Dr. Evan Atar Adaha – Gewinner des UNHCR Nansen-Flüchtlingspreis 2018

Im abgelegenen Nordosten des Südsudan, im Bezirk Maban, leitet ein Mann das einzige chirurgische Krankenhaus im Bundesstaat Oberer Nil. Das Krankenhaus ist eine Lebensader für Hunderttausende von Flüchtlingen und Südsudanesen.

Das Krankenhaus von Dr. Atar in Bunj, Südsudan, hat keine Anästhesie. Das bedeutet, dass Ärzte mit Ketamin-Injektionen und einer spinalen Epiduralanästhesie arbeiten. Das Röntgengerät ist defekt und außer Betrieb. Es gibt nur eine OP-Leuchte (Standard sind drei), keine Blutbank und oft müssen grundlegende chirurgische Materialien bei Auslandsreisen gekauft oder vor Ort improvisiert werden. © UNHCR/Will Swanson

Dr. Atar, der Gewinner des diesjährigen UNHCR Nansen-Flüchtlingspreis, kam 2011 nach Bunj, nachdem ihn der Krieg gezwungen hatte, sein Krankenhaus im sudanesischen Blue Nile State zu verlassen. In Bunj fand Dr. Atar nur ein verlassenes Gesundheitszentrum vor. Dr. Atar machte daraus ein Krankenhaus.

Seinen ersten Patienten operierte er, indem er Tische stapelte, um einen erhöhten Operationstisch zu schaffen. Er hat im Laufe der Jahre unermüdlich daran gearbeitet, finanzielle Mittel von Organisationen zu beschaffen und junge Menschen zu Krankenschwestern und Hebammen auszubilden.

 

South Sudan. South Sudanese surgeon named as UNHCR's 2018 Nansen Refugee Award winner Winner provides life-line to more than 200,000 people, including 144,000 refugees

Die Visite von Dr. Atar dauert bis zu drei Stunden pro Tag und die Zeit, die er mit jedem Patienten verbringt, wird von allen geschätzt und bildet eine echte Verbindung zwischen ihm und seinen Patienten. © UNHCR/Will Swanson

South Sudan. South Sudanese surgeon named as UNHCR's 2018 Nansen Refugee Award winnerWinner provides life-line to more than 200,000 people, including 144,000 refugees

"Heilung ist nur ein Teil der Behandlung. Man muss sich auf die Patienten einlassen. Dann öffnen sie ihre Herzen", sagt Dr. Atar. Hier bereitet er eine Frau auf einen Kaiserschnitt vor. Obschon er ein engagierter Christ ist, kennt Dr. Atar (von arabischer Muttersprache) den Koran und betet vor der Operation mit Muslimen und Christen, wenn sie es wünschen. © UNHCR/Will Swanson

Dr. Atar schätzt, dass er seit seiner Ankunft in Maban mehr als 900 Babys zur Welt gebracht hat. © UNHCR/Will Swanson

 

Heute ist das Krankenhaus für über 200.000 Menschen da. Darunter sind 144.000 Flüchtlinge aus dem sudanesischen Blue Nile State, von denen 142.000 in vier Flüchtlingslagern leben. Hinzu kommen 17.000 Südsudanesen, die aufgrund des Konflikts im Bezirk Maban und seiner Umgebung vertrieben wurden. Die lokale Bevölkerung der Maban in dieser Region beträgt rund 53.000. Für sein herausragendes Engagement und seine selbstloses Arbeit bei der medizinischen Versorgung von Menschen, die zur Flucht gezwungen sind sowie für die Gemeinschaften, die diese Menschen aufgenommen haben, würdigt der UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, Dr. Atar als Gewinner des Nansen-Flüchtlingspreises 2018.

