Scholars at Risk hilft Forscherinnen und Forschern, die fliehen müssen

Manche fliehen vor einem Krieg. Andere müssen mit einer Verhaftung rechnen, weil sie sich regierungskritisch geäussert haben. Forscherinnen und Forscher sehen sich mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert wie alle anderen Menschen, wenn ein Konflikt ausbricht oder wenn sie von Repressionen betroffen sind. Sind sie auf der Flucht, ist es für sie jedoch sehr schwierig, ihre Arbeit fortzusetzen.

Neun Personen in der Schweiz

Hier kommt Scholars at Risk (SAR) ins Spiel, ein internationales Netzwerk aus Hochschuleinrichtungen und Personen, die sich für die Forschungsfreiheit und den Schutz gefährdeter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einsetzen. Seit der Gründung im Jahr 1999 in New York hat SAR über 1400 Forscherinnen und Forschern geholfen. Zwischen Sommer 2019 und 2020 haben sich 447 Personen an SAR gewandt. 136 Personen konnte das Netzwerk einen Forschungsplatz vermitteln.

Diese leben mit unterschiedlichen Aufenthaltstiteln im Gastland. Stipendien vergibt das Netzwerk nicht, die Universitäten müssen nach eigenen Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Auch Schweizer Hochschulen sind beteiligt (SAR Switzerland). In den vergangenen Jahren haben neun Forscherinnen und Forscher über SAR eine akademische Stelle in der Schweiz gefunden, unter ihnen Fares Mahmoud.

„Es begann alles mit einer E-Mail“

Der syrische Geograf arbeitet heute an der Universität Lausanne (UNIL). Der Weg, der ihn zur Fakultät für Geo- und Umweltwissenschaften führte, war jedoch nicht leicht. Begonnen hatte er sein Studium in Syrien. Den Mastertitel erwarb er an der Universität Le Havre in Frankreich, wo er auch promovierte und gute Französischkenntnisse erwarb.

 

 

 

„Alleine hätte ich diese Stellen nie gefunden.“

Fares

 

2010 kehrte er in sein Land zurück, um Assistenzprofessor an der Universität von Aleppo zu werden. Fünf Jahre später musste er jedoch wegen des Krieges fliehen. Die erste Etappe seiner Reise führte ihn in die Türkei, an die Universität von Gaziantep, einer Stadt im Südosten des Landes nahe der syrischen Grenze. Dort war es Fares Mahmoud jedoch nicht möglich, seine Forschungen fortzusetzen. „Ich arbeitete etwa fünf Stunden pro Woche an der Universität von Gaziantep. Das Gehalt erlaubte es mir nicht, anständig zu leben. Es gab auch sprachliche Schwierigkeiten“, erklärt er.

„Mein Land steht immer noch im Mittelpunkt meiner Arbeit“

An diesem Punkt wandte er sich an SAR. «Schon kurz nach Ankunft in der Türkei nahm ich mit SAR Kontakt auf. Alles begann mit einer E-Mail. Der Austausch dauerte zehn Monate, bis ich schliesslich in die Schweiz reiste», sagt der Wissenschaftler. Im Mai 2018 kam er mit seiner Frau und seiner Tochter in der Schweiz an, wo SAR ihm zu einer ersten Anstellung an der Universität Genf verhalf. Dort konnte er unterrichten und ein zusätzliches Zertifikat in Geomatik erwerben. «Alleine hätte ich diese Stellen nie gefunden», sagt Fares, der heute an der Universität Lausanne arbeitet.

 

 

Anzahl der Forschenden, die bisher von Scholars at Risk unterstützt wurden

Er hat sich auf das Transportwesen spezialisiert und konnte dank SAR seine Forschung weiterführen. Sein Thema sind die Auswirkungen des syrischen Bürgerkriegs – auf die Wälder in Syrien, auf die Mobilität sowie auf den Anbau von Getreide, Oliven und Pistazien. „Ich habe Syrien verlassen, aber mein Land steht nach wie vor im Mittelpunkt meiner Arbeit“, sagt er.

Appell an die Universitäten

Wieder Fuss zu fassen, war für Fares nicht leicht. Die administrativen Verfahren hätten viel Zeit in Anspruch genommen, sagt er. Es habe sechs Monate gedauert, bis er eine Arbeitsbewilligung erhalten habe. Für Forschende im Exil ist es nicht einfach, nach einer temporären Stelle im selben Land zu bleiben. Das gilt aufgrund der Einwanderungsbestimmungen und Regeln für Nicht-EU-Bürger auch für die Schweiz. Oft fehlt es den Betroffenen deshalb an Kontinuität und Stabilität.

Fares ist froh, dass er eine Stelle gefunden hat und seine Arbeit weiterführen kann. Er bringt neue Fähigkeiten und Kenntnisse in sein Team ein. Auch seine Familie profitiert davon. Er stellt fest: „In Genf fanden wir schnell eine Unterkunft und eine Schule für meine Tochter. Davor hatte sie mehrere verschiedene Schulen besucht. Diese Veränderungen sind für Kinder nicht ideal. Jetzt bin ich froh, dass die Situation stabiler ist.“

„Scholars at risk“ als Beispiel für komplementäre Ansätze

Sichere Fluchtwege, dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge: Dies sind Ziele des «Globalen Pakts für Flüchtlinge», den die UN-Generalversammlung im Dezember 2018 verabschiedet hat. Menschen, die Schutz benötigen, sollen nicht auf gefährlichen Überfahrten ihr Leben riskieren müssen. Die Lösungen, die der Pakt skizziert, sind vielfältig. Im Vordergrund stehen Resettlement-Programme, die es besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen ermöglichen, aus einem Erstzufluchtsstaat in einen Drittstaat weiterzureisen und sich dort dauerhaft niederzulassen. Daneben empfiehlt der Pakt komplementäre Ansätze. Dazu gehören humanitäre Visa, humanitäre Korridore und andere humanitäre Aufnahmeprogramme, Bildungsmöglichkeiten, Stipendien und Studentenvisa, Partnerschaften zwischen Regierungen und akademischen Einrichtungen sowie Möglichkeiten der Arbeitsmobilität für Flüchtlinge. Das Netzwerk «Scholars at risk» für gefährdete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist ein Beispiel dafür, wie solche Lösungen aussehen können.