Nach Jahren der Trennung: syrischer Teenager in Deutschland wieder mit der Familie vereint

Aus Angst vor Zwangsrekrutierung in die Armee floh Numeir mit 15 Jahren aus seinem Zuhause in Syrien.

Der achtzehnjährige syrische Flüchtling Numeir Khalife ist mit seiner siebenjährigen Schwester Anmar im norddeutschen Lensahn wieder vereint. ©UNHCR/ Chris Melzer

Einsamkeit ist ein Gefühl, das viele Teenager empfinden. Aber Numeir hat es mehr als die meisten anderen spüren müssen.

Aus Angst, in die Armee eingezogen zu werden, floh er mit 15 Jahren aus seinem Zuhause in Syrien. Der Abschied von seiner Familie – auch von seiner vierjährigen Schwester Anmar, die weinte und ihn bat, nicht zu gehen – ließ ihn einsamer denn je fühlen.

“Ich musste gehen”, sagt Numeir. “Der Abschied war schrecklich. Anmar bat mich, nicht zu gehen und sagte: ‘Großer Bruder, geh nicht’. Aber ich hatte keine Wahl.”

Numeir reiste durch die Türkei, Griechenland und den Balkan, bevor er schließlich bei einem Onkel in Deutschland ankam. Als er 2015 Deutschland erreichte, war er 16 Jahre alt und Tausende von Kilometern von seiner Familie entfernt.

 

Als minderjähriger Flüchtling wurde Numeir von den Behörden in Gewahrsam genommen und landete schließlich in einem Hostel in Lensahn, einer kleinen Stadt im nördlichsten Zipfel Deutschlands. Sie hat weniger als 5.000 Einwohner und ist nur wenige Autominuten von der Ostsee entfernt.

“Es ist so schön hier”, sagt Numeir. “So grün, so ruhig, so friedlich.”

Drei Jahre lang hatte er nur einen Wunsch: “Ich möchte die Schönheit hier mit den Menschen teilen, die mir auf der ganzen Welt am wichtigsten sind – meine Familie.”

UNHCR, das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, half Numeir bei der Familienzusammenführung. Sein Vater Ismain, Mutter Fada und drei Geschwister waren in die Türkei, dann nach Griechenland geflohen, bevor sie schließlich erfuhren, dass ihr Antrag auf Familienzusammenführung genehmigt worden war.

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Numeir aus Syrien schließt seine Mutter in die Arme, von der er drei Jahre getrennt war. © UNHCR / Chris Melzer

An einem Donnerstag im Mai bereiteten sich die fünf auf die Landung am Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel vor.

Viele in der Ankunftshalle warteten auf diesen Flug. Aber niemand schien so aufgeregt wie Numeir. War das Flugzeug sicher gelandet? Würde bei der Ankunft alles klappen? Plötzlich war seine Familie da und Numeir konnte seine Mutter wieder in die Arme schließen.

Fada sagt, es war wie beim ersten Mal vor 18 Jahren, als sie ihr Erstgeborenes in den Armen hielt. “Es war genau so, wie beim ersten Mal”, sagt sie glücklich.

Als die Familie in Lensahn ankam und aus dem Auto stieg, waren sie erstaunt. Natürlich hatten sie die Fotos gesehen, aber jetzt konnten sie die Bäume riechen, das Gras fühlen und die Mauer eines alten Bauernhauses berühren, in dem sie alle leben wollten. “Es ist wunderschön hier”, sagte Ismain.

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Numeir (rechts im Bild) ist endlich wieder mit seiner Familie vereint. ©UNHCR/ Chris Melzer

Numeir hob seine kleine Schwester hoch und zeigte ihr den See hinter dem Haus. “Es ist so grün”, rief Anmar. “Und am aller wichtigsten: Numeir ist hier!”

“Es ist schön, eine so glückliche Familie zu sehen”, sagt Dominik Bartsch, UNHCR-Repräsentant in Deutschland. “Aus diesem Grund ist die Familienzusammenführung so wichtig. Jahrelang war Numeir krank vor Sorge um seine Angehörigen. Jetzt kann die ganze Familie ihr Leben hier in Deutschland wieder aufbauen und ihre Ängste sind verschwunden.”

Numeir und seine Familie sind dankbar für die Chance, in Frieden zu leben.

“Wir haben Gasangriffe gesehen, wir haben Bomben gesehen”, sagt Ismain. “Für einen Vater bedeutet das, dass er nie sicher sein kann, ob seine Frau und seine Kinder noch am Leben sind, wenn er abends nach Hause kommt. Hier, wenn ich die Kinder im Garten lachen sehe, weiß ich, dass sie in Sicherheit sind.”

“Ich möchte dem deutschen Volk danken, das mir die Gelegenheit gab, meinen Sohn wiederzusehen”, fährt er fort. “Sie haben ihn aufgenommen, sie haben ihn in ihren Armen gehalten und sie haben uns wieder vereint.”