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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29. November 1991-Az. 24 B 91.31349

Publisher Germany: Verwaltungsgericht
Author Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Publication Date 29 November 1991
Citation / Document Symbol Az. 24 B 91.31349, AN 22 K 91.3174
Cite as Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29. November 1991-Az. 24 B 91.31349, Az. 24 B 91.31349, AN 22 K 91.3174, Germany: Verwaltungsgericht, 29 November 1991, available at: https://www.refworld.org/cases,DEU_VERWALT2,3ae6b73a4.html [accessed 10 October 2022]
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

X gegen die Bundersrepublik Deutschland,

Im Namen des Volkese

In der Verwaltungsstreitsache

vertreten durch den Präsidenten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf,

beteiligt:

1 Bundesbeauftragter für Asylangelegenheiten in Zirndorf,

 

2 Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses,

wegen Asylrechts;

Berufungen des Bundesbeauftragten und der Landesanwaltschaft Bayern gegen das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. April 1991, erläßt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 24. Senat, folgendes

Urteil:

I.          Die Berufungen werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor des Urteils des Bayer. Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. April 1991, berichtigt mit Beschluß vom 1. Juli 1991, in Nr.1 folgende Fassung erhält:

"Die Beklagte wird unter Aufhebung der insoweit entgegenstehenden Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Bescheid vom 16. Januar 1991 verpflichtet festzustellen, daß beim Kläger hinsichtlich seines Heimatstaates, der SR Vietnam, die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 des Ausländergesetzes vorliegen; im übrigän wird die Klage abgewiesen."

II.          Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Bundes beauftragte für Asylangelegenheiten, die Landesanwalt schaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interes ses und die Beklagte zu je 1/3.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III.         Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1963 in Saigon (heute: Ho Chi Minh-Stadt) geborene Kläger ist vietnamesischer Staatsangehöriger und hielt sich seit November 1988 in der Tschechoslowakei auf. Im Dezember 1990 kam er in die Bundesrepublik, beantragte am 8. Januar 1991 politisches Asyl und gab zur Begründung folgendes an: Bis 1981 habe er in Vietnam die Schule besucht. In diesem Jahr sei er dann in drei Schreiben zur Ableistung des Militärdienstes aufgefordert Worden. Er habe dem nicht Folge geleistet, weil er am Krieg in Kambodscha nicht habe teilnehmen wollen. Ende April 1981 sei er deshalb festgenommen worden. Nach drei Tagen habe man ihn zur Ausbildungsstätte der Volksarmee gebracht. Schon nach einer Woche habe er die unwürdige Militärausbildung nicht mehr ertragen und sei desertiert. Er habe sich verborgen gehalten, sei aber im April 1982 erneut festgenommen worden. Man habe ihm nicht nur die Desertion, sondern auch die Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung der katholischen Kirchengemeinde vorgeworfen. In dieser Gemeinde sei er Leiter einer Jugendgruppe gewesen. Zunächst habe er einen Monat an politischen Schulungen teilnehmen und dann fünf Jahre Zwangsarbeit in der Landwirtschaftszone Nhi Xuan leisten müssen. In dieser Zeit sei ihm jedoch eine ergänzende Schulausbildung in Buchführung zugestanden worden. Nach dem Ende der Zwangsarbeit habe er sich bei der örtlichen Behörde vergeblich um Zuteilung von Arbeit und Behandlung einer Krankheit an Händen und Füßen bemüht. Seinen Lebensunterhalt habe er als kleiner Händler bestritten. Beim Besuch der Kirche sei er von Sicherheitsbeamten in Zivil beobachtet worden. Anfang Mai 1987 hätten Sicherheitsbeamte den Gemeindepfarrer festnehmen.und die Kirchengüter beschlagnahmen wollen. Mit anderen Katholiken habe er an einer Veranstaltung gegen diese Maßnahmen teilgenommen und die Kirche fünf Tage lang mit Steinen und Stöcken verteidigt. Wegen der Verletzung eines Sicherheitsbeamten bei den Auseinandersetzungen sei er mit einigen anderen Beteiligten festgenommen, nach der Ermittlung des Täters aber zwei Tage später wieder freigelassen worden. Sonst habe er sich in der Heimat politisch nicht betätigt. Den Arbeitsvertrag in der Tschechoslowakei habe er nur durch Bestechung erlangt. Ein Verwandter in den USA habe ihm dabei geholfen. In der Tschechoslowakei habe er in einer im Oktober 1990 gegründeten Organisation mitgearbeitet, die sich für die Rechte der vietnameBischen Landsleute im Gastland und für Freiheit und Demokratie in Vietnam eingesetzt habe. In der Zeitung der Organisation sei ein von ihm verfaßter Artikel unter einem Pseudonym veröffentlicht worden. Über seine Mitarbeit in der Redaktion hätten nur die Zimmerkameraden Bescheid gewußt. Vom Leiter der Gruppe sei er jedoch verwarnt worden. Dieser habe ihm vorgehalten, die fragliche Zeitung an der Arbeitsstelle verteilt und an seine Eltern in Vietnam geschickt zu haben; vorgeworfen habe man ihm auch, Verwandte im Ausland zu haben. Bei einer Rückkehr nach Vietnam werde er mit Sicherheit bestraft, denn er habe vor der Ausreise nicht angegeben, einen Verwandten in den USA zu haben, habe den Arbeitsvertrag in der Tschechoslowakei nicht eingehalten und habe sich dort an einer antikommunistischen Organisation beteiligt. Ihm drohe Gefängnis oder erneut ein Umerziehungslager. Über die Möglichkeit einer Asylantragstellung in der Tschechoslowakei sei ihm nichts bekannt gewesen.

Das Bundesamt lehnte den Asylantrag am 16. Januar 1991 ab und stellte weiter fest, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 des Ausländergesetzes nicht vorliegen. Das Landratsamt Fürth forderte den Kläger am 25. Januar 1991 zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung an.

Zur Begründung der daraufhin erhobenen Klage erklärte der Kläger, er sei in Vietnam bis etwa November 1987 fünf Jahre in einem staatlichen Unternehmen für Zuckerexport als Arbeiter beschäftigt gewesen. Sein Vater sei unter dem früheren Regime Polizist gewesen und sei deshalb in ein Umerziehungslager geschickt worden. Aus diesem Grunde sei auch ihm verwehrt worden zu studieren. Die vietnamesische Botschaft in der Tschechoslowakei sei über seine Beteiligung an der Organisation von Landsleuten informiert gewesen und habe in einem Brief an seinen Gruppenleiter gedroht, ihn bei einer Fortsetzung der Aktivitäten zurückzuschicken. In seiner Heimat wie auch in der Tschechoslowakei sei die volle Ausübung der christlichen Religion nicht möglich gewesen.

