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Daniela und ihre Partnerin Sofia wurden aufgrund ihres Einsatzes für die Rechte sexueller Minderheiten in Kolumbien verfolgt. An einem kalten Wintertag im Dezember 2016 fanden sie mit ihrem Sohn Zuflucht in der Schweiz.
Seit ihrer Ankunft in Genf lernen Daniela und Sofia unermüdlich Französisch. Von Natur aus kontaktfreudig, brennen die beiden kolumbianischen Frauen darauf, sich mit den Bewohnern der Region auszutauschen. Zudem hoffen sie, ihre soziale und politische Arbeit sowie ihr Engagement für sexuelle Minderheiten wieder aufnehmen zu können, sobald sie die Landessprache besser beherrschen.
In ihrem Heimatland hatte dieser Aktivismus jedoch ihr Leben und das ihres Sohnes in Gefahr gebracht. Daniela, die nie versucht hatte ihre Homosexualität zu verbergen, hatte immer ein offenes Ohr und wohlwollende Ratschläge für die jungen Homosexuellen ihres Dorfes in der Region von Huila im Südwesten Kolumbiens. Doch in einem Land, das von der Gewalt des Bürgerkriegs und religiösen Traditionen geprägt ist, wurde diese Offenheit nicht von allen gutgeheißen: „Nach einer Reihe von Morden an Homosexuellen durch Paramilitärs begann die Lage in der Region kritisch zu werden“, erzählt Daniela, die heute 35 Jahre alt ist. Am Silvesterabend 2009 wurde Daniela bedroht. „Es war 2 Uhr morgens. Ich feierte in einem Nachbarort, als zwei bewaffnete Männer mich ansprachen. Ich spürte, wie sich mein Magen vor Angst zusammenkrampfte.“ Die Männer nahmen sie beiseite und forderten sie auf wegzugehen, weil sie „den Kindern ein schlechtes Vorbild“ sei. „Sie gaben mir einen Tag Zeit, um die Gegend zu verlassen.“
„Es war 2 Uhr morgens. Ich feierte in einem Nachbarort, als zwei bewaffnete Männer mich ansprachen. Ich spürte, wie sich mein Magen vor Angst zusammenkrampfte.“
Daniela, Aktivistin für sexuelle Minderheiten
Nach diesem Vorfall ging sie rasch nach Hause und packte ihre Sachen. Unter dem Vorwand eines überraschenden Stellenangebots brach sie nach Bogotá auf. Um niemanden zu beunruhigen, verabschiedete sie sich nicht einmal von den ihr nahestehenden Personen und ließ ihr ganzes damaliges Leben zurück: ihre Mutter und ihren Sohn – der erst später nachkam – sowie ihren kleinen Gastronomie-Betrieb. Trotz allem bestärkte dieser Einschüchterungsversuch sie in ihrer Entschlossenheit, für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Menschen (LGBTI) zu kämpfen.
Nach ihrer Ankunft in Bogotá setzte sie deshalb ihr Engagement für LGBTI-Opfer des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien fort. Aggressionen gegen Angehörige sexueller Minderheiten werden laut der Aktivistin viel zu oft als „Affekttaten oder Vergeltung“ betrachtet. In Bogotá lernte sie die 35-jährige Sofia kennen, die ihre Lebenspartnerin wurde. Sie arbeiteten beide in einem Sportinstitut. Sofia war dort in leitender Position, Daniela als Trainerin und Lehrerin tätig.
In dieser verhältnismäßig ruhigen Zeit konnten die beiden Frauen offiziell einen Ehevertrag schließen und gemeinsam mit Danielas Sohn, der jetzt 10 Jahre alt ist, vier Jahre lang in der kolumbianischen Hauptstadt leben. Doch Danielas Engagement für die Anerkennung der Rechte von sexuellen Minderheiten und Opfer des bewaffneten Konfliktes brachte sie erneut ins Visier ihrer Widersacher, der selbsternannten Hüter der Tradition: „Es waren Flugblätter mit Drohungen im Umlauf, auf denen mein Name stand, und dann wurde ich ständig angerufen“, berichtet Daniela. „Mir wurde gesagt, ich solle aufhören, mich in Dinge einzumischen, die mich nichts angingen. Die Atmosphäre wurde beängstigend, so sehr, dass wir den Arbeitsplatz wechseln und umziehen mussten und jeden Tag unsere Wege änderten.“ Die Ermordung von zwei Aktivisten, mit denen sie befreundet waren, war dann der Auslöser für eine unumkehrbare Entscheidung: Sie mussten das Land verlassen.
Die Ankunft in der Schweiz mitten im Dezember war nicht einfach: Zum Exil und zum Kulturschock kam noch der Temperaturschock hinzu. Zunächst wurden sie in einem Flüchtlingszentrum in Vallorbe untergebracht, wo es kaum Privatsphäre für die beiden Frauen und ihren Sohn gab. Die Familie erhielt jedoch drei Monate nach ihrer Ankunft den Flüchtlingsstatus und war angesichts dieser schnellen Entscheidung sehr erleichtert. Daraufhin ergab sich die Möglichkeit, sich der Gruppe von Aktivisten des Genfer Projektes Asile LGBT anzunähern, die sich schon für deren Asylantrag mit einem Unterstützungsbrief eingesetzt hatten.
Das Projekt Asile LGBT des Vereins „Coordination asile.ge“ zielt darauf ab, die besonderen Bedürfnisse von Asylsuchenden und Flüchtlingen, die sexuellen Minderheiten angehören und deshalb in doppelter Hinsicht gefährdet sind, zu identifizieren und abzudecken. Doch die Solidarität, welche die beiden Frauen erfuhren, beschränkte sich nicht nur auf die Stadt Genf. Heute können sie auf die Unterstützung eines ganzen Genfer Dorfes zählen: „Wir hatten großes Glück“, sagt Sofia. „Eine 17-jährige junge Frau hatte ein Schulprojekt zur Aufnahme einer Flüchtlingsfamilie. Sie erledigte alle Formalitäten und stellte den Kontakt zu den Behörden sowie zu den Eigentümern der Duplex-Wohnung her, in der wir heute leben.“
„Wir hatten großes Glück.“
Sofia ist für die in der Schweiz erhaltene Unterstützung sehr dankbar
In der neuen Heimat angekommen und gut betreut, können Daniela und Sofia beginnen, sich in der Gegend von Genf ein neues Leben aufzubauen. Hier können sie sich wieder ohne Angst bewegen. Bleibt nur noch das Heimweh: „Wenn ich sehe, wie mein Sohn hier so glücklich ist und ihm alle Möglichkeiten für die Zukunft offenstehen, träume ich davon, dass wir lange Zeit in der Schweiz gut integriert leben können“, sagt Daniela. „Doch wenn die Situation es erlaubt nach Kolumbien zurückzukehren, werde ich diesem Wunsch wahrscheinlich nachgehen, um meine Landsleute zu unterstützen und meinen Beitrag für eine bessere Zukunft für uns alle zu leisten.“
Zum Weiterlesen: praktisches Handbuch zum fairen Empfang von LGBTI-Asylsuchenden verfasst vom Genfer Projekt Asile LGBT.
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