Gemeinsame Ausbildung von Flüchtlingen und Äthiopiern für den Arbeitsmarkt

In einem von der Bundesregierung geförderten Berufsbildungsprogramm werden Flüchtlingen und ihren Gastgebern Fertigkeiten wie Kochen, Holzbearbeitung und Mechanik vermittelt

Yanchinew (Mitte) aus Äthiopien bereitet im Rahmen eines Kochkurses am Nefas Silk Polytechnic College in Addis Abeba Essen zu. © UNHCR/Eduardo Soteras Jalil

Hanan Seif Hassan, eine 32-jährige Geflüchtete aus dem Jemen, und ihre Freunde hacken schon den ganzen Morgen lang Zwiebeln, schälen Karotten, kochen Linsen und Reis um Samosas – ein beliebter Snack – zuzubereiten und anschließend auf dem Markt zu verkaufen.

Die Frauen sind seit ihrer gemeinsamen Berufsausbildung an der Nefas Silk Fachhochschule in Addis Abeba befreundet. Die Hochschule bietet als Erste ihrer Art in Äthiopien Kurse an, in denen Flüchtlinge und Äthiopier gemeinsam Fertigkeiten wie Kochen, Holzbearbeitung Mechanik erlernen können.

Hanan war sich zunächst nicht sicher, was sie erwartete. Sie machte sich Sorgen, aufgrund ihres Alters und ihres Flüchtlingsstatus. Ihre Bedenken verflogen jedoch, sobald sie ihre Klassenkameraden kennenlernte, darunter ihre mittlerweile beste Freundin Yanchinew Gebeyehu (26 Jahre alt) aus Äthiopien.

„Wir stehen uns sehr nahe und helfen uns beim Lernen“, sagt Hanan. „Wenn etwas nicht klar ist, gibt es immer jemanden in der Gruppe, der es den Anderen erklären kann.“

Durch die gemeinsame Zeit mit ihren äthiopischen Klassenkameraden hat Hanan ein tieferes Verständnis und eine größere Wertschätzung für ihr neues Zuhause entwickeln können.

„Wir lernen von unseren Klassenkameraden die Sprache, Kultur und Lebensweise kennen. Auch unser Verständnis vom Leben hat sich dadurch verändert“, fügt sie hinzu.

Auch Yanchinew schätzt die Freundschaften, die sie an der Hochschule geschlossen hat.

„Hanan ist ein guter Mensch. Sie ist bescheiden. Wir können über unsere Gefühle sprechen und stehen uns sehr nahe, wie Schwestern. Ich habe viel von ihr gelernt“, sagt Yanchinew.

Die Initiative der Nefas Silk Fachhochschule ist Teil des Programms Qualifikationen und Beschäftigungsperspektiven für Flüchtlinge und Aufnahmegemeinschaften (QEP), das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Auftrag gegeben und von der GIZ, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, umgesetzt wird. Es verbessert die Beschäftigungsaussichten in Äthiopien sowohl für Flüchtlinge als auch für Äthiopier.

Melese Yigzaw, Dekan der Hochschule, erklärt, dass es wichtig ist, Flüchtlingen und Äthiopiern die gleichen Möglichkeiten zur Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt zu geben.

„Das Ziel dieser integrierten Ausbildung ist die Berufstätigkeit. Hier gibt es keine Sonderbehandlung für Flüchtlinge, wir behandeln sie wie Bürger dieses Landes“, sagt er.

Der Dekan fügt hinzu, dass die Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge von entscheidender Bedeutung ist, damit sie eine gesicherte Lebensgrundlage haben und zur Wirtschaft ihrer eigenen Länder beitragen können, wenn es für sie sicher ist, zurückzukehren.

„Wenn jemand qualifiziert ist und die Gänge eines Fahrzeugs wechseln oder kochen kann, kann er Einkommen erwirtschaften. Wenn man Flüchtlinge ausbildet, können sie überall Arbeitsplätze schaffen, auch wenn sie in ihre Heimat zurückkehren“, fügt er hinzu.

Äthiopien beherbergt eine der größten Flüchtlingspopulationen in Afrika. Die meisten von ihnen kommen aus dem Südsudan, Sudan, Somalia, Eritrea und Jemen.

Im Januar 2019 verabschiedete das Land ein historisches neues Flüchtlingsgesetz. Es gilt als eines der fortschrittlichsten der Welt und gibt Flüchtlingen das Recht auf Arbeitserlaubnisse, Zugang zu Grundschulbildung, legaler Registrierung von Geburten und Ehen sowie das Recht auf bestimmte Finanzdienstleistungen wie das Bankwesen.

„Die Nefas Silk Fachhochschule ist ein Beispiel dafür, wie Flüchtlinge in das äthiopische Ausbildungssystem integriert werden können. Das neue Gesetz war Wegbereiter für dieses Pilotprojekt“, sagt Tobias Erbert, GIZ-Programmkoordinator für Qualifizierung und Beschäftigungsperspektiven für Flüchtlinge und Aufnahmegemeinschaften.

Die Initiative gibt zudem Lehrern die Möglichkeit einer zusätzlichen Ausbildung und Studenten die Gelegenheit von Ausbildungsangeboten von Unternehmen aus den Bereichen Gastgewerbe und Verkehr zu profitieren. Darüber hinaus plant die GIZ, die Hochschule beim Aufbau eines Zentrums für Unternehmertum zu unterstützen, um aufstrebende Start-ups zu unterstützen.

Im Rahmen dessen hat die GIZ einen Wettbewerb ausgeschrieben, um Flüchtlingsgruppen und Äthiopier zu ermutigen, einer Jury bestehend aus Lehrern der Hochschule sowie Wirtschaftsvertretern ihre Geschäftsideen vorzustellen. Mit ihrem Vorschlag für ein Samosa-Geschäft waren Hanan und ihre Freunde eine von zwei Gewinnergruppen, die nun von einem Business-Coach betreut werden, um ihren Geschäftsplan zu entwickeln.

„Unsere Erfahrung mit der Unterstützung von Unternehmen und Unternehmergeist in Äthiopien ist, dass es nicht ausreicht, den Menschen beizubringen wie man einen Businessplan schreibt. Entscheidend ist, dass Unternehmer kontinuierlich unterstützt und beraten werden“, ergänzt Erbert.

Solche strategischen Partnerschaften zwischen UNHCR, dem Privatsektor und Entwicklungspartnern zeigen, wie ein kluger und umfassender Ansatz für Flüchtlingssituationen dazu beitragen kann, die Last für Aufnahmegemeinschaften zu verringern, die Eigenständigkeit der Flüchtlinge zu fördern.

Bildung und Zugang zu sicherer, respektabler Arbeit sind Themen, die auch auf dem Globalen Flüchtlingsforum diskutiert werden, einem hochrangigen Treffen, das Ende dieses Jahres in Genf stattfinden wird. Staaten, der Privatsektor und andere Akteure werden hier wirkungsvolle Mechanismen vorstellen und finanzielle Zusagen bekannt geben, die Flüchtlingen die Möglichkeit geben soll, ihre Fähigkeiten zu nutzen und weiterzuentwickeln und zum Wirtschaftswachstum in ihren Aufnahmegemeinschaften beizutragen.

Für Hanan haben sich in Äthiopien Möglichkeiten ergeben, von denen sie zu Hause nie zu träumen gewagt hätte.

„Im Jemen können wir nicht zur Schule gehen oder einfach alleine rausgehen. Hier in Äthiopien sind wir frei, wir können uns bewegen, wir können unabhängig denken. In Addis fühle ich mich frei wie ein Vogel“, sagt sie.