Mit Urteil vom 11. April 1991 verpflichtete das verwaltungsgericht das Bundesamt festzustellen, daß der Kläger nicht nach Vietnam abgeschoben werden darf; im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Stattgabe wurde ausgeführt, Leben oder Freiheit des Klägers sei wegen dessen politischer Überzeugung bei einer Rückkehr nach Vietnam bedroht. Dieser müsse Strafverfolgung wegen der Verletzung des Arbeitsvertrags, exilpolitischer Aktivitäten in der Tschechoslowakei, illegalen Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung befürchten.

Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat, wenden sich die Landesanwaltschaft Bayern und der Bundesbeauftragte dagegen mit ihren vom Erstgericht zugelassenen Berufungen und beantragen, das Urteil insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern trägt vor, die Auskünfte zur Gefährdung des Klägers seien unterschiedlich. Wegen der Stellung des Auswärtigen Amtes als amtlicher Gutachter hätte sich das Verwaltungsgericht über dessen Stellungnahme nicht unter Hinweis auf eine Äußerung einer privaten Informationseinrichtung hinwegsetzen dürfen. Jedenfalls hätte zunächst eine erneute amtliche Begutachtung herbeigeführt werden müssen.

Der Bundesbeauftragte führt aus, aus den Darlegungen des Klägers lasse sich nichts für die Gefahr politischer Verfolgung ableiten. Das Auswärtige Amt habe zwar bestätigt, daß der vietnamesische Staat bei auffälligem politischen Verhalten mit repressiven Maßnahmen antworte. Im Falle des Klägers könne aber eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für solche Disziplinierungsmaßnahmen nicht angenommen werden.

Die Beklagte schließt sich der Berufung des Bundesbeauftragten an und beantragt ebenfalls, die Klage unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen. Der Kläger habe zwar den Straftatbestand von Art.89 des Vietnamesischen Strafgesetzes erfüllt, gegenwärtig drohe ihm aber eine Bestrafung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, zumal er sich politisch nicht betätigt habe.

Der Klägei beantragt, die Berufungen zurückzuweisen. Aus mehreren Strafbestimmungen werde die Gefährdung erfolgloser vietnamesischer Asylbewerber bei einer Rückkehr in die Heimat deutlich. Ein Vergleich der Stellungnahmen sachkundiger Personen und Stellen zeige, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Bestrafung wegen der Flucht ins Ausland, der Asylantragstellung und des Bruchs des Arbeitsvertrags spreche. Der Bundesbeauftragte gehe unzutreffend davon aus, eine Verfolgungsgefahr des Klägers komme allein wegen des Antrags auf Asyl in Betracht. Entgegen der Meinung der Landesanwaltschaft könne eine Auskunft nicht deshalb als unglaubwürdig abgetan werden, weil sie von einer privaten Einrichtung herrühre. Neueren Auskünften des Auswärtigen Amtes sei ohnehin nur zu entnehmen, daß dieses über keine Erkenntnisse zu Verfolgungsmaßnahmen in vergleichbaren Fällen verfüge. Vietnamesen seien bisher nur auf eigenen Wunsch und unter Aufsicht des Hohen Flüchtlingskommissars in ihre Heimat zurückgeführt worden. Eine Verfolgungsge fahr sei nicht erst dann zu bejahen, wenn einer Mehrheit von Rückkehrern Bestrafung drohe.

Im Berufungsverfahren wurden 57 Auskünfte und Berichte insbesondere über die Verhältnisse in Vietnam zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs.3 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten und der Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses sind zulässig. Insbesondere sind die Rechtsmittel wegen der Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht nach § 32 Abs.1 AsylVfG statthaft. Zu dieser Frage enthält das angegriffene Urteil zwar Widersprüche, denn im Tenor wurde die Berufung uneingeschränkt zugelassen, während die Entscheidungsgründe und die entsprechend unterschiedlichen Belehrungen für das damalige Verbundverfahren eine Zulassung der Berufung nur wegen des Abschiebungsverbots nach § 51 Abs.1 AuslG und wegen der Aufenthaltsbeendigung annehmen, im Streit um die Asylberechtigung aber verneinen. Diese Unstimmigkeiten betreffen aber nicht die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Bundesamtes festzustellen, daß der Kläger nicht nach Viet nam abgeschoben werden darf; insoweit ist die Zulassung der Berufung im Urteil frei von Widersprüchen und allein gegen die der Klage stattgebende Entscheidung wenden sich die Rechtsmittelführer.

Die Berufungen sind jedoch nicht begründet.

Zutreffend gehen die Verfahrensbeteiligten davon aus, daß das Verwaltungsgericht angenommen hat, der Kläger sei in seiner Heimat im Sinne von § 51 Abs.1 AuslG gefährdet und dementspre chend bestehe eine Verpflichtung des Bundesamtes zu einer entsprechenden Feststellung. In diesem Sinne erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nach den heute gegebenen Verhältnissen und den dazu vom Senat weiter beigezogenen Erkenntnissen als richtig. Die Neufassung des Tenors durch die Berufungsentscheidung dient lediglich der Anpassung der Urteilsformel an die Regelung in § 12 Abs.6 Satz 3 AsylVfG; eine sachliche Änderung liegt darin nicht.

Angesichts der auch hinsichtlich des Abschiebungsverbots für ihn negativen Entscheidung des Bundesamtes konnte der Kläger mit seiner auch im übrigen zulässigen Klage Rechtschutz im Wege der Verpflichtungsklage begehren. Ziel seiner Klage ist inso weit nicht etwa eine gerichtliche Feststellung zur Gefahr poli tischer Verfolgung, sondern die Verpflichtung des Bundesamtes festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG vorliegen. Im Hinblick auf die Klageart und die für entspre chende Verpflichtungsklagen im Streit um die Asylberechtigung einhellige Auffassung in Literatur und Rechtsprechung bestehen keine Zweifel, daß auch für die Entscheidung über das hier umstrittene Abschiebungsverbot die Sach - und Rechtslage im Zeit - punkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist.

Für die Entscheidung über die Berufungen ist ohne Bedeutung, daß der Kläger im Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem Verwaltungsgericht mit dem Hauptantrag sein Aner kennungsbegehren, Abschiebungsschutz aber nur hilfsweise verfolgte, denn wegen der Klageabweisung im Asylstreit war über den Hilfsantrag zu entscheiden. Im Berufungsverfahren kommt es im übrigen allein darauf an, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG im Hinblick auf den Heimatstaat des Klägers, die SR Vietnam, gegeben sind, denn nur darauf bezieht sich die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Die Voraussetzungen des Verbots der Abschiebung politisch Verfolgter sind in § 51 Abs.1 AuslG - wörtlich übereinstimmend mit der früheren Regelung in § 14 Abs.1 Satz 1 AuslG 1965 und in Anlehnung an Art.1 A Nr.2 und Art.33 Nr.1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (GFK) - wie folgt festgelegt:

"Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist."

