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Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Beschluss vom 22. April 1992-E 1249584-432

Publisher Germany: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
Author Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
Publication Date 22 April 1992
Citation / Document Symbol E 1249584-432
Cite as Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Beschluss vom 22. April 1992-E 1249584-432, E 1249584-432, Germany: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, 22 April 1992, available at: http://www.refworld.org/cases,DEU_BUNDESAMT,3ae6b72d14.html [accessed 25 June 2017]
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Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge

- Anerkennungsverfahren -

22. Apr. 1992

BESCHEID

In dem Asylverfahren des X

ergeht folgende Entscheidung:

1.         Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wird abgelehnt.

2.         Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen vor.

Begründung:

Der Antragsteller, vietnamesischer Staatsangehöriger, reiste am 25.11.1991 in den Geltungsbereich des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) ein. Am 20.12.1991 stellte er Antrag auf Anerkennung, als Asylberechtigter.

Zur Begründung führte er aus, daß er Vietnam verlassen habe, da es dort keine Freiheit gäbe. Er habe bereits 1987 versucht, auf dem Schiffswge illegal nach Hongkong zu gelangen, sei aber aufgegriffen und zu einer mehrmonatigen Haftstrafe veurteilt worden. Nach seiner Entlassung habe er einige Zeit weiter unter Beobachtung gestanden, indem er an bestimmten Feiertagen unter Arrest gestellt worden sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

1.

Dem Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter kann nicht entsprochen werden. Der Antragsteller erfüllt nicht die Voraussetzungen des Art. 16 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG).

Gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch Verfolgter ist nach den von der Rechtsprechung - in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention - entwickelten Grundsätzen, wem in seinem Heimatland bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so daß ihm ein Verbleib bzw. die Rückkehr in sein Heimatland nicht zuzumuten ist (vgl. BverfGE 541, 341; BVerwGE 67, 184). Soweit andere. Rechtsgüter als Leib, Leben oder persönliche Freiheit des Betroffenen unmittelbar gefährdet sind, vermögen nur solche Beeinträchtigungen einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter zu begründen, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, a.a.O.).

Wird die Verfolgungsfurcht aus Tatbeständen hergeleitet, die der Asylsuchende erst nach dem Verlassen des Heimatstaates aus, eigenem Entschluß geschaffen hat, so kommt eine Asylberechtigung gemäß Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 GG in aller Regel nur dann in Betracht, wenn dieser selbstgeschaffene Nachfluchttatbestand sich als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthaltes im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellt, mithin als notwendige Konsequenz einer dauernden, die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.86 - 2 BvR 1058/85 -). Dieser auf den Nachfluchttatbestand exilpolitischer Betätigung zugeschnittenen Leitlinie kann weitergehend der Grundgedanke entnommen werden, daß bei Entstehung jedes subjektiven Nachfluchtgrundes eine ausweglose Lage bestanden haben muß, der subjektive Nachfluchtgrund also Folge einer im Heimatstaat vorhandenen Zwangslage sein muß. Voraussetzung hierfür ist, daß sich der Asylbewerber aus politischen Gründen in einer zumindest latenten Gefährdungslage befunden hat (vgl. BVerwG, Urteile v. 21.06.88 - 9 C 5.88 - u. v. 06.12.88 - 9 C 22.88 -).

Für den Nachweis dieser Verfolgungsfurcht genügt, soweit zur Begründung des Asylbegehrens Ereignisse außerhalb des Geltungsbereichs des Asylverfahrensgesetzes angeführt werden, wegen des sachtypischen Beweisnotstandes im Asylverfahren die bloße Glaubhaftmachung dieser Vorgänge.

Für sogenannte Nachfluchtgründe ist jedoch der volle Nachweis zu erbringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, DÖV 1979, 447).

Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß er sein Heimatland aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat.

Asylbegründende Tatsachen, die vor dem Verlassen des Heimatlandes eingetreten sind (Vorfluchtgründe), stehen dem Antragsteller nicht zur Seite.

Der Antragsteller hat zwar glaubhaft, gemacht, daß er wegen eines früheren Versuchs, Vietnam illegal zu verlassen, strafrechtlich belangt worden ist. Insoweit war er zu diesem Zeitpunkt politisch verfolgt, indem der vietnamesische Staat auf den Versuch des Antragstellers, die persönlichen Freiheitsrechte durch Flucht in ein freiheitliches Land zu verwirklichen, mit strafrechtlichen Zwangsmitteln reagierte.