Im Durchschnitt behandeln Dr. Atar und sein Team 58 Patienten pro Woche. In diesem Umfeld arbeitet Dr. Atar manchmal 48 Stunden ohne Pause und ist zu jeder Zeit in Bereitschaft. Das persönliche Opfer von Dr. Atar ist enorm. Er lebt in der Nähe des Krankenhauses in einem Planenzelt, während seine Familie in Nairobi, Kenia, zurückbleibt. Er besucht sie dreimal im Jahr, um sich von seiner anstrengenden medizinischen Arbeit zu erholen.

 

South Sudan. South Sudanese surgeon named as UNHCR's 2018 Nansen Refugee Award winnerWinner provides life-line to more than 200,000 people, including 144,000 refugees

Gisma Al Amin, 28, eine sudanesische Flüchtlingsfrau, hält ihr fünftes Kind in den Armen. Bei der Namensgebung zögerte sie keine Sekunde und nannte ihren Sohn Atar, nach dem Arzt, der ihn das Licht der Welt erblicken liess. "Hier weiss ich, dass ich in sicheren Händen bin. Ich fühle mich, als wäre ich in den Händen meines Vaters, aber es ist Dr. Atar. Jeder kennt ihn, er ist unser Arzt." © UNHCR/Will Swanson

South Sudan. South Sudanese surgeon named as UNHCR's 2018 Nansen Refugee Award winner Winner provides life-line to more than 200,000 people, including 144,000 refugees

Der 47-jährige Kalisa Yesero Wabibiye hat für mehrere Hilfsorganisationen in Afrika als Arzt gearbeitet. "Als ich hier anfing, dachte ich, ich könnte nicht einmal eine Woche durchhalten", sagte Dr. Kalisa. "Die Leute nennen dieses Krankenhaus `Atar's Zuhause`. Seine Arbeit ist unumgänglich geworden." © UNHCR/Will Swanson

South Sudan. South Sudanese surgeon named as UNHCR's 2018 Nansen Refugee Award winner Winner provides life-line to more than 200,000 people, including 144,000 refugees

Das Maban Hospital ist eine wahre Lebensader für den Bundesstaat Oberer Nil. Kein anderes Krankenhaus ist so oft überfüllt, was mit einer grossen Belastung für das gesamte medizinische Personal einhergehen kann. Aus Platzgründen werden die Stationen vergrössert, indem auch im Freien Patienten untergebracht werden. © UNHCR/Will Swanson

 

Dr. Atar behandelt alle Menschen in medizinischer Not, unabhängig von ihrem Hintergrund – ein Engagement, das ihm den Respekt aller Flüchtlinge, Binnenvertriebenen und lokalen Gemeinschaften eingebracht hat.

Die Situation im Bezirk Maban ist volatil mit regelmäßigen Gewaltausbrüchen in den letzten Jahren. Nach den jüngsten Angriffen auf die Büros und Einrichtungen internationaler Organisationen (einschließlich des UNHCR) im Juli dieses Jahres blieb Dr. Atar auch dann noch in seinem Krankenhaus tätig, als Mitglieder seines Ärzteteams gezwungen wurden, zu gehen.

 

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"Wir behandeln jeden hier, egal wer er oder sie ist. Ich bin sehr glücklich, wenn ich merke, dass die Arbeit, die ich geleistet habe, jemanden vor dem Leiden bewahrt oder sein Leben gerettet hat", sagt er. Dr. Atar behandelt alle Pflegebedürftigen unabhängig von ihrem Hintergrund – ein Engagement, das ihm den Respekt der Flüchtlinge und der lokalen Gemeinschaften eingebracht hat. © UNHCR/Will Swanson

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Dr. Atar räumt ein, dass seine Arbeitsortentscheidung für seine Frau und seine vier Kinder hart war. Er sieht sie nur dreimal im Jahr. Seine Familie lebt in Nairobi und bleibt über WhatsApp und E-Mail in Kontakt. "WhatsApp ist eine solche Hilfe", sagt er. "Jetzt kann ich mit meinem Ältesten Hausaufgaben in Physik und Chemie machen." © UNHCR/Will Swanson