Im Grunde wird damit eine Gefahr politischer Verfolgung nur ausführlicher beschrieben als in Art.16 Abs.2 Satz 2 GG (vgl. etwa BVerwG vom 13.8.1990, NVwZ-RR 1991,215 zu den Voraussetzungen von § 14 Abs.1 Satz 1 AuslG 1965 und von Art. 16 Abs.2 Satz 2 GG). Dennoch nimmt der Senat (vgl. Urteil vom 17.5.1991, NVwZ-RR 1991, 514) in bereits gefestigter Rechtsprechung an, daß wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen von Art.16 Abs.2 Satz 2 GG und § 51 Abs.1 AuslG auch hinsichtlich der jeweiligene Voraussetzungen Unterschiede bestehen. So wird etwa ein An spruch auf Asyl nach Art.16 Abs.2 Satz 2 GG wegen anderweitiger VerfolgungssicherheitIn einem Drittstaat (§ 2 AsylVfG) oder bei sog. selbstgeschaffenen Nachfluchttatbeständen (vgl. BVerfGE 74, 51) verneint; diese Gründe können aber nicht zugleich Geltung beanspruchen dafür, dem ungeachtet drohender politischer Verfolgung nicht "Asylwürdigen" Abschiebungsschutz zu versagen (BVerfGE aaO S.67, BVerwG vom 4.12.1990, NVwZ 1991, 792). Deshalb ist zur Frage des Abschiebungsverbots hier ohne Bedeutung, ob der Kläger Verfolgungsgefahren aus freiem Willensentschluß durch sein Verhalten nach der Ausreise aus Vietnam erst herbeigeführt hat oder ob er in der Tschechoslowakei vor politischer Verfolgung sicher war.

Das Verwaltungsgericht hat richtig erkannt, daß die Freiheit des Klägers in der SR Vietnam wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist und deshalb die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG vorliegen.

Nach den Ausführungen der Beteiligten und dem Inhalt der beige zogenen Auskünfte und Berichte kommt eine derartige Gefährdung allein wegen der Möglichkeit von Strafverfolgungsmaßnahmen in Betracht. Die einschlägigen Bestimmungen des am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen vietnamesischen Strafgesetzbuchs - VStGB - lauten:

"Art.89. Crime of illegally travelling in and out of the country or illegally remaining abroad.

Nr.1      Those who travel out and in illegally the country or remain abroad illegally are reprimanded, re-educated without being held in custody up to one year or imprisoned from three months to two years.

Art.85.  Crime of fleeing abroad or trying to remain abroad with a view to opposing the people's authorities.

Nr.1      Those who flee abroad or try to remain abroad with a view to opposing the people's authorities are sentenced to three to twelve years' imprisonment."

In der Asylrechtsprechung ist zu ähnlichen Republikfluchtbe stimmungen insbesondere (früherer) sozialistischer Staaten wiederholt angenommen worden, daß eine Bestrafung jedenfalls auch der politischen Überzeugung gilt (vgl. BVerwGE 39, 27 und BVerwG vom 24.4.1979, DÖV. 1979, 827). In den letzten Jahren wurde eine Asylerheblichkeit lediglich unter dem - hier nicht interessierenden - Gesichtspunkt selbstgeschaffener Nachfluchtgründe verneint (BVerwG vom 21.6.1988, DVBl 1988, 1027 und, a BVerwGE 81, 41).

In der SR Vietnam hat die Ahndung einer Republikflucht nach den vorerwähnten Bestimmungen ebenfalls zumindest auch politischen Charakter:

Nach der Rechtsprechung ist der Zweck derartiger Strafvor schriften unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweiligen Staates zu ermitteln. Für die SR Vietnam ist danach schon aus allgemeinkundigen Tatsachen festzustellen, daß diese zu den weltanschaulich totalitären Staaten sozialistischer Prägung zu zählen ist. Die herrschende politische Doktrin durchdringt alle Lebensbereiche und läßt für die Freiheit des einzelnen wenig oder keinen Raum. Dies zeigt sich auch an Regelungen über die Ausreise und den Aufenthalt im Ausland. Kennzeichnend ist hierfür, daß es ein Recht auf Verlassen des Staatsgebiets nicht gibt, vielmehr Ausreise und Auslandsaufenthalt lediglich gestattet werden können. Schon der in Art.89 Nr.1 VStGB vorgesehene Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren für das Vergehen unerlaubter Auereise oder unerlaubten Verblei bens im Ausland macht deutlich, daß dem Strafrecht eine Funktion zukommt, die durchaus mit Grenzbefestigungen zum Zwecke der Verhinderung der Ausreise verglichen werden kann. Wie bei den früheren sozialistischen Staaten des "Ostblocks" soll jedenfalls auch eine Abwendung vom politischen System des Heimat staates durch eine "Abstimmung mit den Füßen" verhindert wer den. insbesondere zeigt sich der politische Charakter der Bestimmungen über die strafrechtliche Ahndung einer Republik flucht bei der in Art.85 Nr.1 VStGB vorgesehenen Freiheitsstra fe bis zu zwölf Jahren, denn die wesentlich härtere Bestrafung wird danach ausgelöst durch die Absicht, Organen der Volksre publik entgegenzuwirken. Unerlaubter Auslandsaufenthalt in Verbindung mit der bloßen Absicht politischer Opposition gggenüber dem Heimatregime kann danach wie ein verbrechen geahndet werden.

Diese strafrechtlichen Sanktionen gehen weit über diejenigen rechtsstaatlich verfaßter Demokratien (vgl. etwa §§ 7, 10, 24 und 25 PaßG) hinaus. Insgesamt gesehen ergibt sich, daß die Bestrafung.einer Republikflucht in Vietnam nicht allein krimi nellem Unrecht gilt, sondern auch der (mutmaßlichen) politischen Überzeugung des Betroffenen.

Das äundesverwaltungsgericht (Urteil vom 21.6.1988, DVBl 1988, 1027) hat zwar Zweifel angedeutet, ob an seiner Rechtsprechung, die stets eine Bestrafung wegen Republikflucht als politische Verfolgung wertete, uneingeschränkt festgehalten werden kann. Für den hier zu beurteilenden Strafzweck von Art.89 Nr.1 und Art.85 Nr.1 VStGB ist aber auch nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahmen (vgl. BVerfGE, 80, 315/335) nicht zweifelhaft, daß zumindest auch die mißliebige politische Überzeugung des Republikflüchtigen getroffen werden soll. Etwaige subjektive Motive in der Person des Verfolgenden berücksichtigt der Senat bei dieser Beurteilung ohnehin nicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger die ihm unterstellte oppositionelle politische Überzeugung tatsächlich besitzt, denn als politische Verfolgung sind auch diejenigen Maßnahmen zu werten, die den mutmaßlichen politischen Gegner treffen sollen (vgl. BVerwGE 55, 82 und BVerwG vom 24.4.1979, DÖV 1979, 827).

