Erstes olympisches Flüchtlingsteam schreibt Geschichte

Zum ersten Mal in der Geschichte tritt das Olympic Refugee Team bei den Olympischen Spielen an. Ein Zeichen für Frieden und internationale Solidarität.

RIO DE JANEIRO, Brasilien – Die zehn Mitglieder des Refugee Olympic Teams gingen vergangenen Freitag in die Geschichte ein, als sie als erstes Flüchtlingsteam der Welt bei der Eröffnungszeremonie in Rio ins Maracanã Stadion einliefen. Sie wurden mit tosendem Beifall und Standing Ovations empfangen.

Rose Nathike Lokonyen, eine 23-jährige Läuferin aus dem Südsudan, führte das Team hinter der Olympischen Flagge ins Stadion, wo viele unterstützende Rufe und eine begeisterte Menge sie bereits erwarteten.

Die jungen Sportler stammen ursprünglich aus dem Südsudan, Syrien, der Demokratischen Republik Kongo und Äthiopien. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben sie es so weit geschafft. Dafür haben sie in Brasilien viele Freunde und Bewunderer gefunden.

Rose war acht Jahre alt, als sie vor dem Krieg ins Kakuma-Flüchtlingscamp im Norden von Kenia floh. Seitdem lebt sie dort.

„Ich bin sehr aufgeregt. Dies ist das erste Mal, dass Flüchtlinge an den Olympischen Spielen teilnehmen. Das gibt uns Hoffnung. Wir wollen die junge Generation von Flüchtlingen, die in den Camps leben, dazu ermutigen ihre Talente weiter zu verfolgen“, sagte sie gegnüber UNHCR in einem Interview vor der Eröffnungszeremonie.

US-Präsident Obama sprach dem Team vor der Zeremonie seine Unterstützung aus.

„Heute abend wird das erste Flüchtlingsteam der Welt beweisen, dass Erfolg nicht davon abhängt, wo man herkommt.“

Für Rose und ihre Teamkollegen war die Aussicht darauf, bei Olympia – der wichtigsten aller Sportveranstaltungen – dabei sein zu können, noch vor wenigen Monaten ein sehr ferner und unwahrscheinlicher Traum.

„Für uns hat alles erst vor ein paar Monaten begonnen, also können wir unsere Zeiten nicht mit denen der Spitzensportler vergleichen. Aber wir werden unser Bestes geben. Flüchtling zu sein bedeutet nicht, dass du weniger wert bist als Andere, auch wenn es sich oft so anfühlt. Wir können all das, was andere auch können.“, sagte Rose gegenüber UNHCR nach einem anstrengenden Training.

Die Eröffnungszeremonie begann mit einer spektakulären Feier brasilianischer Kunst und Kultur. Geschätzten eine Milliarde Zuschauer wurden traditionelle brasilianische Musik und Tanz dargeboten.

Als die Familie von Rose im Kakuma-Flüchtlingscamp erfuhr, dass Rose bei der Eröffnung die Olympische Flagge tragen wird, waren sie begeistert.

„Ich bin so froh, dass sie die Flagge tragen wird“, sagt Rose’s jüngerer Bruder Tom Namilo. „Ich werde sehr glücklich sein, wenn ich sie mit der Flagge sehe.“

Noch vor einem Jahr schwamm Rose’s Teamkollegin Yusra Mardini in der Ägäis um ihr Leben. Das dünne Schlauchboot, das sie von der Türkei nach Griechenland bringen sollte, begann auf halbem Weg zu sinken. Jetzt hat sich ihr Schicksal dramatisch gewendet und die 18-jährige Syrerin tritt bei den Olympischen Spielen gegen die besten Sportler der Welt an.

„Wir sprechen nicht die selbe Sprache und wir kommen von verschiedenen Kulturen, aber die Olympische Flagge vereint uns alle und wir sind hier um über 60 Millionen Menschen auf der Flucht weltweit zu vertreten. Wir sind sehr glücklich zusammen als Team. Wir wollen unser Bestes geben, um zu zeigen, dass wir gute Sportler und gute Menschen sind.“, so Yusra gegenüber UNHCR.

„Ich werde nicht daran denken, wer neben mir ist oder wo diese Person herkommt. Das Einzige, woran ich denken werde, ist wie ich schwimme. In meinem Kopf bin ich eine Schwimmerin.“

Vergangene Woche hatte IOC Präsident Thomas Bach den Mitgliedern des IOC jedes der zehn Teammitglieder einzeln vorgestellt. Zudem zollte er UNHCR Anerkennung für seine  Arbeit für Flüchtlinge sowie für die Zusammenarbeit mit dem IOC bei der Entstehung des Teams.

„Diese Sportler sind ein Beispiel für ein friedliches Miteinander auf der Welt. Sie zeigen uns, dass es möglich ist, sich in Wettbewerben gegenüber zu treten und gleichzeitig in Frieden miteiander zu leben. Das ist der wahre Geist von Olympia, Einheit und Vielfalt.“, verkündete Bach.

„Ohne die Hilfe des UNHCR hätte dieses Team nicht entstehen können. Die Teilnahme von Flüchtlingen an den Olympischen Spielen ist ein Zeichen der Hoffnung für Flüchtlinge weltweit. Zuvor hatten sie kein Land oder eine Flagge, mit der sie hätten antreten können. Doch jetzt ist das anders.“

Rose’s Landsmann, der 21-jährige Yiech Pur Biel, ist seit mehr als zehn Jahren Flüchtling. Er sagt, das IOC und UNHCR seien für ihn fast so etwas wie Eltern; seine eigenen lernte er kaum kennen.

„Die Menschen glauben, dass wir im Flüchtlingscamp nur herumsitzen. Aber das stimmt nicht. Wir werden nie vergessen, was IOC und UNHCR für uns getan haben, sie waren wie Eltern zu uns. Wir haben das Gefühl, zur Gemeinschaft dazuzugehören, als Gleichberechtigte. Diese Olympischen Spiele sind für mich der Anfang eines neuen Lebens und sie werden unser Leben für immer verändern. Danke und Gott segne Euch alle!“

Vergangenen Donnerstag besuchte sie UN-Generalsekretär Ban-Ki-moon. Er wünschte ihnen alles Gute und sagte ihnen, sie würden für alle Flüchtlinge weltweit Geschichte schreiben.

Auch der Papst wünschte dem Team mit Millionen von Menschen viel Glück.

„Ich grüße Euch und wünsche Euch das Beste für die bevorstehenden Spiele in Rio. Möge Euer Mut und Eure Stärke sich in den Olympischen Spielen widerspiegeln und somit ein Zeichen für Frieden und Solidarität setzen. Möge die Menschheit durch Euch verstehen, dass ein friedvolles Miteinander möglich ist.“, schrieb der Papst.

IOC Ehrenpräsident Jaques Rogge, einer der Leiter des Teams, sprach mit Leidenschaft über die Bedeutung des Sports im Leben junger Flüchtlinge und Binnenvertriebener.

„Eine Großzahl der Flüchtlinge sind junge Menschen. Sie haben noch so viel zu gewinnen in ihrem Leben und sie haben das Recht, als normale Bürger und Bürgerinnen wahrgenommen zu werden.“