Familienzusammenführung: Banges Hoffen auf ein Wiedersehen

Viele Familien wurden durch Flucht und Vertreibung getrennt, doch rechtliche und technische Hürden können die Wiedervereinigung von Familien erschweren oder unmöglich machen. UNHCR setzt sich für den Abbau rechtlicher und praktischer Hürden ein.

© UNHCR/Gordon Welters

WIEN, Österreich – Ziad Asaad und Khulud Al-Nadir veranstalteten eine große, traditionell palästinensische Hochzeit in dem syrischen Flüchtlingslager, das sie ihr Zuhause nannten. Ziad hat in Österreich Zuflucht gefunden. Er betet, dass er bald wieder mit seiner Ehefrau vereint ist, um zu einem gemeinsamen Leben zurückkehren zu können.

„Ich denke jeden Tag an sie“, seufzt Ziad. „Aber was kann ich tun? Ich besuche meine Deutschkurse und versuche, mich so gut es geht zu konzentrieren.“

Der 21-jährige Ziad und die 25-jährige Khulud wurden von UNHCR Österreich auch im Rahmen einer Kampagne portraitiert, um Problembereiche bei der Familienzusammenführung von Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten zu skizzieren und Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

„Legale Einreisemöglichkeiten für Familienangehörige verhindern, dass sich Menschen auf gefährliche, irreguläre Fluchtwege begeben. Ein gemeinsames Familienleben spielt eine wichtige Rolle bei der Integration von Flüchtlingen. Glückliche Menschen machen gute Bürger“, so Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich.

Ziad hat in Österreich Asyl erhalten. Er ist jetzt in Sicherheit und hofft, bald wieder mit Khulud, seiner Ehefrau, vereint zu sein. © UNHCR/Gordon Welters

 

Rechtliche und technische Hürden führen jedoch dazu, dass Flüchtlingsfamilien jahrelang oder sogar dauerhaft getrennt bleiben. Eines der größten Probleme ist, dass Flüchtlinge zwar umgehend nach der Zuerkennung ihres Status eine Familienzusammenführung beantragen können, Personen mit „subsidiärem Schutz“ jedoch einer dreijährigen Wartefrist unterliegen. Diese unterschiedliche Handhabe ignoriert die Tatsache, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte häufig dasselbe Schicksal teilen und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können.

„Ein gemeinsames Familienleben spielt eine wichtige Rolle bei der Integration von Flüchtlingen. Glückliche Menschen machen gute Bürger.“

Eine technische Hürde hat dazu geführt, dass Ziad nun alleine in Wien ausharrt. Zur selben Zeit sitzt Khulud im Flüchtlingslager Khan Al-Shih in der Nähe von Damaskus fest.

Das österreichische Recht besagt, dass Familienangehörige von Personen, die den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen haben, ihren Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb der ersten drei Monate nach Statuszuerkennung einbringen müssen. Andauernde Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen hinderten Khulud jedoch daran, das Flüchtlingslager zu verlassen und in weiterer Folge die österreichische Botschaft fristgerecht zu erreichen.

Bis eine Lösung gefunden werden kann, versuchen Ziad und Khulud ihre Liebe über WhatsApp und Viber lebendig zu halten.

„Meine Neffen sind wie Söhne für mich… unter keinen Umständen hätte ich sie zurückgelassen.“

Ahmad Mansour, 36 Jahre alt, ist Lastwagenfahrer und stammt aus dem syrischen Homs. Auch er war einmal auf sein Smartphone angewiesen, um mit seiner Familie im Libanon in Kontakt bleiben zu können. Für Ahmad war dieser Kontakt so wichtig, dass er sogar auf eine dringend benötigte Zahnbehandlung verzichtete, um sich sein Telefon leisten zu können: „Wir waren stündlich in Kontakt, nicht nur alle paar Tage.“

Jetzt lebt Ahmad mit seiner Familie in Gaweinstal, einer Gemeinde in Niederösterreich. Bis hierhin war es für die Familie kein leichter Weg.

Gemeinsam mit seiner Frau Sara Al-Said zieht Ahmad nicht nur seine eigenen drei Söhne, Feras (11), Nabil (10) und Soheib (3) groß, er trägt auch die Verantwortung für seine Neffen Abdallah (17) und Mostafa (15).

„Es war eine romantische Geschichte“, so Ahmad. „Die Brüder der Mansour-Familie haben um die Schwestern der Al-Saids angehalten. Ich habe dann Sara geheiratet, mein Bruder Mohamad ihre Schwester, Nadakh.“

Mohamad, Nadakh und ihr sechsjähriger Sohn Mussa kamen bei einem Bombenangriff in Syrien auf tragische Weise ums Leben. Die zwei älteren Söhne, Abdallah und Mostafa, überlebten den Angriff. Daraufhin haben Ahmad und Sara ihre zwei Neffen bei sich aufgenommen, als wären sie ihre eigenen Kinder. Leider gab es keine Adoptionspapiere, die dies offiziell bestätigten konnten.