Wohl im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ist zwischen den Beteiligten allerdings ohnehin nicht umstritten, daß eine Bestrafung des Klägers nach den genannten Vorschriften (auch) wegen der (angenommenen) politischen Überzeugung erfolgte und damit generell als eine nach § 51 Abs.1 AuslG erhebliche Maßnahme zu beurteilen ist. Meinungsverschiedenheiten gibt es vielmehr darüber, ob der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat tatsächlich mit einer entsprechenden strafrechtlichen Sanktion zu rechnen hat.

Wegen dieser Frage ist in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen, daß die Freiheit wegen der politischen Überzeugung dann "bedroht" ist, wenn eine beachtliche Wahrscheinlichkeit derartiger Rechtsgutverletzungen besteht (vgl. zu § 14 AuslG 1965: BVerwG vom 13.8.1990, NVwZ-RR 1991,215). Eine "beachtliche Wahrscheinlichkeit" wiederum ist nicht unter rein quantitativen Gesichtspunkten zu beurteilen; eine statistische Wahrschein lichkeit von weniger als 50 % kann genügen (vgl. BVerwGE 79, 143/150 f). Ausreichend ist eine Verfolgungsgefahr in dem Ausmaß, daß dem Betroffenen eine Rückkehr in die Heimat nicht zuzumuten ist. Das Abgrenzungsmerkmal der Zumutbarkeit wurde schon in der Rechtsprechung zu § 28 AuslG 1965 hervorgehoben (vgl. BVerwGE 55, 82) und hat weiterhin Bedeutung (vgl. BVerwG a vom 17.1.1989, InfAuslR 1985, 163; BVerwGE 79, 143/150). Im übrigen ist wesentlich, daß unter objektiver Würdigung aller Umstände eine Prognose zu treffen ist und die tatrichterliche Beurteilung nicht auf das gegenwärtige oder das als unmittelbar bevorstehend erkennbare Geschehen eingeengt ist (vgl. BVerwG vom 31.7.1986 - 9 B 165.86 mit Nachweisen).

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Anforderungen ist, allgemeinkundigen Tatsachen und den zum Gegenstand des IVerfahrens gemachten Erkenntnissen eine dem Kläger in der Heimat drohende politische Verfolgung zu entnehmen.

Von Bedeutung für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr ist, daß es seit 1975 im wesentlichen drei Möglichkeiten für vietnamesische Staatsangehörige gab, ihre Heimat zu verlassen: Zahlreiche Vietnamesen flüchteten auf dem Seewege und nahmen dabei erhebliche Gefahren in Kauf (sog. Boat people). Daneben kam eine legale Ausreise nach dem "Orderly Departure Programme" (ODP) vor allem für diejenigen in Betracht, die wegen ihrer Beziehungen zum "alten" Regime im Süden gemaßregelt worden waren (vgl. etwa NZZ vom 3./4.11.1991). Schließlich wurde einer ebenfalls beträchtlichen Anzahl vietnamesischer Staatsbürger ein Auslandsaufenthalt in den damals sozialistischen Staaten Osteuropas, insbesondere in der früheren DDR und der Tschechoslowakei, gestattet.

Für die zuletzt genannte Gruppe, der auch der Kläger zuzurechnen ist, galten folgende Regelungen: Grundlage der Entsendung von vietnamesischen Arbeitskräften waren Kooperationsverträge der SR Vietnam mit dem entsprechenden sozialistischen "Bruderland", ein Teil des Arbeitseinkommens wurde zugunsten des Heimatstaates einbehalten und der Auslandsaufenthalt war grundsätzlich auf einige Jahre befristet (vgl. AA vom 19.11. und 13.12.1990; Dr.Weggel vom 13.9.1990). Junge vietnamesische Arbeiter waren wegen der in den fraglichen Ländern Osteuropas vergleichsweise günstigeren wirtschaftlichen Verhältnisse an einer Entsendung sehr interessiert und von einer Zwangsverschickung konnte nach den insoweit völlig übereinstimmenden Auskünften nicht die Rede sein. Von den zwischen 1980 und 1988 etwa 200.000 in Ostblockländern arbeitenden Vietnamesen kehrten rund. 30.000 zurück. Wegen einer wachsenden Anzahl noch nicht Rückkehrwilliger wurden im Herbst 1988 Modalitäten für einen von der SR Vietnam weiterhin erlaubten Aufenthalt im Ausland gefunden. In den Gastländern kam es häufig zu einer Ausbeutung der Vietnamesen im Sinne einer im Vergleich mit heimischen Arbeitskräften deutlich ungünstigeren Behandlung. Eine wesentlich veränderte Situation ergab sich schließlich mit dem Umbruch in der früheren DDR und in der Tschechoslowakei, insbesondere seit der Wiedervereingigung Deutschlands am 3. Oktober 1990: In großer Zahl kamen nunmehr Vietnamesen in die Bundesrepublik oder in die "alten" Bundesländer und gaben durch Asylanträge zu erkennen, daß sie zu einer Rückkehr in ihre Heimat nicht mehr bereit sind.

Zu der sich nun stellenden Frage einer Bestrafung erfolgloser vietnamesischer Asylbewerber in der SR Vietnam liegen unterschiedliche Auskünfte vor. Ein Überblick läßt sich am besten anhand einer stichwortartigen Zusammenfassung gewinnen:

1.         Auswärtiqes Amt:

30.12.1987/27.11.1989: Anwendung von Art.89 VStGB nach politischer Opportunität, keine generelle Amnestie, keine Fälle freiwilliger Rückkehr bekannt.

31.5.1990: Generelle Straffreiheit bei Rückkehr nach Vietnam kann nicht unterstellt werden.

31.12.1990: Asylantrag kann zu Repressalien und strafrecht lichen Folgen führen, zu Art und Umfang keine Angaben mög lich.

2. und 8.4.1991: Kein Fall der Bestrafung bekannt, Verfolgung unwahrscheinlich, Strafverfolgung kann aber nicht aus geschlossen werden.

24.5.1991: Bei auffälligem politischen Verhalten repressive Maßnahmen, Verfolgungsgefahr der exilpolitisch tätigen Viet namesen kann nicht exakt beurteilt werden.

7.11.1991: Strafverfolgung nicht völlig ausgeschlossen, keine Informationen über die Anwendung von Art.89 VStGB.

2.         Dr. Unselt:

24.9.1990: Strafverfolgung ausgeschlossen.

3.         Dr. Will:

15.2.1991: Vietnamesische Führung sieht in Asylantrag deut liches Zeichen für politische Gegnerschaft oder Verrat, jeder erfolglose Asylbewerber wird strafrechtlich belangt.

26.6.1991: Wegen Verstoßes gegen Art.89 VStGB werde man Mil de walten lassen (Auskunft der vietnamesischen Botschaft in Bonn).

