengemeinschaft bei der Umsetzung des Globalen Paktes und seiner Ziele steht. Gleichzeitig soll ein Austausch unter Staaten und gesellschaftlichen Akteuren ermöglicht werden, um gute Programme und Projekte vorzustellen. Deutschland hat für aus Libyen evakuierte Flüchtlinge wie Asmerom 300 Aufnahmeplätze zur Verfügung gestellt. Insgesamt sollten für den Zeitraum 2018 und 2019 10.200 Flüchtlinge neu in Deutschland angesiedelt werden. UNHCR schätzt, dass weltweit 1,4 Millionen Flüchtlinge nicht in dem Land bleiben können, in das sie geflohen sind, zum Beispiel weil sie dort nicht sicher sind oder eine Krankheit haben, die dort nicht behandelt werden kann. Doch 2018 wurden für diese Menschen nur rund 56.000 Aufnahmeplätze von Staaten zur Verfügung gestellt.
Asmerom hatte Glück. Seine neue Heimat heißt nun Hamburg und die Stadt ist für ihn vor allem ein Platz des Lernens. Gerade hat er seine Deutschprüfung gemacht. In sechs Monaten auf Niveau B1. „Selbstständige Sprachanwendung“, heißt das. Er möchte so schnell wie möglich eine Ausbildung machen, entweder als Buchhalter oder als Erzieher. Denn er würde gern mit Kindern arbeiten. Kinder sind fröhlich, Kinder sind Leben, sie sind die Zukunft, sagt er. Und von Leben und Zukunft kann der 28-Jährige nicht genug bekommen.
Auf seine neue Heimatstadt ist er stolz und grüßt mit „Moin!“. Das Beste an Hamburg? „Die Menschen sind sehr nett. Immer hilfsbereit.“ Und was mag er nicht an HH? „Eigentlich mag ich alles.“ Er macht eine Pause. „Naja“, sagt er, „das Wetter ist im Winter manchmal… nicht so toll.“
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