Neue Anfänge und alte Erinnerungen

Newruz aus Homs in Syrien lebt bei Claudia und Tobias in Berlin. Sie wollten ein positives Zeichen setzen, denn das Thema Flucht ist auch Teil ihrer persönlichen Geschichte.

Newruz, Claudia und Tobias in Berlin. © UNHCR/Aubrey Wade

BERLIN, Deutschland – Newruz (20) ist syrischer Kurde und floh aus dem umkämpften Homs im Juli der vergangenen Jahres. Nach seiner Ankunft in Deutschland wurde er einer Asylunterkunft im sächsischen Meißen zugewiesen – Tobias‘ Heimatstadt.

Claudia und Tobias leben in Berlin, wollten aber wegen der vielen Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte ein positives Zeichen setzen. Während des nächsten Besuchs im sächsischen Elternhaus organisierte das Paar Führungen für die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Meißen. Newruz nahm daran teil und schnell entwickelte sich eine Freundschaft.

Claudia und Tobias, die beide in der ehemaligen DDR aufwuchsen flohen in den 1980er Jahren nach Westberlin; Claudia nur zwei Jahre bevor die Mauer fiel. „Am Ende des Tages sind wir doch alle Flüchtlinge“, sagt sie mit einem Lächeln.

„Als wir meinem Vater zum ersten Mal sagten, dass Newruz bei uns einziehen würde“, erzählt Tobias, „lachte er und seine Augen leuchteten. Ich hätte nicht mit einer so positiven Reaktion gerechnet. Er erzählte uns, dass 1945 in jedem öffentlichen Gebäude in Meißen Flüchtlinge untergebracht waren. Als er noch ein Kind war lebte eine Heimatvertriebene aus Polen eine Zeit lang bei der Familie. Der einzige Unterschied ist, dass sie heute von weiter her kommen.“

Letzten Dezember kam Newruz über Weihnachten für zehn Tage zu Besuch nach Berlin. „So konnten wir uns besser kennenlernen“, erzählt Claudia.

Letztlich, nach neun Monaten des Wartens auf die behördlichen Dokumente, durfte Newruz bei Claudia und Tobias im März dieses Jahres einziehen. Mit dem Einverständnis der Arbeitsagentur, das für die Miete aufkommt, konnte Newruz selbst entscheiden, wo er wohnen möchte. „Durch dieses Arrangement begegnen wir uns auf Augenhöhe“, berichtet Claudia, „manchmal ertappe ich mich, wie ich ihn ein bisschen bemuttere, weil wir Kinder in seinem Alter haben, aber zumeist sind wir wie WG-Genossen.“

„Berlin und Homs sind sich ganz ähnlich“, sagt Newruz, „was das Essen angeht, das Radfahren durch die Stadt, vielleicht sind die Märkte hier ein wenig größer … Meißen war ganz anders, aber Berlin ist meine Stadt und ich habe sogar ein paar Freunde gefunden.“

Drei Stunden täglich nimmt Newruz an einem Sprach- und Integrationskurs teil und hat gerade ein Praktikum an der nahegelegenen Montessori-Schule beendet – eine Erfahrung mit Folgen. In Syrien hatte er eine Ausbildung als Elektriker begonnen, möchte aber nun umsatteln und Erzieher werden.