Capoeira bringt Stimmung von Olympia in die Demokratische Republik Kongo

Die Teilnahme des 10-köpfigen Refugee Olympic Team an den Olympischen Spielen 2016 hat Flüchtlingen weltweit Hoffnung gegeben.

Ein junger Capoeirista trainiert im Mole-Flüchtlingscamp in der Demokratischen Republik Kongo. © UNHCR/Kate Thompson Gorry

MOLE, Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) – Es ist Mittag im Mole-Flüchtlingscamp und die Sonne steht hoch am Himmel, während eine Gruppe von Flüchtlingen mit ihren Capoeira Übungen den rotbraunen Boden aufwirbelt.

Rhythmische Musik erfüllt die Luft während zwei Capoeiristas sich gegenseitig im roda, dem Kreis der singenden und trommelnden Zuschauer, umzingeln. Viele der im Camp lebenden Flüchtlinge sind zu diesem Spektakel erschienen, unter ihnen viele Kinder.

„Wenn wir singen, dann fühlt es sich so an als wären wir hoch in der Luft, als wären wir wieder Kinder“, sagt der 17-jährige Porter Kokolo Diack, einer der Capoeira-Champions im Camp. „Wir vergessen alles Schlechte wenn wir im roda sind.  Wenn wir singen, dann können wir vergessen und sind motiviert. Es macht uns glücklich.“

Die brasilianische Kampfkunst verbindet Elemente des Tanzes, der Akrobatik und Musik. Die Ursprünge lassen sich in Angola und den beiden Kongos wiederfinden. In Mole, einem Flüchtlingscamp im Norden der DR Kongo, in dem mehr als 14.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik leben, ist Capoeira weit verbreitet.

Eingeführt wurde die Kampfkunst vor circa zwei Jahren vom UNHCR und seiner Partnerorganisation ADSSE. Gedacht war es als Freizeitbeschäftigung, die Frieden und Versöhnung fördern und die Spannungen zwischen den Flüchtlingen mindern sollte. Die Capoeristas im Mule-Flüchtlingscamp trainieren dreimal die Woche.

„Capoeira ist Frieden und Selbstbeherrschung.“, sagt Trainer Aristote Makola Gardinois. Der 31-jährige Aristote ist selbst ehemaliger Flüchtling aus Angola. „Capoeira hat mir dabei geholfen, meine Selbstdisziplin und meinen Teamgeist zurückzugewinnen.“

Nachdem sein Vater ermordet wurde, floh Gardinois als Fünfjähriger mit seiner Familie vor dem Krieg in Angola. Er wurde Teil einer Capoeira-Gruppe in Kinshasa, der kongolesischen Hauptstadt. So konnte er sein kreatives Potential ausschöpfen und hatte einen Gegenpol zu den Problemen und Gefahren seines täglichen Lebens, wie zum Beispiel den Straßengangs, die Kulunas genannt werden.

„Ich habe in Kinshasa mit Capoeira angefangen, um die Kulunas zu vermeiden. Selbst meine Freunde sind ihnen beigetreten. Ich wollte kein Teil davon sein und so habe ich mich stattdessen für Capoeira und eine Ausbildung entschieden.“

Gardinois ist jetzt kongolesischer Staatsbürger, aber er weiß genau, was es heißt Flüchtling zu sein. Er kennt das Bedürfnis nach Liebe und Harmonie. Er ist davon überzeugt, dass Capoeira Spannungen mindern und Versöhnung vorantreiben kann, zudem den Flüchtlingen zu einem friedvolleren Umgang im Camp und mit der kongolesischen Bevölkerung verhilft.

„Bevor wir Capoeira hatten, gab es Probleme. Capoeira hat uns Frieden, Selbstbeherrschung und Zuneigung gezeigt“, sagt Diack, einer von Gardinois‘ Schülern. „Jetzt leben wir friedvoll miteinander, wir können uns entspannen und beherrschen. Wir kommen gut mit der kongolesischen Bevölkerung zurecht, manchmal treffen wir uns abends alle zusammen für Capoeira. Und dann bringen wir sie nach Hause.“

Capoeira hat auch der 39-jährigen Marie Fangoule, vierfache Mutter, geholfen das Kriegstrauma zu überwinden. Vor drei Jahren musste sie ihr Zuhause in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, verlassen.

„Wir sind geflohen, weil wir zu viele Leichen gesehen haben, zu viele tote Menschen auf der Straße. Es schmerzt, so viel Blut zu sehen. Wir konnten es nicht mehr ertragen. Deswegen sind wir nun hier.“, erzählt Marie. „Wenn ich Capoeira mache, dann fühle ich mich gut, dann vergesse ich meine Probleme.“

Während die Capoeiristas in Mole sich im roda umkreisen, sind ihre Gedanken beim Flüchtlingsteam in Rio. Sie können sich gut mit dem Team identifizieren.

„Wir glauben an sie und ihren Erfolg.“, sagt Diack. Die Teilnahme des 10-köpfigen Refugee Olympic Team an den Olympischen Spielen 2016 hat Flüchtlingen weltweit Hoffnung gegeben.

„Es fühlt sich gut an zu wissen, dass die Welt uns nicht vergessen hat. Tief im Inneren sehen wir uns nur noch als Flüchtlinge, als ob wir nichts könnten. Aber genug damit. Auch Flüchtlinge haben Talente und können etwas zur Gesellschaft beitragen.“, fügt Diack hinzu.

Die Capoeiristas in Mole hoffen, dass auch sie eines Tages die Chance haben werden, nach Brasilien zu reisen um dort ihre Künste zu verbessern. Aber auch nach Hause, in die Zentralafrikanische Republik, wollen sie die neu erlernte Kampfkunst bringen.

„Wir träumen davon, dass wir Capoeira eines Tages nach Bangui bringen können“, sagt Diack.