Roman Benkovic – “Zuhause” kann überall sein

© Daniela Pock

© Studio Grün – Daniela Pock

 

Ich bin im Alter von 12 Jahren aus Sarajevo, Bosnien und Herzegowina, geflüchtet, mit meiner Mutter. Mein Vater hat uns in einen der letzten Busse gebracht, die aus dem belagerten und bombardierten Sarajevo herausfuhren. Danach war Flucht fast nicht mehr möglich, bis 1995, als der Krieg vorbei war. Eigentlich wollten wir nicht flüchten, alle dachten die Lage wird sich schnell beruhigen, doch jeden Tag war es schlimmer, es wurden täglich immer mehr Menschen getötet. Meine Schule ist komplett niedergebrannt worden, gleich am Anfang des Krieges. So beschlossen meine Eltern, dass es besser wäre, dass ich und meine Mutter erst einmal flüchten.

Mein Vater ist in Sarajevo geblieben und hat als Kameramann für das staatliche Fernsehen weitergearbeitet, so weit man das konnte, im Kriegszustand. Die Stadt wurde von der serbischen Armee 3 Jahre lang systematisch bombardiert.

Mit dem Bus sind wir sehr lange gefahren, sicher um die 24 Stunden oder mehr, bis wir schließlich in München ankamen, bei der Schwester meines Vaters. Ich kam sofort in die Schule und lernte Deutsch innerhalb weniger Monate. Geplant war eigentlich eher kurz dort zu bleiben, “ein paar Wochen” bis sich die Lage beruhigt, sagte mein Vater beim Abschied.

Geblieben sind wir dann um die 6 Jahre, bis 1998. Mitte 1995 kam auch mein Vater nach, als sich die Lage wirklich beruhigte. Er hatte um die 40 kg abgenommen und war erst einmal geschockt vom Leben in Deutschland. Essen in Überfluss, keine Granaten mehr.

In Deutschland konnten wir aber nicht bleiben, da die Behörden 1998 eine Rückführung forderten, und so sind wir auch wieder zurück nach Sarajevo, was für mich als 18-Jährigen eine ziemliche Umstellung war. Aber man passt sich schnell wieder an die neue Situation an, ich schloss in Sarajevo mein Gymnasium ab, inskribierte Germanistik und versuchte Jobs zu kriegen, bis ich 2004 nach Österreich umzog, und mein Studium fortführte.

Ich lebe immer noch in Österreich, während meine Eltern noch in Sarajevo sind. Den Krieg wird niemand von uns jemals vergessen.

© Daniela Pock

© Roman Benkovic

Für mich sind die Parks und Wälder in Wien sehr wichtig, weil ich da entspannen, Sport machen und mit dem Hund gehen kann. “Zuhause” bedeutet für mich, dort zu leben, wo ich viele Freunde habe, und das kann eigentlich überall für mich sein. Österreich ist nach Bosnien und Deutschland schon das dritte Land, in dem ich lebe.

 

Die Fotos entstanden im Rahmen des Projekts “This is my Place”, in dem Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund verschiedene Orte in Wien, die für sie etwas besonderes sind, vielleicht sogar “Heimat” bedeuten, mit fotografischen Mitteln festhielten.

Projekt & Portrait von Daniela Pock (www.studio-gruen.net)


Jede Familie, die durch Krieg zerrissen wird, ist eine zu viel

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