23.8.1991: Entscheidung über Sanktionen von der Besetzung der zuständigen Behörde abhängig.

4.         Dr. Weggel:

13.9.1990: Vietnam hat Angst vor der Rückkehr Zehntausender; kein Interesse, die in die Bundesrepublik abgewanderten Arbeitskräfte zu bestrafen; strafrechtlich typisch das Vorge hen gegen einige Übeltäter.

26.6./26.9.1991: "Liberale Politik" gegenüber zurückkehren den Vietnamesen, Willkürmaßnahmen insofern nicht wahrscheinlich; bei exilpolitischer Betätigung mit recht erheblichen Strafen zu rechnen.

5.         Ngo Ngoc Diep:

26.9.199 1: Zurückkehrende werden auf irgendeine weisebe straft (Drangsalierungen); bei auffälliger oppositioneller Betätigung Umerziehung.

6.         amnesty international:

22.7.1991: Erfolglose Asylbewerber müssen mit Bestrafung nach Art.89 (möglicherweise auch Art.85) VStGB rechnen; Anwendung der Strafbestimmungen jedenfalls bei gescheiterter Flucht, keine Hinweise auf gegenteilige Praxis bei aus Europa abgeschobenen Asylbewerbern; Abhängigkeit von der polltischen Grundströmung.

Zusammenfassend läßt sich dazu feststellen, daß das Spektrum der Meinungen alle in Betracht kommenden Möglichkeiten umfaßt: Strafverfolgung ist ausgeschlossen - Betrafung nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich - es drohen Drangsalierungen Verfolgungsgefahr kann nicht exakt beurteilt werden (willkürliches Vorgehen) - Strafmaßnahmen gegen einige "Übeltäter" oder bei exilpolitischer Betätigung - jeder erfolglose Asylbewerber wird strafrechtlich belangt.

Nicht erfolgversprechend erscheint dem Senat der Versuch, einige der Quellen als verläßlich, andere hingegen als nicht überzeugend zu qualifizieren. Gemeinsam ist dem Material nämlich, daß keine der befragten Personen und Stellen zuverlässig darüber Auskunft geben kann, auf welche Weise die SR Vietnam auf die Abschiebung erfolgloser vietnamesischer Asylbewerber aus der Bundesrepublik reagieren würde.

Als gesichert kann lediglich angesehen werden, daß die hier um Asyl nachsuchenden Vietnamesen den Straftatbestand von Art.89

Nr.1 VStGB in der Form illegalen Verbleibens im Ausland erfüllt haben. Ein Auslandsaufenthalt war ihnen nur unter den oben erwähnten Modalitäten gestattet worden. Mit der Aufgabe des Arbeitsplatzes entfiel die Abführung eines Lohnanteils an den vietnamesischen Staat und der Asylantrag zeigt deutlich, daß ein Daueraufenthalt ohne Zustimmung der Heimatbehörden angestrebt wird. Ernstlich ist daher an der Möglichkeit, einer Bestrafung für den Fall einer Abschiebung nach Vietnam nicht zu zweifeln. Eine Prognose über die Gefahr der tatsächlich drohenden Bestrafung ist aber schon deshalb erschwert, weil der Strafrahmen für ein derartiges Vergehen von einer bloßen Verwarnung - möglicherweise verbunden mit Repressalien etwa bei der Vergabe von Arbeit und Wohnung - über eine "Umerziehung" ohne Inhaftierung bis zu einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von zwei Jahren reicht. Vietnamesische Stellen haben bei der Anwendung der Strafbestimmung daher von vornherein einen erheblichen Spielraum; der auch für eine willkürliche Festlegung des Strafmaßes genutzt werden kann. Darüber hinaus ist anzunehmen, daß bei entsprechender exilpolitischer Betätigung der Straftatbestand des Art.85 Nr.1 VStGB erfüllt ist; angesichts der drastischen Strafandrohung ist aber kaum vorstellbar, daß bereits eine wenig publikumswirksame Opposition oder gar die Asylantragstellung eine Ahndung des illegalen Verbleibens im Ausland als Verbrechen nach sich zieht.

Eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit von Strafen und deren Ausmaß ist deshalb besonders schwierig, weil bisher vietnamesische Staatsangehörige, die mit ihrem Asylantrag im Ausland erfolglos waren, nicht ohne Zustimmung Vietnams in ihre Heimat abgeschoben wurden. Aus diesem Grunde liegen Erkenntnisse über Strafmaßnahmen nicht vor (vgl. AA vom 2.4., 8.4., 24.5. und 7.11.1991). Die Beurteilung der Verfolgungsgefahr kann sich deshalb nur auf ähnliche Vorgänge sowie auf politische und wirtschaftliche Erwägungen stützen.

Unter dem Gesichtspunkt ähnlicher Ereignisse drängt sich ein Vergleich mit der Behandlung zurückgekehrter Bootsflüchtlinge auf. Bekanntlich ist es Vietnamesen seit 1975 in großer Zahl gelungen, über das offene Meer in andere Länder Südostasiens zu flüchten. Im Laufe der Zeit hat es sich als zunehmend schwierig erwiesen, Staaten zu finden, die dazu bereit waren, diese Flüchtlinge aus den ebenfalis armen Erstaufnahmeländern oder aus der Britischen Kronkolonie Hongkong zu übernehmen. In Hongkong führten eine steigende Zahl von Flüchtlingen und eine sinkende Anerkennungsquote zu nahezu unlösbaren Unterbringungs-problemen für diejenigen Flüchtlinge, die den Status politisch Verfolgter nicht erlangten oder deren Verfahren noch anhängig ist. In dieser Situation wurde erfolgreich versucht, eine gefahrlose Repatriierung zu ermöglichen. Gegen entsprechende Zahlungen erklärte sich die SR Vietnam zur Aufnahme der geflüchteten Staatsangehörigen bereit und sicherte Straffreiheit zu; auf dieselbe Weise wurde, die Rückkehrbereitschaft der Betroffenen erkauft. Die Mitwirkung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - UNHCR - sicherte erganzend die Einhaltung der zugesicherten Straffreiheit und in der Tat sind negative Meldungen über die Behandlung der Rückkehrer (bereits mehr als 10.000 "Boat people") bis heute nicht bekannt geworden. Weil der Preis für einen Platz im Boot nach Hongkong auf 50 Dollar fiel, die freiwillige Rückkehr aber mit einem um ein Mehrfaches höheren Betrag honoriert wurde, "flüchteten" Bewohner Nordvietnams schließlich allein wegen der Aussicht auf den finanziellen Vorteil dieses Abenteuers. Wohl im Hinblick auf die Gefahr eines derartigen Flüchtlingstourismus kam im Herbst 1991 ein Abkommen zustande, in dem sich die SR Vietnam - wiederum gegen entsprechende Zahlungen - mit einer Zwangsrückführung unter Zusicherung von Straffreiheit einverstanden erklärte; ein Transport dieser Art wurde im November 1991 bereits durchgeführt.