„Meine Neffen sind wie Söhne für mich“, so Ahmad. „Ich konnte kein ,Nein‘ akzeptieren. Ich hätte sie auf keinen Fall zur

ückgelassen.“

Nach österreichischer Gesetzgebung kommt nur die Kernfamilie, bestehend aus Eheleuten und deren minderjährigen Kindern, für eine Familienzusammenführung in Frage. In Koordination mit UNHCR konnte letztlich jedoch eine Lösung gefunden werden, die im Einklang mit existierendem Recht stand. Die beiden Neffen kamen über ein humanitäres Aufnahmeprogramm nach Österreich, während Sara und ihre Söhne mit Hilfe der regulären Familienzusammenführung einreisten.

Ahmad kam alleine nach Österreich, seine Route führte ihn über die Türkei, Griechenland und die Balkanstaaten. Das war im Juni 2015. Seine Neffen kamen im März 2016 in Beirut an, gefolgt von Sara und ihren Söhnen im Juni 2016. Eine flexiblere Auslegung des Familienbegriffs hätte die Wiedervereinigung der Familie Mansour beschleunigen können.

„Wir waren ein ganzes Jahr lang getrennt“, sagt Ahmad. „Ich war verrückt vor Sorge. Doch als meine Neffen ankamen, hatte ich zunehmend das Gefühl, dass alles gut wird.“

Die Mansours lassen viele schmerzliche Erinnerungen in Syrien zurück, ebenso wie Teile ihrer Verwandtschaft. Aber sie sind glücklich, wenn sie abends durch die Gassen des kleinen Winzerdorfs schlendern, in dem sie jetzt Zuhause sind.

„Es ist zu gefährlich, rauszugehen. Sie verlässt das Haus nur, um Lebensmittel einzukaufen.”

„Ich sage meinen Kindern, dass wir jetzt nach vorne schauen müssen, egal was wir durchgemacht haben“, sagt Ahmad.

Ahmad ist momentan auf der Suche nach Arbeit. Sara, die Psychologie studiert hat und vormals als Lehrerin gearbeitet hat, macht in Deutsch gute Fortschritte. Bis auf den Ältesten, Abdallah, gehen alle Kinder in die Schule.

Abdallah ist nicht mehr im Pflichtschulalter. Er träumt davon, Schauspieler zu werden und zeigt mir Videos seiner Comedy-Sketche. In einem tut er so, als würde er mit seiner Freundin telefonieren, während er seine Füße und dreckige Socken in einer Plastikschale wäscht.

https://www.youtube.com/watch?v=oMMc4Ltf52E

Solch unbeschwerter Spaß und ein normales Familienleben bleiben für Ziad und Khulud in weiter Ferne. Beide sind Palästinenser, geboren im Exil.

„Das syrische Camp in dem wir aufgewachsen sind, war wie eine Stadt“, sagt Ziad. „Ich habe Khulud auf der Straße getroffen und sie auf Anhieb gemocht. Bei unserer Hochzeit waren 200 Leute anwesend.“

2015 hat Ziad Syrien verlassen und ist zu seinem Vater geflüchtet, der sich bereits in Österreich aufhielt. Khulud blieb bei ihren Eltern in Syrien. Bald sorgten die dortigen Kämpfe dafür, dass sie das Khan Al-Shih Camp nicht mehr verlassen konnte. Khulud ist dort nach wie vor in Gefahr und Ziad sorgt sich täglich um sie.

„Es ist, als ob sie im Gefängnis wäre“, so Ziad. „Es ist zu gefährlich, rauszugehen. Sie verlässt das Haus nur, um Lebensmittel einzukaufen. Es ist jedes Mal dasselbe, wenn das Regime die Kontrolle über einen Bezirk übernimmt; die Menschen leiden. Entweder verkommt der Bezirk zur Geisterstadt oder die Bürger leben eingesperrt wie in einem Gefängnis.“

Ziad berichtet, dass zwei seiner Cousins entführt und später tot aufgefunden wurden. Andere Verwandte kamen bei Attacken durch Regierungstruppen ums Leben.

Wieso hat Ziad Khulud nicht mitgenommen, als er sich auf den Weg in Richtung Europa gemacht hat?

„Wir hatten nicht genug Geld, um die Überfahrt für zwei Personen zu bezahlen“, so Ziad. Außerdem wollte er sie nicht den Gefahren einer riskanten Meerüberquerung aussetzen.

„Mein Boot kenterte zwei Mal. Wir wurden gerettet und zurück in die Türkei geschickt. Beim dritten Versuch war ich erfolgreich. Ich habe Allah gedankt, dass Khulud nicht bei mir war. Wir sind dem Tod nur knapp davongekommen.“

„Wenn sie nach Österreich kommt, will ich, dass sie per Flugzeug anreist. Ich werde sie dann am Flughafen abholen.“