Staaten haben grundsätzlich das Recht zu bestimmen, wem sie Zugang zu ihrem Staatsgebiet gewähren. Sie haben ein legitimes Interesse daran, die unkontrollierte Einreise in ihr Staatsgebiet zu verhindern sowie zur Verhinderung von grenzüberschreitender Kriminalität beizutragen. Wichtig ist jedoch, dass die Massnahmen, die sie in diesem Zusammenhang treffen, im Einklang mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen. Hierzu gehören insbesondere:

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die jedem Menschen das Recht garantiert, in anderen Ländern Schutz vor Verfolgung zu suchen. Zudem untersagen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention die Zurückweisung einer Person in ein Gebiet, in dem ihr Verfolgung, Folter, Strafe oder andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen (Non-Refoulement-Gebot).

Um die Einhaltung dieser beiden Grundsätze zu gewährleisten müssen Staaten sicherstellen, dass jede Person, die möglicherweise internationalen Schutz benötigt, Zugang zum Asylverfahren hat. Asylsuchende dürfen also nicht an der Grenze zurückgewiesen werden. Es muss individuell geprüft werden, ob ihnen im konkreten Einzelfall Verfolgung, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Folter oder Gefahren für Leib oder Leben drohen. Eine solche Gefahr kann im Staat, aus dem sie herkommen, vorliegen. Sie kann auch dadurch bestehen, dass in dem Staat, aus dem sie einreisen, keinen Schutz gegen eine Abschiebung in ein Land erhalten, in dem eine solche Gefahr droht. Das Asylverfahren kann sich jedoch gegebenenfalls auf die Prüfung beschränken, ob die Möglichkeit besteht, den oder die Schutzsuchende zur Durchführung der inhaltlichen Prüfung seines Gesuchs an einen sogenannten „Sicheren Drittstaat“ zu verweisen.

Ferner müssen – gemäss unterschiedlichen menschenrechtlichen Verpflichtungen – Aufgaben im Zusammenhang mit Grenzkontrollen unter uneingeschränkter Wahrung der Menschenwürde durchgeführt werden. Bei der Durchführung der Kontrollen dürfen Personen nicht diskriminiert werden, beispielsweise aufgrund des Geschlechts, der Religion oder der ethnischen Herkunft. Da es Menschen auf der Flucht häufig unmöglich ist, die Voraussetzungen für eine legale Einreise in ein Land zu erfüllen, dürfen sie zudem nicht wegen der irregulären Einreise bestraft werden. Dieser Grundsatz ist in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegt.

 

Besondere Regeln für den Schengen-Raum

Im Schengen-Raum bestehen weitere, besondere Regelungen. Zum Beispiel dürfen an Schengen-Binnengrenzen grundsätzlich keine Personenkontrollen durchgeführt werden. Sie sind nach dem Schengener Grenzkodex nur erlaubt, um Gefahren für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit abzuwenden. Dafür ist jedoch ein spezielles Verfahren erforderlich. Eine Wegweisung an einer Schengen-Binnengrenze ist nur möglich, wenn die Person kein Asylgesuch stellt und kein Aufenthaltsrecht in einem anderen europäischen Staat hat. Zudem müssen bei Wegweisungen die Vorgaben der EU-Rückführungsrichtlinie beachtet werden.

Auch Personen, die schon ein Asylgesuch im Schengen-Raum gestellt haben oder bei denen anderweitig Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Zuständigkeit nach dem Dublin-System bei einem anderen Staat liegen könnte, muss die Einreise gestattet werden. Im Dublin-Verfahren, welches Teil des Asylverfahrens ist, wird dann geprüft, welcher Staat für das Asylgesuch zuständig ist. Da hierfür verschiedene Überlegungen ausschlaggebend sind, ist dies nicht direkt ersichtlich und kann daher nicht ohne Verfahren direkt an der Grenze entschieden werden.

 

Zugang zum Schweizer Asylverfahren 

In der Schweiz kann ein Asylgesuch bei einem Grenzposten, der Grenzkontrolle eines Schweizer Flughafens oder in einem der sechs Bundesasylzentren für Asylsuchende eingereicht werden. Das Gesuch unterliegt keinerlei formellen Kriterien und kann mündlich oder schriftlich gestellt werden.

Die Schweiz gehört zum Schengen-Raum und ist dem europäischen Dublin-System beigetreten. Da sie von anderen Dublin-Staaten umgeben ist, wird rund ein Drittel der Schutzsuchenden in einen anderen Dublin-Staat zurückgewiesen. Dies ist aber angesichts der Komplexität des Systems nicht gleich an der Grenze möglich, sondern wird als erster Schritt im Asylverfahren geprüft. Zu diesem Zweck wird allen Personen, die angeben in der Schweiz Schutz zu suchen, die Einreise in die Schweiz gestattet.

Die Schweiz hat im Jahr 2012 das Botschaftsverfahren abgeschafft. Es ist daher nicht mehr möglich, ein Asylgesuch bei einer Schweizer Auslandsvertretung einzureichen.