Diese Ereignisse sind weithin allgemeinkundig, ergeben sich aus den beigezogenen Presseberichten (vergleiche SZ vom 30.10., 11. und 13.11.1991, NZZ vom 3./4.11.1991, FAZ vom 12.11.1991, taz vom 4.10.1991) und sind im übrigen durch die ebenfalls beigezogenen Auskünfte (vergleiche AA vom 24.5.1991, 31.5.1990, 27.11.1989; Dr. Will vom 15.2.1991) belegt.

Verwertbar sind die Vorgänge für die hier zu prüfende Verfolgungsgefahr, weil in beiden Fällen eine Strafbarkeit der in die Heimat zurückgeführten vietnamesischen Staatsangehörigen nach Art.89 Nr.1 VStGB zu bejahen ist. Bei den Bootsflüchtlingen liegt die Erfüllung des Straftatbestands der illegalen Ausreise auf der Hand, Asylbewerber in der Bundesrepublik - wie der Kläger -.haben die gleichgewichtige Alternative illegalen Verbleibens im Ausland verwirklicht. Dennoch wird in den beigezogenen Auskünften nirgends die Auffassung vertreten, die Straftosigkeit der - mit oder gegen ihren Willen - aus Hongkong in den Heimatstaat zurückgeführten Vietnamesen gewährleiste die Nichtanwendung von Art.89 Nr.1 VStGB generell und auch die aus der Bundesrepublik abgeschobenen Vietnamesen hätten nichts zu befürchten.

In der Tat wäre diese Einschätzung auch kaum vertretbar. Die Verantwortlichen der Britischen Kronkolonie Hongkong dürften schon wegen der Nähe zu Vietnam über die dortigen Verhältnisse relativ gut unterrichtet sein: Hätten die im Asylverfahren erfolglosen Bootsflüchtlinge gravierende Strafverfolgungsmaßnahmen in der Heimat wegen Republikflucht ohnehin nicht zu befürchten, dann wäre kaum verständlich, weshalb Hongkong Anlaß gesehen haben sollte, die Zusicherung der Straffreiheit mit erheblichen Aufwendungen zu erkaufen und durch die Mitwirkung des UNHCR zu sichern. Die Vorgänge belegen daher lediglich, daß die SR Vietnam von Strafverfolgungsmaßnahmen wegen Republikflucht dann Abstand nimmt, wenn sie gegen die dringend benötigte ausländische Hilfe Straffreiheit zugesichert hat. Die Befürchtung ist begründet, daß die SR Vietnam versuchen wird, über eine entsprechende Handhabung der Republikfluchtbestimmun, gen die Rückkehr ihrer Staatsangehörigen aus der Bundesrepublik zu steuern und aus Rückführungen finanzielle Vorteile zu ziehen. Dieser Versuch ist aber nur dann erfolgversprechend, wenn bei Abschiebungen ohne entsprechende Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland mit der SR Vietnam die Gefahr einer Strafverfolgung öffentlichkeitswirksam durch Verhängung exemplarischer Strafen deutlich gemacht wird.

Im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Erwägungen ist weiter zu berücksichtigen: Vietnam zählt zu den ärmsten Ländern der Erde, leidet unter Versorgungsengpässen bei Nahrungsmitteln und einer hohen Quote von Arbeitslosen (AA vom 13.12.1990, Dr. Weggel vom 26.6.1991). In dieser Lage dürfte die Rückkehr Zehntausender große Sorge bereiten; es mag auch sein, daß es der vietnamesischen Regierung am liebsten wäre, wenn die Arbeitskräfte alle in ihren Gastländern blieben (so Dr. Weggel vom 13.9.1990). Nach der Überzeugung des Senats hat die vietnamesische Regierung jedenfalls vernünftigerweise kein Interesse an der Rückkehr aller vietnamesischen Asylbewerber innerhalb einer kurzen Zeitspanne. Die Schlußfolgerung, deshalb bestehe kein Interesse daran, die in die Bundesrepublik abgewanderten vietnamesischen Arbeitskräfte zu bestrafen, ihnen gegenüber müsse eine "liberale Politik" betrieben werden (so Dr. Weggel vom 13.9.1990 und 26.6.1991), unterliegt jedoch erheblichen Zweifeln. Würde sich nämlich Vietnam dementsprechend verhalten, dann wäre die Konsequenz kaum vermeidbar, daß nahezu alle Vietnamesen aus der Bundesrepublik alsbald oder - bei noch genehmigtem Aufenthalt der ehemaligen "DDR-Vietnamesen" - nach einiger Zeit tatsächlich abgeschoben würden. Eine für Vietnam nicht mehr kontrollierbare Rückkehr kann vielmehr nur durch Strafankündigungen oder eine exemplarische Bestrafung-Abgeschobener unterbunden werden. Eine "geordnete" Rückführung, an der jedenfalls in gewissem Umfang und auf die Sicht von Jahren ebenfalls ein wirtschaftliches Interesse bestehen dürfte, wäre dann wiederum durch Vereinbarungen möglich, die sich am Beispiel der Regelung mit Hongkong orientieren.

Für den Vorrang wirtschaftlicher Erwägungen bei der Anwendung der Strafbestimmungen wegen Republikflucht spricht auch das Verhalten vietnamesischer Stellen bei der Gestattung von Besuchsaufenthalten von Auslandsvietngmesen. Dazu hat das Auswärtige Amt (vgl. Auskünfte vom 30.12.1987, 31.5. und 13.12.1990) mitgeteilt, daß auch den im Ausland naturalisierten Vietnamesen im Hinblick auf willkommene Devisen die Einreise zu Besuchs, zwecken nur in Einzelfällen aus politischen Gründen, insbesondere beim Verdacht oppositioneller Gesinnung, verweigert wird. Die wirtschaftlichen Vorteile derartiger Besuche scheinen "unmoralische" oder -kriminelle" Fluchtgründe aufzuwiegen, über eine Strafverfolgung ist nichts bekannt geworden. Mit dem Auswärtigen Amt ist der Senat jedoch davon überzeugt, daß die Nichtanwendung der Strafgesetze in diesen Fällen generell eine straffreie Wiedereinreise von Flüchtlingen nicht garantiert. Unter ökonomischen Gesichtspunkten kann dieser Tourismus für Vietnam nur von Vorteil sein, während eine Zwangsrückführung von Vietnamesen Probleme bei der Wiedereingliederung insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsmarkt aufwerfen würde.

