“Tusk Force” Hatti – Wie Flüchtlinge in Bangladesch mit Elefanten leben

Elefanten sind gutmütige Dickhäuter, doch im größten Flüchtlingscamp eine tödliche Gefahr. Weil der Konflikt aber eigentlich auf einem Missverständniss beruht, gibt UNHCR in den Camps in Bangladesch Unterricht für die Rohingya-Flüchtlinge: Elephant Awareness.

"Das Konzept ist außerordentlich wirksam", sagt Amin. "Elefanten sind sehr intelligente Tiere. Die merken, dass von den Menschen keine Gefahr ausgeht, es aber doch klüger ist, einen weiten Bogen zu machen." © UNHCR / Chris Melzer

Sie flohen vor Gewalt. Sie durchquerten enorme Flüsse. Sie trotzen Monsun und Zyklon in Bambushütten und ihre Nahrung ist ebenso kärglich wie praktisch alles in ihrem jetzigen Leben. Und als wäre das alles nicht genug, sind die Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch noch einer Gefahr ausgesetzt, von der man im Westen kaum etwas ahnt: Elefanten. Mögen sie im Zirkus oder im Kinderbuch die gutmütigen Dickhäuter sein, hier sind sie eine tödliche Gefahr. Weil der Konflikt aber eigentlich auf einem Missverständniss beruht, gibt das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in den Camps in Bangladesch Unterricht für die Rohingya: Elephant Awareness.

“Nein, Elefanten sind nun wirklich keine agressiven Tiere”, sagt Raquibul Amin. Der Landeschef der International Union for Conservation of Nature (IUCN) muss es wissen, er gehört in Bangladesch zu den Elefantenexperten schlechthin. Und er kennt sie fast alle, die noch etwa 260 Elefanten in dem Land. Die Gegend um das Städtchen Cox’s Bazar im Süden des Landes ist ihr wichtigstes Habtitat – allerdings auch Standort für die Camps von 900 000 Flüchtlingen, darunter mit Kutupalong dem größten Flüchtlingscamp der Erde. 640 000 Menschen leben hier, so viele wie in Düsseldorf oder Stuttgart. Allerdings in Hütten aus Bambus und Planen.

“Hier gehen ausgerechnet auch die Migrationsrouten der Elefanten entlang”, sagt Amin. Seit Jahrhunderten ziehen die Herden durch die Region, lange bevor die Länder Bangladesch und Myanmar hießen. “Warum, weiß keiner genau. Aber die Tiere folgen klar ihren Routen und der Korridor ist nur zwei, drei Kilometer breit.” Wenn da plötzlich ein Flüchtlingscamp von der Dimension einer schon ziemlich großen Großstadt steht, ist das aus Sicht des Elefanten ein Problem.

Bisher reagierten beide Seiten panisch. Die Menschen bewarfen die Tiere mit Steinen und Knüppeln. Die verängstigten Tiere liefen Amok. Anfang des Jahres starben so 13 Menschen, auch Kinder. “Hatti”, heißt Elefant auf Bengalisch, aber was so niedlich klingt, kann ein Schreckensruf sein.

UNHCR musste das Problem lösen, also überlegte man zusammen mit den Naturschützern. Das Ergebnis sind hohe Bambusgestelle, die wie Wachttürme aussehen und eigentlich auch welche sind. Jede Nacht sitzen zwei Männer da oben und halten Ausschau. Trotten die grauen Riesen heran, wird das Elephant Response Team alarmiert – nach dem englischen Wort für Stoßzahn „Tusk Force“ genannt.

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Bisher reagierten beide Seiten panisch. Die Menschen bewarfen die Tiere mit Steinen und Knüppeln. Die verängstigten Tiere liefen Amok. Anfang des Jahres starben so 13 Menschen, auch Kinder. © UNHCR / Chris Melzer

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Ein großer Elefant aus bunten Stofffetzen spielt den Angreifer und die Tusk Force zeigt den Flüchtlingen, wie sie sich zu verhalten haben. Elefantentrompeten aus dem Megaphon macht alles noch ein bisschen echter. © UNHCR / Chris Melzer

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"Nein, Elefanten sind nun wirklich keine agressiven Tiere", sagt Raquibul Amin, der Landeschef der International Union for Conservation of Nature (IUCN). © UNHCR / Chris Melzer

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Trotten die grauen Riesen heran, wird das Elephant Response Team alarmiert – nach dem englischen Wort für Stoßzahn „Tusk Force“ benannt. © UNHCR / Chris Melzer

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Elephant Awareness gibt es auch als Schulfach. Dann werden kleine Elefanten gebastelt und die Lehrerin sagt :"Die Elefanten sind unsere Freunde. Wir müssen sie schützen!" Die Kleinen krähen es begeistert nach. © UNHCR / Chris Melzer

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"Natürlich nicht!", sagt ein Siebenjähriger auf die Frage, ob er vor Elefanten Angst habe. "Aber", gibt er später zu", "früher schon. Ein bisschen". © UNHCR / Chris Melzer

“Elefanten sind wie Menschen”, sagt Amin schulterzuckend. “Eigentlich wollen sie schlicht keinen Ärger.” Also stellen sich die Männer vor den Eingang des Camps, während die Elefanten noch ein gutes Stück entfernt sind. Was dann kommt, erinnert eher an Fankurve denn an praktischen Naturschutz. Mit Sirenen, Megaphonen und Tröten wird so viel Lärm wie möglich gemacht. Und selbst, wenn ein Elefant taub ist (oder bei diesem Krach werden sollte), machen Taschenlampen und Scheinwerfer klar: Hier sind Menschen und wir würden gern auch hier bleiben.

“Das Konzept ist außerordentlich wirksam”, sagt Amin. “Elefanten sind sehr intelligente Tiere. Die merken, dass von den Menschen keine Gefahr ausgeht, es aber doch klüger ist, einen weiten Bogen zu machen.” Was sie dann auch tun.

Um das alles zu üben, trainiert Amin mit den Flüchtlingen regelmäßig. Ein großer Elefant aus bunten Stofffetzen spielt dann den Angreifer und die Tusk Force zeigt den Flüchtlingen, wie sie sich zu verhalten haben. Elefantentrompeten aus dem Megaphon macht alles noch ein bisschen echter.

Elephant Awareness gibt es auch als Schulfach. Dann werden kleine Elefanten gebastelt und die Lehrerin sagt :”Die Elefanten sind unsere Freunde. Wir müssen sie schützen!” Die Kleinen krähen es begeistert nach. “Natürlich nicht!”, sagt ein Siebenjähriger auf die Frage, ob er vor Elefanten Angst habe. “Aber”, gibt er später zu”, “früher schon. Ein bisschen”.

Derzeit versucht man die Bauern zu überzeugen, weniger Reis anzupflanzen. Denn der lockt Elefanten an. “Chili wäre eine gute Alternative”, sagt Amin. “Das mögen Elefanten gar nicht. Allerdings ist Reis hier auch ein Stück Identität, seit Jahrhunderten schon..” Es ist nicht einfach, die Menschen zu überzeugen. “Zu den Flüchtlingen sagen wir dann immer, he, der Elefant ist kein Feind. Er ist ein Opfer wie Du.” Stimmt. Erst kürzlich starben zwei Tiere, als sie im Grenzgebiet Mienen auslösten.