Auf den ersten Blick scheint die Kunstwelt weit entfernt von den Sorgen der Menschen, welche auf der Flucht um das tägliche Überleben kämpfen und getrennt von Heimat und eigener Kultur leben müssen. UNHCR engagiert sich jedoch seit langem für künstlerische und kulturelle Projekte.
Die Kunst, das künstlerische Schaffen und der Zugang zu Kultur können zum Flüchtlingsschutz, dem Hauptanliegen von UNHCR, beitragen. Sie dienen nicht nur dazu, uns daran zu erinnern, dass Flüchtlinge ein reiches und vielfältiges Kulturerbe mit sich bringen. Sie führen uns auch vor Augen, dass diese vielfältige Talente besitzen. Das verdeutlichen Künstler mit Fluchthintergrund, wie Paul Klee und Marc Chagall oder zeitgenössische Künstler wie der Tänzer Ahmad Joudeh und die Dichterin und UNHCR-Goodwill-Botschafterin Emithal Mahmoud.
Kunst und Kultur fördern ausserdem die Integration, indem sie Ausdrucksformen jenseits von Worten und Sprache schaffen. Durch den Einsatz von Klang, Bild und Ästhetik wird ein interkultureller Dialog ermöglicht. In vielen Fällen spielen Künstler auch eine Schlüsselrolle bei der Signalisierung von Aufgeschlossenheit und Solidarität gegenüber neu ankommenden Menschen.
«Weltweit sind gegenwärtig 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Das ist eine Zahl, die nicht akzeptabel ist. Sie verdeutlicht ein weitgehendes Versagen von Politik. Wir müssen Wege finden, um Flüchtlingen ein Zuhause, ein neues Leben bieten zu können. Was hat Menschlichkeit noch für eine Bedeutung, wenn wir versagen? Kunst und Kultur eröffnen der Gesellschaft notwendige Freiräume, die ansonsten zu selten geworden sind. Lasst uns Flüchtlinge hier, unter uns, in diesen freien Räumen willkommen heissen. Vielleicht folgt uns die restliche Welt?»
Alfredo Jaar, Künstler
Auch die Kulturinstitutionen sind bestrebt, mit den Flüchtlingen ein neues Publikum willkommen zu heissen und Raum für notwendige gesellschaftliche Diskussionen zu schaffen. Sie ermöglichen es Flüchtlingen, sich mit der Geschichte und den Bräuchen ihrer neuen Heimat vertraut zu machen – oder sogar, wie das Projekt Multaka des Bernischen Historischen Museums zeigt, als Museumsführer ihr Wissen zu erweitern.
Künstlerische Ausdrucksformen werden ausserdem seit langem als bewährte therapeutische Methoden eingesetzt, zum Beispiel bei der Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen von Flüchtlingskindern. UNHCR nutzt daher in verschiedenen Operationen künstlerische Projekte, um Schutzbedürftigen eine Auszeit vom schweren Alltag zu bieten und sie zu ermutigen, mitzuteilen, was sie bewegt. In einigen Fällen ermöglichen diese Projekte den Beteiligten sogar ein unabhängiges Einkommen. Ein Beispiel ist das von UNHCR unterstützte Projekt Made 51, welches die Beschäftigung von Flüchtlingen im handwerklichen Bereich anstrebt.
Video: Wie kann Kunst Flüchtlingen helfen?
Um diese Verbindung zur Kunst und deren Beitrag zum Flüchtlingsschutz zu fördern, organisierte UNHCR 2018 im Rahmen der Art Basel, zeitgleich mit den Flüchtlingstagen, eine Veranstaltung unter dem Titel «Art Stands with Refugees». Die Ausgabe 2019, welche Flüchtlingsfrauen gewidmet ist, beinhaltet zudem eine öffentliche künstlerische Initiative, welche mit der Frage «Where should birds fly after the last sky?» betitelt ist.