Für die Gefahr einer Strafverfolgung abgeschobener Vietnamesen wegen Republikflucht sprechen auch politische Erwägungen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß es in Vietnam nach dem 6. Parteikongreß der dort heute allein existenten kommunistischen Partei in den Jahren 1987/88 zu einer Phase der politischen Liberalisierung gekommen ist. Anschließend setzte ein Trend in die andere Richtung ein und es kam insbesondere im Vorfeld des 7. Parteitags vom Juni 1991 zu verschärfter Beobachtung und Verfolgung Oppositioneller (vgl. etwa AA vom 24.5.1991, ai vom 22.7.1991). Die auf dem Parteitag gefaßten Beschlüsse, Neubesetzungen der Ämter des Ministerpräsidenten, des Parteichefs, im Kabinett und im Politbüro lassen für eine erneute politische Trendwende nichts erkennen. Angesichts der Entwicklung der früher sozialistischen Staaten des Ostblocks stehen die Machthaber in Vietnam weiterhin unter einem "Osteu ropa-Schock" (AA vom 24.5.1991). Lediglich in wirtschaftlicher Hinsicht dürften unterdem nunmehr amtierenden Ministerpräsi denten Kiet Reformen im Sinne einer Liberalisierung zu erwarten sein (Dr. Will vom 23.8.1991). Im Rahmen eines so gekennzeich neten politischen Klimas ist kaum zu erwarten, daß die Strafan drohung für Republikflucht nur "auf dem Papier steht" oder nur mit Eingriffen an der untersten Grenze des vorgesehenen Straf rahmens zu rechnen ist, zumal eine Welle von Rückkehrern zu einem politischen Unsicherheitsfaktor werden könnte (vgl. ai vom 22.7.1991). Unter der Regierung Kiet mag die Bereitschaft bestehen" auch anderen Ländern Südostasiens bei der freiwilli gen Rückkehr der mehr als 100.000 Bootsflüchtlinge zu "helfen" (vgl. FR vom 15.8.1991). Damit sind aber ersichtlich Regelungen entsprechend den Vereinbarungen mit Hongkong gemeint und nichts spricht für eine generelle Amnestie der Republikflüchtlinge ohne entsprechende finanzielle Zuwendungen an die SR Vietnam. Unter politischen Aspekten mag ein Besuchsaufenthalt von Vietnamesen aus westlichen Ländern unschädlich oder - angesichts der wirtschaftlichen Vorteile - jedenfalls tolerabel sein, zumal Vietnam bei ungünstigen politischen Auswirkungen jederzeit in der Lage ist, diesen Tourismus zu unterbinden. Aus der Bundesrepublik abgeschobene Vietnamesdn könnten aber auf längere Sicht eine Destabilisierung des politischen Systems in Vietnam bewirken. Politische Reformen im Sinne einer Demokratisierung können zudem aus vietnamesischer Sicht kaum wünschenswert erscheinen, denn selbst die mächtige Sowjetunion ist im Zuge einer derartigen Reform in eine Situation geraten, in der eine drohende Hungersnot nur noch mit ausländischer Hilfe abzuwenden oder zu lindern ist. Für das ohnehin arme Vietnam wären die Folgen einer vergleichbaren Entwicklung wohl auch deshalb weit gravierender, weil mit nennenswerter Hilfe anderer Staaten kaum zu rechnen wäre.

Zusammenfassend ist danach festzustellen, daß die in der Bundesrepublik um Asyl nachsuchenden Vietnamesen den Straftatbestand von Art.89 Nr.1 VStGB erfüllt haben. Nach der bisherigen Praxis ist mit einer Straffreiheit nur dann zu rechnen, wenn entsprechende Vereinbarungen des Aufnahmelands mit der SR Vietnam über eine "geordnete" Rückführung getroffen wurden und das Entgegenkommendes vietnamesischen Staates mit finanziellen Leistungen honoriert wird. Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen hat Vietnam kein Interesse daran, daß erfolglose Asylbewerber ohne seine Zustimmung in die Heimat abgeschoben werden. Eine nicht kontrollierbare Rückführung kann Vietnam aber nur dann verhindern, wenn gegen abgeschobene vietnamesische Staatsangehörige gravierende Strafen wegen Republikflucht verhängt werden. Nach der Interessenlage ist daher anzunehmen, daß abgeschobene Vietnamesen mit einer "Umerziehung" von mehreren Monaten bis zu einem Jahr oder mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten zu rechnen haben. Erst eine Bestrafung in diesem Ausmaß gewährleistet aus vietnamesischer Sicht, daß die Bundesrepublik Zwangsrückführungen nicht mehr vornimmt, weil damit die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gegeben wären. Wegen der danach drohenden Freiheitsstrafe sind die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG erfüllt; auch eine Umerziehung durch Zwangsarbeit mit weitgehender Einschränkung der Bewegungsfreiheit zielt jedoch auf das durch diese Bestimmung geschützte Rechtsgut "Freiheit" und wegen der auch hier zu beachtenden humanitären Intention ist auch diese Strafe als politische Verfolgung im Sinne des § 51 Abs.1 AuslG zu beurteilen. Nicht näher zu bestimmen ist, in welchem Umfang die erwähnten Sanktionen gegenüber abgeschobenen vietnamesischen Staatsange hörigen auf absehbare Zeit tatsächlich ergriffen werden. Feststellbar ist aber jedenfalls ein Interesse Vietnams, durch entsprechendes Vorgehen eine generelle, einschneidende Strafverfolgung wegen Republikflucht zu demonstrieren. Angesichts der in diesem Sinne bedrohten Freiheit des Klägers ist diesem eine Rückkehr in die Heimat nicht zuzumuten.

Dieser Beurteilung der Gefährdung erfolgloser vietnamesischer Asylbewerber kann nicht entgegengehalten werden, eine von wirtschaftlichen und politischen Interessen eines anderen Staates abhängige Strafverfolgung dürfe nicht über die Berücksichtigung in Asylverfahren zu einer Erpreßbarkeit der Bundesrepublik führen. Nicht zu leugnen ist zwar die Möglichkeit, die SR Vietnam werde gegen die Zusicherung finanzieller Leistungen bereit sein, die Straffreiheit zurückgeführter Staatsangehöriger zu gewährleisten. Daraus ergibt sich jedoch für die Bundesrepublik weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen ein Zwang zum Abschluß derartiger Vereinbarungen. Nach geltendem Recht hat die drohende Gefahr politischer Verfolgung in der Heimat lediglich die Folge, daß Ausländer als Asylberechtigte im Sinne von Art.16 Abs.2 Satz 2 GG, als Flüchtlinge nach der GFK oder wie hier - als Verfolgte gemäß § 51 Abs.1 AuslG vor einer Abschiebung geschützt sind. In diesem Sinne ist die Bundesrepublik Deutschland wie andere Signatarstaaten der GFK aber stets erpreßbar durch ein zu mißbilligendes Vorgehen eines anderen Landes gegen die eigenen Staatsangehörigen.

