Dem Traum ein kleines Stück näher

Ahmads großer Traum ist es Fußballprofi zu werden. Der Krieg in Syrien machte es unmöglich für ihn seiner großen Leidenschaft in seiner Heimat nachzugehen. Jetzt hat er es in Deutschland in das Perspektivteam von Hertha BSC geschafft.

Ahmad Al Zaher

BERLIN, Deutschland – Heute stehen mehr Jungs als sonst auf dem Spielfeld des BSC Marzahn in Berlin. Acht Mannschaften sind heute bei dem Berliner Verein zu Gast, um den 15. Berliner Volksbank Cup auszutragen.

Einer unten ihnen ist der achtjährige Syrer Ahmad. Er trägt heute allerdings nicht das Trikot seines Vereins SV Babelsberg 03. Ahmad läuft in blau-weiß ein. Die Farben vom Berliner Erstligisten Hertha BSC.

Ahmad ist Teil des Perspektivteams von Herthas Nachwuchsprogramm „Hardys Vision“. Mit speziellen Fördertrainings werden in jedem Altersbereich Spieler gesichtet, die für Hertha in der neuen Saison an den Start gehen sollen. Jedes Jahr werden die 100 besten eines Jahrgangs ausgewählt. Ahmad hat die Chance in die Mannschaft der Unter-Neunjährigen von Hertha aufgenommen zu werden.

Doch das ist heute für ihn nur Nebensache. „Ich möchte einfach Fußball spielen. Ich liebe Fußball. Es ist das Beste auf der Welt“, sagt Ahmad umgeben von den Jungs aus seinem Team.

Ahmad und seine Familie flohen im Oktober 2015 aus Syrien nach Deutschland. Die Auswirkungen des Kriegs  zwangen die Familie ihre Heimat im Nordwesten Syriens zu verlassen und den gefährlichen Weg über Libanon, die Türkei und mit Schleppern nach Griechenland auf sich zunehmen.

Dass Ahmad großes Talent hat, wurde seinem Vater schon früh bewusst. „Ahmad hat mit dem Ball gespielt, noch bevor er richtig laufen konnte. Er hat nie etwas anderes gemacht als Fußball zu spielen“, erzählt Ahmads Vater Mohammed. Schon früh sagten Ahmad viele in seiner Heimat eine große Fußballkarriere vorher. Gerne würde Ahmad einmal so bekannt werden wie Christiano Ronaldo. Er ist sein großes Vorbild.

Auch jetzt auf dem kalten Bolzplatz im Berliner Norden sind die großen Vorbilder Ronaldo, Messi und Co. überall präsent. Die Jungs sind aufgeregt und voller Vorfreude, dass es gleich losgeht, dennoch sind sie erstaunlich routiniert. Ahmad steht von Anfang an auf dem Platz und strahlt über beide Ohren. Beobachtet man ihn fallen sofort seine große Begeisterung und seine Fähigkeiten auf. Er dribbelt gekonnt über den Platz und holt beim Schuss aufs Tor eine Ecke für die Mannschaft raus. Von Ahmads Talent sind auch die Trainer überzeugt: „Er hat einen starken linken Fuß, eine gute Technik und Ehrgeiz“, sagt Hertha-Jugendtrainer Carsten Hund.

 

„Woher jemand kommt spielt hier keine Rolle. Das sind einfach Kinder, die zusammen kicken wollen.“

 

Ahmad spielt am liebsten im Sturm, bevorzugt links außen. Bei den Spielern in Ahmads Alter gibt es allerdings noch keine festen Positionen. Alle Positionen werden durchgewechselt. Dass Ahmad aus Syrien kommt und sein Deutsch noch nicht perfekt ist, ist hier kein Thema. „Woher jemand kommt, spielt hier keine Rolle. Das sind einfach Kinder, die zusammen kicken wollen“, sagt Carsten Hund. „Wir sind ein bunt gemischtes Team und alle kommen super miteinander klar.“

Ahmads Vater steht gespannt am Spielfeldrand und feuert Ahmad an. Er hat selbst einmal Fußball gespielt, als Torwart für die U18 in Syrien. Wegen einer Verletzung musste er jedoch seine Fußballkarriere an den Nagel hängen. Jetzt setzt er all seine Hoffnung auf Ahmad. Er möchte ihm die bestmögliche Perspektive eröffnen. „In Syrien war es einfach nicht mehr möglich zu leben. Wir hatten dort keine Perspektive mehr“, sagt Mohammed. In Deutschland würde er gerne ein Restaurant eröffnen mit guter syrischer Küche. Denn das sei schwer zu finden, sagt er.  Zunächst konzentriert er sich aber darauf, Deutsch zu lernen.

 

„In Syrien kann ich kein Fußball spielen, aber hier kann ich spielen wann ich will.“

 

In Potsdam hat die Familie ein neues Zuhause gefunden und sich ein neues Leben aufgebaut. „Wir vermissen Syrien sehr, aber wir sind froh, dass wir hier in Sicherheit leben können“, sagt Mohammed.  Ahmad spricht mittlerweile schon fließend Deutsch. Seine Eltern machen gute Fortschritte bei der Sprache. Oft sprechen sie auf Arabisch und Ahmad antwortet auf Deutsch. Vor kurzem sind Ahmad und seine Familie in eine größere Wohnung innerhalb Potsdams gezogen. Die neue Wohnung befindet sich direkt neben einem Fußballplatz. Man hat schnell erraten, wo Ahmad nach der Schule zu finden ist. „In Syrien kann ich kein Fußball spielen, aber hier kann ich spielen wann ich will“, sagt Ahmad.

Zweimal die Woche trainiert er bei seinem Fußballverein SV Babelsberg 03. Auch zwei seiner Schulfreunde spielen hier. Gemeinsam gehen sie in die erste Klasse einer Potsdamer Schule. Auf die Frage nach seinen Lieblingsfächern zählt Ahmad alle auf, die er in der Schule hat. „Wir schreiben auch Tests in der Schule. Die sind aber babyleicht“, erklärt Ahmad.

Vor zwei Monaten wurde seine kleine Schwester Fatima geboren. Sobald sie groß genug ist, wird Ahmad ihr das Fußballspielen beibringen.

Die Mannschaft von Hertha BSC geht am Ende des Turniers als Sieger vom Platz. Ahmad und die Jungs fallen sich um den Hals und klatschen die anderen Teams fair ab. Ahmad zeigt stolz seine Medaille. Ob er es am Ende in die U9-Auswahl von Hertha schafft ist nebensächlich. Denn Eines konnte der Krieg in seiner Heimat nicht zerstören: Ahmads Leidenschaft für den Fußball, die er an diesem Tag wieder unter Beweis gestellt hat.