Risiko für Hungertod steigt in Teilen Afrikas und Jemen

UNHCR warnt vor dem zunehmenden Risiko eines Massensterbens durch akute Mangelernährung in Teilen der Bevölkerung am Horn von Afrika, Jemen und Nigeria.

Die zweijährige Nyanchau Teny trinkt eine Infusion aus Blättern des Niembaums in Rumbek im Südsudan. Pflanzenteile des Niembaums werden genutzt um Husten, Durchfall und Erbrechen zu behandeln. © UNHCR/ Rocco Nuri

Genf –  Hintergrund dieser Warnung ist die viele Länder betreffende Dürre und ein so erhebliches Finanzierungsdefizit, dass eine vermeidbare humanitäre Krise in der Region nun ausausweichlich ist und möglicherweise schlimmere Folgen haben wird als die Krise 2011.

Schon jetzt nimmt das Ausmaß der Vertreibung zu und zwingt UNHCR die prognostizierten Zahlen für die Region nach oben zu korrigieren. So wurde die ursprünglich Planzahl von 60.000 Neuankünften aus dem Südsudan in den Sudan für dieses Jahr bereits auf 180.000 erhöht. Ähnliches gilt für Uganda, wo wir jetzt mit 400.000 statt den ursprünglich prognostizierten 300.000 Flüchtlingen planen.

Insgesamt befinden sich rund 20 Millionen Menschen in diesen Ländern in Regionen, die direkt von einer Dürre betroffen sind, darunter 4,2 Millionen Flüchtlinge. Große Einbrüche bei Ernten, der Konflikt im Südsudan in Kombination mit der Trockenheit führt zu Hungersnot und Fluchtbewegungen. Die unsichere Lage in Somalia führt zu einer hohen Vertreibung innerhalb des Landes. Zudem ist die Rate akuter Mangelernährung sehr hoch, die besonders Kinder und stillende Mütter betrifft. In der Dollo Ado Region im Südosten Äthiopiens sind 50 bis 79 Prozent der neuankommenden somalischen Flüchtlingskinder (im Alter von sechs Monaten und fünf Jahren) von Mangelernährung betroffen.

Kinder machen rund die Hälfte aller Flüchtlinge aus (sogar 62 Prozent unter Flüchtlingen aus dem Südsudan) und sind wie viele andere Flüchtlinge fast gänzlich auf Nahrungsmittelhilfe durch das UN-Welternährungsprogramm (WFP) angewiesen. Ohne die finanziellen Mittel, um Nahrung zu kaufen, müssen die Rationen drastisch gekürzt werden. In Dschibuti wurden die Nahrungsrationen um 12 Prozent gekürzt, in Äthiopien, Tansania und Ruanda um 20 bis 50 Prozent und in Uganda bis zu 75 Prozent. Viele Flüchtlinge haben keinen vollen Zugang zu Existenzgrundlagen, Landwirtschaft oder selbstständiger Lebensmittelproduktion. Ihre Möglichkeiten für sich selbst zu sorgen und damit ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen sind stark eingeschränkt.

Vor diesem Hintergrund sind die Risiken für Kinder besonders groß. Schon jetzt können viele von ihnen keine Schule besuchen. Allein in Kenia können aufgrund der Dürre 175.000 SchülerInnen nicht mehr die Schule besuchen. In Äthiopien mussten 600 Schulen schließen. Insgesamt könnten rund fünf Millionen Kinder in den nächsten Wochen und Monaten betroffen sein.

Auch in Somalia verändern sich die Dynamiken der Vertreibung. Von den 500.000 seit November vertriebenen Menschen sind allein 278.000 im ersten Quartal dieses Jahres geflüchtet. Mehr als 72.000 Flüchtlinge haben in der Hauptstadt Mogadischu Zuflucht gesucht. Rund 69.000 haben sich nach Baidoa im Südwesten des Landes aufgemacht. Somalia sieht sich weiterhin mit einer sehr komplexen Situation aus Abwanderung und Rückkehr (hauptsächlich aus dem Jemen) konfrontiert.

Die Hungersnot betrifft auch Teile des Südsudans. Bereits im Februar warnten UN-Organisationen, dass die Kämpfe, die Sicherheitslage, der fehlende Zugang zu Hilfe und die zusammenbrechende Wirtschaft dazu führen, dass rund 100.000 Menschen akut vom Hungertod bedroht sind und eine weitere Million Menschen am Rande einer Hungersnot stehen.

Im Jemen, wo sich mit 19 Millionen auf Unterstützung angewiesene Menschen die größte humanitäre Krise der Welt abspielt, sind rund 17 Millionen unter ihnen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Der Nahrungsmittelbedarf wird als der entscheidende Faktor für Vertreibung in drei Viertel aller Regionen, in denen Binnenvertriebene leben, genannt.

Im Norden Nigerias sind sieben Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen und brauchen Unterstützung. Besonders schlecht ist die Situation in Teilen der Bundesstaaten Borno, Adamawa und Yobo. Dort wird erwartet, dass bis Juni 5,1 Millionen Menschen bei der Klassifizierung der Ernährungssicherheit (Integrated Food Security Phase Classification) bei den schlechtesten Werten 3 und 5 eingeordnet werden.

Zusammen mit Partnern verstärkt UNHCR seine Anstrengungen vor Ort und erinnert die internationale Gemeinschaft daran, dass die Dürre am Horn von Afrika von 2011 mehr als 260.000 Menschen das Leben kostete – die Hälfte von ihnen waren Kinder unter fünf Jahren. Eine Wiederholung dieser Ereignisse gilt es um jeden Preis zu verhindern. Unsere Einsätze im Südsudan, Somalia und Jemen sind nur zwischen drei und elf Prozent finanziert. Es ist dringend notwendig diese Defizite jetzt anzugehen.

UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi wird am 12. April 2017 in Berlin an einer hochrangigen außerordentlichen Sitzung teilnehmen. Zum sogenannten „Berlin Humanitarian Call – jointly against famine“ Meeting, das von Außenminister Sigmar Gabriel einberufen wurde, werden Geberländer, humanitäre Partner und Ersthelfer erwartet, um gemeinsam über die katastrophale humanitäre Situation vor Ort zu beraten und mehr Aufmerksamkeit dorthin zu lenken.