COVID-19: UNHCR warnt vor langfristigen Einschränkungen der Menschen- und Flüchtlingsrechte

„Der Schutz der allgemeinen Gesundheit und der Schutz von Flüchtlingen schließen sich nicht gegenseitig aus“, so UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi.

Venezolanische Warao-Flüchtlinge und Migranten werden während der COVID-19-Pandemie in eine sichere Unterkunft in Manaus, Brasilien, umgesiedelt. © UNHCR/Felipe Irnaldo

Die Coronavirus-Pandemie hat die Not der Menschen, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, noch verschlimmert. Während Länder ihre Bevölkerung und Wirtschaft schützen wollen, sind grundlegende Normen der Flüchtlingsrechte und Menschenrechte gefährdet.

„Die Kernprinzipien des Flüchtlingsschutzes werden auf die Probe gestellt. Aber jenen Menschen, die gezwungen sind, vor Konflikten und Verfolgung zu fliehen, darf nicht Sicherheit und Schutz verweigert werden, weder als Vorwand noch als Nebeneffekt der Reaktion auf das Virus“, sagte UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi.

„Der Schutz der allgemeinen Gesundheit und der Schutz von Flüchtlingen schließen sich nicht gegenseitig aus. Dies ist kein Dilemma. Wir müssen beides tun. Das seit Langem anerkannte Flüchtlingsrecht kann auch dann eingehalten werden, wenn Regierungen strenge Maßnahmen zum Schutz der allgemeinen Gesundheit ergreifen, auch an den Grenzen.“

UNHCR schätzt, dass bisher 167 Länder ihre Grenzen ganz oder teilweise geschlossen haben, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Mindestens 57 Staaten machen dabei keine Ausnahme für Asylsuchende.

Angesichts der anhaltenden Kriege und Gewalt in vielen Teilen der Welt setzen solche Maßnahmen das Recht der Menschen auf Asyl effektiv außer Kraft. Personen, die Sicherheit und Schutz suchen, werden an den Landgrenzen oder auf See abgewiesen und in andere Länder zurückgeschickt, wo ihr Leben oder ihre Freiheit ernsthaft in Gefahr sein könnten.

„Besonders wenn Menschen aus relativ instabilen Herkunfts- oder Transitländern mit einem schwachen Gesundheitssystem kommen, kann das Zurückweisen von Personen an den Grenzen sie und andere gefährden, wenn keine Quarantänemaßnahmen angewendet werden und die Gesundheitsversorgung unzureichend ist“, sagte Grandi.

Nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Virus haben weitreichende Folgen. Wir beobachten eine unverhältnismäßig häufige Inhaftierung, eine Zunahme des Risikos sexueller Gewalt, diskriminierende Einschränkungen des Zugangs zu Gesundheits- und Sozialdiensten und einen dramatischen Verlust der Lebensgrundlagen, der viele Flüchtlinge und andere Randgruppen der Gesellschaft immer tiefer in Armut und Elend treibt.

UNHCR hat die Staaten aufgefordert, die Grenzbeschränkungen so zu handhaben, dass auch die internationalen Menschenrechts- und Flüchtlingsschutzstandards eingehalten werden, unter anderem durch Quarantänemaßnahmen und Gesundheitskontrollen.

Quarantänemaßnahmen können zum Beispiel eine legitime Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit darstellen, sofern sie internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen. Aber gesundheitliche Bedenken rechtfertigen nicht die systematische oder willkürliche Anwendung von Inhaftierung.

Asylanträge können auch ohne direkten Kontakt bearbeitet werden, wenn gesundheitliche Einschränkungen eine persönliche Befragung verbieten. Andere Schutzmaßnahmen, wie die automatische Verlängerung von Registrierungskarten oder Aufenthaltsgenehmigungen, um Flüchtlingen und Asylsuchenden den Zugang zu Gesundheits- und anderen Diensten zu ermöglichen, können ebenfalls eingesetzt werden.

„Während das Vorgehen in der Praxis an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden kann, kann und muss das Recht, Asyl zu beantragen, auch während dieser globalen Gesundheitskrise aufrechterhalten werden“, sagte Grandi.

„Andernfalls besteht die Gefahr, dass Menschenrechtsnormen, -gesetze und -grundsätze, die für den Schutz von Flüchtlingen so entscheidend sind, auf eine Weise untergraben werden, die ihre Wiederherstellung für viele Jahre erschwert.“