Abgesehen davon stellt für Boat-People eine Bestrafung gem. Art. 89 des vietnamesischen Strafgesetzbuches eine politische Verfolgung dar (VG Stuttgart, Urteil 1991-04-18, A 8 K 8552/88).

Nach Verbüßung der Strafe war der Antragsteller jedoch keiner politischen Verfolgung mehr ausgesetzt. Die von ihm dargestellten, sich an die Haft anschließenden Arrestmaßnahmen erreichten nicht den für eine asylrechtliche Relevanz notwendigen Intensitätsgrad. Der Antragsteller wurde durch diese zeitweiligen Maßnahmen der Behörden auch nicht so nachhaltig beeinträchtigt, daß ihm ein weiteres Verbleiben in seinem Heimatland nicht mehr, zuzumuten gewesen wäre. Die Beeinträchtigungen des Antragstellers gingen über das Maß dessen nicht hinaus, was unter den in seiner Heimat bestehenden politischen Verhältnissen alle vietnamesischen Staatsangehörigen hinzunehmen haben, die dort in vergleichbarer Situation leben.

Auch der Umstand, daß der Antragsteller Vietnam mit auf seinen Namen lautenden Reisepaß nach Kontrolle durch die vietnamesische Grenzbehörde ungehindert verlassen konnte, zeigt das fehlende Verfolgungsinteresse seines Heimatstaates. Erfahrungsgemäß wird ein Staat, der einen Bürger - aus welchen Gründen auch immer - verfolgen will, diesen nicht aus seinem Hoheitsgebiet ausreisen lassen.

Insoweit ist es auch völlig unerheblich, ob die Behauptung des Antragstellers zutrifft, Paß und Ausreiseerlaubnis über Dritte durch die Zahlung von Bestechungsgeld ausgestellt erhalten zu haben.

Vorfluchtgründe konnte der Antragsteller somit nicht glaubhaft machen.

Der Antragsteller kann sich auch nicht auf Nachfluchtgründe berufen. Anhaltspunkte für das vorliegen eines beachtlichen Nachfluchtgrundes sind nicht ersichtlich.

Ein Verfolgungsgrund könnte insofern durch den Verbleib im Bundesgebiet und die Asylantragstellung entstehen. Da der Antragsteller damit seine Beziehungen zum Heimatland abgebrochen hat, dürfte der Tatbestand des Art. 89 (VStGB (illegales Verbleiben im Ausland) erfüllt sein.

Die in Frage kommenden Nachfluchttatbestände können dem Asylverfahren jedoch nicht zum. Erfolg verhelfen, da es sich im vorliegenden Fall um sogenannte unbeachtliche subjektive Nachfluchtgründe handelt; denn der Antragsteller befand sich nicht in einer latenten Gefährdungslage im Sinne der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die ihn zu diesem Nachfluchtverhalten gedrängt hätte.

2.

Allerdings liegen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor.

Nach dieser Rechtsvorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit, wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sind.

Im allgemeinen haben nach Vietnam zurückkehrende Asylbewerber weder wegen des illegalen Verbleibens im Ausland noch wegen der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung zu rechnen.

Diese Auffassung wird im Anschluß an die Entscheidung des VG Oldenburg/Kammern Osnabrück (5 A 782/90. OS v. 26.06.1991 und 5 A 143/91. OS v. 01.07.91), den Beschluß des Niedersächsischen OVG (1106003/91 5 A 755/90. OS v. 07.08.91), sowie die Urteile des VG Gießen vom 06.11.1991 (III/VE 12368/91; III/1 E 12049; III/II E 10813/91) vertreten. Sie basiert auf den von der zitierten jüngsten Rechtsprechung erarbeiteten Bewertungsergebnissen, die die bisherige Entscheidungspraxis des Bundesamtes in vollem Umfang bestätigen.

Vorliegend zwingt jedoch die Besonderheit des Einzelfalls zu einer anderen Beurteilung. Da der Antragsteller bereits wegen Verstoßes gegen Artikel 89 des vietnamesischen Strafgesetzbuches bestraft worden ist, muß davon ausgegangen werden, daß er bei Rückkehr wegen des illegalen Verbleibens im Ausland in Verbindung mit der Asylantragstellung von den zuständigen vietnamesischen Behörden als unbelehrbarer Wiederholungstäter betrachtet wird und erneut mit Gefängnis, zumindest aber mit Umerziehungslager zu rechnen hätte.

Unter solchen Umständen ist dem Antragsteller die Rückkehr in, das Heimatland nicht zuzumuten.

Die beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich auf beide Entscheidungen, die getrennt voneinander angefochten werden können, ist Bestandteil dieses Bescheides.

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