 

Rolle und Empfehlungen von UNHCR

UNHCR arbeitet gemeinsam mit den Behörden und Nichtregierungsorganisationen daran, die Abläufe an der Schweizer Grenze zu verbessern und den Zugang von Schutzsuchenden zum Asylverfahren sicherzustellen. Dafür besucht UNHCR die Grenzkontrollen und führt Gespräche mit Expertinnen und Experten. UNHCR wirkt zudem bei Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen des Schweizerischen Grenzwachkorps mit. UNHCR trägt damit dazu bei, menschen- und flüchtlingsrechtliche Standards bei der Durchführung von Grenzkontrollen sicherzustellen.

Zu den wichtigen Zielen von UNHCR im Hinblick auf den Zugang zum Asylverfahren in der Schweiz gehören:

  • Die Sicherstellung des Zugangs zum Asylverfahren. Allen Personen, die an einer Schweizer Aussengrenze Asyl suchen möchten, sollte Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren in der Schweiz gegeben werden. In diesem muss zumindest geprüft werden, ob Gründe gegen eine Rückschiebung in den Drittstaat aus dem sie eingereist sind, bestehen. Wichtig ist, dass alle Personen, die möglicherweise Schutz benötigen, über ihr Recht, Asyl zu suchen, aufgeklärt werden.
  • Die Beachtung von Menschenrechten bei Grenzkontrollen. UNHCR setzt sich dafür ein, dass an Grenzkontrollen menschenrechtliche Standards eingehalten werden. Dazu gehören beispielsweise das Recht auf Datenschutz, das Verbot der Diskriminierung sowie die menschenwürdige Durchführung von Untersuchungen.
  • Die Festhaltung von Asylsuchenden an der Grenze vermeiden. Die Achtung des Rechts, Asyl zu suchen, setzt voraus, dass Vorkehrungen für eine offene und menschenwürdige Aufnahme für Asylsuchende getroffen werden. Asylsuchende sollten daher nur in Ausnahmefällen und für die kürzeste angemessene Zeit an der Grenze festgehalten werden.
  • Die Sicherstellung des Rechtsschutzes an der Grenze. Menschen, denen die Einreise verweigert wird, haben ein Recht auf wirksame Beschwerde. Alle Personen sollten über ihr Recht auf Beschwerde und darüber, wo sie rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen können, informiert werden.
  • Der Schutz von unbegleiteten Minderjährigen garantieren. Der Schutz und die Versorgung von unbegleiteten asylsuchenden Kindern, die an der Grenze aufgegriffen werden, sollten sichergestellt sein. Damit die Bedürfnisse des Kindes festgestellt werden können, bedarf es immer der Gewährung der Einreise des Kindes in die Schweiz.
  • Die Berücksichtigung von Personen mit besonderen Bedürfnissen. An den Schweizer Aussengrenzen sollte ein verstärktes Augenmerk auf besonders schutzbedürftige Personen gelegt werden. So kann eine Person an der Grenze beispielsweise schwer traumatisiert oder Opfer von sexueller Gewalt sein. Sie kann deswegen besondere Bedürfnisse haben, die spezielle Aufmerksamkeit und unmittelbares Handeln erfordern. Damit die notwendige Unterstützung rasch gewährleistest werden kann, müssen solche besonderen Bedürfnisse sorgfältig abgeklärt werden.
  • Keine Bestrafung wegen irregulärer Einreise. Zur Ausübung des Rechts auf Asyl sind die meisten Menschen gezwungen, ohne Einreisegenehmigung in das Zielland einzureisen. Dies sollte daher im Einklang mit der GFK nicht sanktioniert werden.

UNHCR Dokumente zum Zugang – Schweiz

 

COVID-19 Grenzschutzmassnahmen

UNHCRs Rechtliche Erwägungen in Bezug auf die von europäischen Staaten im Zusammenhang mit der Corona Krise getroffenen Grenzschutzmassnahmen

 

 

Humanitäres Visum und Reisedokumente

UNHCR-Empfehlungen zu den Änderungsentwürfen zur Verordnung über die Einreise und die Visumerteilung (VEV), Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (RDV) – Mai 2018

Stellungnahme zur Straflosigkeit der illegalen Einreise von Flüchtlingen

UNHCR-Stellungnahme zur Straflosigkeit der illegalen Einreise von Flüchtlingen: Artikel 31 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention – Mai 2013

Dublin III / Eurodac-Acquis

Entwurf einer Verordnung über die Anpassung verschiedener Verordnungen aufgrund von Neuerungen bezüglich dem Dublin/Eurodac-Acquis – März 2015

UNHCR Dokumente zum Zugang – International

 

Zugang zum Asylverfahren in Europa

EASO Praxisleitfaden: Zugang zum Asylverfahren

Schutz am Flughafen

UNHCR „Legal Considerations on State Responsibilities for Persons Seeking International Protection in Transit Areas or „International“ Zones at Airports“ [EN] – Januar 2019

Irreguläre Einreise

UNHCR „Summary Conclusions on Non-Penalization for Illegal Entry or Presence: Interpreting and Applying Article 31 of the 1951 Refugee Convention“ [EN] – März 2017

Weitere Informationen zum Zugang

 

Das Asylgesuch

Webseite der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zum Asylverfahren

Dublin-Staaten

Webseite der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zum Thema Dublin-Staaten

Asyl & Rückkehr

Handbuch des Staatssekretariates für Migration „Asyl & Rückkehr“