Richard Solder erzählt Geres Geschichte

 © privat Gere aus Eritrea hat eine Menge Talente. Hier begeistert er mit seiner Stimme die Menge bei einem Fest,

Endlich war Gere der Star. Er hatte es nicht leicht gehabt beim Neustart in Österreich. Ohne irgendjemand zu kennen. Ohne die Sprache zu können. Die ersten Wochen in der Fußballrunde, zu der ich ihn mitnahm, wird er kaum etwas verstanden haben. Beim gemütlichen Beisammensitzen nach dem Kicken wurde in unterschiedlichsten Dialekten gesprochen – Oberösterreichisch, Vorarlbergerisch, Deutsch mit kosovarischem Akzent etc. Die Gruppe ist bunt gemischt. Gere war da meistens zurückhaltend und zog beim zuhören konzentriert die Augenbrauen zusammen.
Bei den Gesprächen zu zweit erfuhr ich noch am meisten von dem Mittzwanzigjährigen: Unter anderem über die schlimme Situation in Eritrea. Die dortige Militärdiktatur isoliert sich von anderen Staaten, befindet sich mit praktisch all seinen Nachbarn im Clinch und verpflichtet die jüngeren Generationen, jahrelang Militärdienst zu leisten. Kritik oder gar Opposition ist in Eritrea nicht erlaubt. Die Gefängnisse sind voll – und berüchtigt.
Keine Frage, Gere liebt trotz allem sein Land und die Leute. Das sah ich am Unabhängigkeitstag, dem 24. Mai. Jedes Jahr feiert die kleine eritreische Community diesen Tag. Das Land ist jung, erst 1993 konnte es sich nach einem langen Konflikt von Äthiopien abspalten.
Dass Gere tanzen kann als gäbe es kein Morgen mehr, wusste ich. Auch als DJ habe ich ihn schon erlebt. Aber, dass er auch ein toller Sänger ist, erfuhr ich erst an diesem 24. Mai 2013. Stundenlang begleitete er die tanzende Menge, bis er keine Stimme hatte.
Gere hat so viele Talente, dachte ich mir damals. Hoffentlich erkennt Österreich das und gibt ihm hier eine neue Perspektive. Bis jetzt klappt das noch nicht so toll: Gere, der subsidiär schutzberechtigt ist, wäre gern Pfleger, hat sogar erste Vorkenntnisse und Erfahrungen aus der Heimat mitgebracht. Obwohl gerade bei diesem Beruf hierzulande Bedarf herrscht, haben es die – sehr wohl bemühten – Organisationen und Behörden nicht geschafft, den Eritreer in diese Richtung zu führen. Die Frohnatur Gere stört das zwar, wenn man mit ihm darüber redet – aber nur kurz. Bald lächelt er wieder und verbreitet positive Energie, so wie er als Sänger Menschen zum Tanzen bringt.

© privat Gere aus Eritrea hat eine Menge Talente. Hier begeistert er mit seiner Stimme die Menge bei einem Fest.


Jede Familie, die durch Krieg zerrissen wird, ist eine zu viel

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