Die Freiheit vietnamesischer Staatsangehöriger, die sich mit Billigung ihrer Regierung in einem früher sozialistischen Land Osteuropas aufgehalten und dann in der Bundesrepublik um Asyl nachgesucht haben, ist danach wegen ihrer politischen Überzeugung generell bedroht, weil bei einer Abschiebung gravierende Bestrafung wegen Republikflucht zu befürchten ist; bereits des halb sind die Voraussetzungen des Abschiebungsverbots nach § 51 Abs.1 AuslG gegeben.

Wegen der Einzelumstände des vorliegenden Falles besteht im Übrigen eine erhöhte Gefahr strafrechtlicher Sanktionen, weil der Kläger einer Regimegegnerschaft in besonderem Maße verdäch tig ist. Für die Beurteilung ist zunächst von Bedeutung, daß seine Darlegungen nach dem grgebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht als unglaubwürdig. angesehen werden können. Auffallend ist zwar, daß der Kläger zunächst vorgetragen hat, er habe wegen Desertion und wegen der Teilnahme an einer unerlaubten Versammlung der katholischen Kirchengemeinde fünf Jahre Zwangsarbeit leisten müssen, während er vor dem Verwaltungsge richt angab, er habe im fraglichen Zeitraum in einem staatlichen Unternehmen für zuckerexport gearbeitet. Wegen der Ver-ständicjungsschwierigkeiten auch bei Zuziehung eines Dolmet schers und der stets zu berücksichtigenden Mißverständnisse und Übersetzungsungenauigkeiten ist bei derartigen Ungereimtheiten Z aber stets ein Vorhalt angebracht, die frühere Schilderung weiche von dem nunmehrigen Vorbringen erheblich, ab. Auf einen solchen Vorhalt konnte der Kläger zur Überzeugung des Senats glaubhaft machen, daß in Wahrheit keine abweichenden Angaben vorliegen, weil die Zwangsarbeit in einem Kollektiv für Zuckerherstellung abgeleistet wurde. Auch die bei Zwangsarbeit nicht mögliche "Kündigung" konnte der Kläger befriedigend dahin erklären, daß er nach Beendigung der Zwangsarbeit nicht bereit war, das Angebot einer - nunmehr freiwilligen - Beschäftigung im Kollektiv anzunehmen. Die etwas divergierenden Angaben zur Festnahme im Mai 1987 halten sich ohnehin im Bereich der kaum vermeidbaren Übersetzungsungenauigkeiten und sind durch die Darleguegen des Klägers vor dem Senat geklärt.

Insgesamt ist mit den eingehenden Schilderungen des Klägers zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht, daß dieser in seiner Heimat mehrere Jahre Zwangsarbeit leisten mußte, wegen der Ver teidigung des Klosters Dong Cong zwei Tage in Haft genommen wurde, das Privileg eines Aufenthalts in der Tschechoslowakei nur durch Bestechung erreichte und dort wiederum durch Kritik auch an der vietnamesischen Regierung auf sich aufmerksam mach te. Mag auch sein Verhalten in Vietnam die damals verhängten Sanktionen als Maßnahmen der Strafverfolgung erscheinen lassen, die nicht (auch) der politischen Überzeugung galten, so kann doch aus der Sicht vietnameslscher Stellen durchaus der Ein druck entstehen, der Kläger habe auch eine ablehnende Einstel lung zum sozialistischen Regime deutlich gemacht und durch das Verlassen seines Arbeitsplatzes in der Tschechoslowakei, die Einreise in die Bundesrepublik und die Asylantragstellung erneut bestätigt. Im Falle einer Abschiebung könnten bei vietnamesischen Stellen kaum Zweifel über die erfolglose Asylantragstellung aufkommen, denn der vietnamesischen Botschaft ist aus zahlreichen Presse- und Rundfunkberichten gewiß bekannt, daß die aus Osteuropa und der früheren DDR zugewanderten vietname sischen Arbeiter in der Bundesrepublik regelmäßig um politi sches Asyl nachsuchten. Die in der Heimat gegen den Kläger er griffenen Maßnahmen wären den dortigen Stellen schon deshalb nicht unbekannt oder in Vergessenheit geraten, weil nach der üblichen Praxis in Vietnam eine "Personalakte" jeden Staatsbürger lebenslang begleitet (vgl. Dr. Weggel vom 26.6.1991). Unter Berücksichtigung all dieser Einzelumstände erscheint der Kläger aus der Sicht seines Heimatstaates als ein regimefeindlich ein gestellter "Übeltäter", an dem aus Gründen der Disziplinierung eine exemplarische Bestrafung wegen Republikflucht demonstriert werden kann. Weil die frühere Umerziehung einschließlich mehr jähriger Zwangsarbeit ersichtlich eine systemkonforme Einstel lung nicht bewirken konnte, liegt die verhängung einer Frei-heitsstrafe von mindestens drei Monaten bis zu zwei Jahren nahe. Selbst wenn man daher der Auffassung des Senats, daß die aus Osteuropa zugewanderten und in der Bundesrepublik um Asyl nachsuchenden Vietnamesen generell im Sinne von § 51 Abs.1 AuslG gefährdet sind, nicht folgen wollte, wäre jedenfalls eine entsprechende Gefahr politischer Verfolgung in Vietnam für den Kläger zu bejahen.

Die Anträge der Beklagten und des Bundesbeauftragten auf Aussetzung des Verfahrens und weitere Beweiserhebung waren aus den Gründen der Beschlüsse vom 18. November 1991 abzulehnen. Das Auswärtige Amt hat sich in den beigezogenen Auskünften bereits mehrfach zum Beweisthema geäußert und angesichts der in Vietnam stets in Betracht zu ziehenden Möglichkeit einer auch von Bestechung abhängigen Willkür bei der Strafverfolgung wäre aus der Kenntnis der Behandlung einer einzigen, aus der Bundesrepu blik abgeschobenen vietnamesischen Staatsangehörigen kaum etwas für die vom Senat zu stellende Prognose zu gewinnen. Eine Beur teilung der hier entscheidungserheblichen Gefährdung des Klägers i.S.v. § 51 Abs.1 AuslG ist bereits nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften und Berichten möglich.

Danach erweist sich die Beurteilung des Verwaltungsgerichts auch nach den gegenwärtigen Verhältnissen und den weiter beigezogenen Erkenntnissen im Ergebnis als zutreffend. Die Berufungsführer haben mit ihrem Rechtsmittel daher keinen Erfolg und die Beklagte dringt mit ihrem Antrag, die Klage unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils abzuweisen, eben falls nicht durch.

Die Kostenfolge ergibt sich für die Berufungsführer aus § 154 Abs.2 VwGO, für die Beklagte aus § 154 Abs.1 VwGO; weil die Kostenpflichtigen nicht mit erheblicher Verschiedenheit am Rechtsstreit beteiligt sind, haften sie nach Kopfteilen (§ 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs.1 ZPO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Befugnis zur bwendung der Vollstreckung ergeben sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr.10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs.2 VwGO nicht vorliegen.

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