„Ich will die erste syrische Flüchtlingspilotin werden.“

Vor vier Jahren musste Maya Ghazal vor den Kämpfen in Syrien flüchten. Heute ist sie Flugschülerin und setzt sich für Flüchtlinge ein.

Maya Ghazal, 20, nach ihrem ersten Alleinflug im Pilot Centre in Denham, Vereinigtes Königreich. © UNHCR/Andrew McConnell

An einem bewölkten Morgen klettert Maya Ghazal auf einem Flugplatz westlich von London ins Cockpit eines kleinen Flugzeugs. Sie kontrolliert die Steuerung und rollt bis zum Ende der Startbahn.

Gerade mal 20 Jahre alt, steht sie kurz vor ihrem ersten Alleinflug als Flugschülerin.

„Ich bin aufgeregt, ein bisschen nervös, aber auch zuversichtlich“, sagt sie.

Nur wenige junge Menschen würden das wagen. Doch Mayas Hintergrund macht ihr Vorhaben noch ungewöhnlicher. Vor vier Jahren musste sie aufgrund des Krieges in Syrien flüchten und kam schließlich in Großbritannien an. Die Welt sah sie als Flüchtling, aber Maya hatte andere Vorstellungen.

Alle Flüchtlinge kommen in ein neues Land und hoffen auf einen Neuanfang, aber Maya zeichnet sich durch die Entschlossenheit aus, mit der sie ihre Ziele verfolgt. Dabei setzt sie sich auch für junge Flüchtlinge ein.

„Bildung ist sehr wichtig für Flüchtlinge.“

Maya war Mitsponsorin des ersten Globalen Flüchtlingsforums, das am 17. und 18. Dezember 2019 in Genf stattfand, und setzte Bildung für Flüchtlinge ganz oben auf die Tagesordnung von MinisterInnen, Wirtschafts- und GlaubensführerInnen und NGOs. „Bildung ist sehr wichtig für Flüchtlinge, wenn sie ihre Träume verwirklichen wollen“, sagt sie.

Maya ist in Damaskus aufgewachsen. Ihre Kindheit sei normal gewesen. In der Schule habe sie davon geträumt, als Diplomatin zu arbeiten. Als der Krieg 2011 ausbrach, änderte sich alles. Das Leben ihrer Familie wurde immer schwieriger, je näher die Kämpfe rückten. Sie erinnert sich daran, dass sie eines Tages zur Schule ging, als in der Nähe Raketen fielen und sie verzweifelt nach einem sicheren Ort suchte.

Ihr Vater kam als Asylsuchender nach Großbritannien. 2015 konnte ihm der Rest der Familie im Rahmen eines Programms zur Familienzusammenführung dorthin folgen.

In England war die Familie sicher, trotzdem war der Neuanfang nicht einfach für die damals 16-jährige Maya. Mehrere Schulen lehnten sie ab und sie saß wochenlang zu Hause und fragte sich, was die Zukunft bringen würde. Sie vertrieb sich die Zeit, indem sie Gitarre spielen lernte. Schließlich wurde sie an einer Schule angenommen.

Ihr Traum, Diplomatin zu werden, war vorbei, aber das Leben hielt eine neue Überraschung bereit. Eines Tages war Maya mit ihrer Mutter in der Nähe des Flughafens Heathrow und sah durch ein Fenster Flugzeuge starten und landen.

Davon inspiriert entschied sie sich für ein neues Ziel: Sie wollte Luftfahrt an der Universität studieren und sich zur Verkehrspilotin ausbilden lassen.

United Kingdom. Young Syrian refugee learns to fly

Maya Ghazal, 20, vor dem Flugzeug in dem sie ihren ersten Alleinflug machen wird, im Pilot Centre in Denham, Vereinigtes Königreich. © UNHCR/Andrew McConnell

United Kingdom. Young Syrian refugee learns to fly

Maya Ghazal, 20, hebt für ihren ersten für ihren Alleinflug in Denham, Grossbritanien, ab. © UNHCR/Andrew McConnell

„Mein Traum ist es, die erste Flüchtlingspilotin Syriens zu werden“, sagt sie.

Gleichzeitig baute sie ihre Fähigkeiten als öffentliche Rednerin aus und begann mit UNHCR zusammenzuarbeiten.

ZuhörerInnen in Großbritannien und dem Rest Europas sind von ihren Reden und ihrer persönlichen Erfolgsgeschichte beeindruckt. Ihre Botschaft richtet sich auch an Flüchtlinge:

„Ich möchte den Menschen (Flüchtlingen) zeigen, was ich durchgemacht habe. Ich möchte anderen sagen, dass es besser wird“, sagt sie.

„Ich habe keine Grenzen.“

Ein erster Soloflug ist ein wesentlicher Bestandteil der Pilotenlizenz und FluglehrerInnen würden einem Flugschüler oder einer Flugschülerin nie erlauben, einen solchen Flug durchzuführen, bevor er oder sie nicht bereit ist. Trotzdem ist es eine große Sache: Hunderte von Metern in der Luft und niemand sitzt im Co-Pilotensitz wenn der Nervosität zunimmt oder etwas schief geht.

„Das ist ein Ziel, das ich erreichen wollte. Es war schwer. Ich musste viele Hindernisse überwinden. Ich hatte eine Menge Enttäuschungen, aber ich wusste, dass ich es schaffen kann und ich habe einfach an mich selbst geglaubt“, so Maya. Außerdem wollte sie auch den Vorurteilen gegenüber jungen muslimischen Frauen und Flüchtlingen etwas entgegensetzen.

Ihre Mutter, Rimah Darkachli, unterstützt Mayas Ausbildung, gesteht aber auch, dass sie immer noch „mütterliche Sorgen“ hat, wenn es darum geht, ihre Tochter allein fliegen zu sehen.

Mayas Flugzeug beschleunigt schließlich auf der Startbahn und steigt in die Luft. Sie fliegt einen weiten Bogen um den Flugplatz und landet das Flugzeug anschließend sanft.

„Ich habe die Kontrolle über das Flugzeug. Ich habe keine Grenzen“, sagt Maya nach ihrem ersten Soloflug.