Shokat Ali – wie ich ein zweites Mal auf die Welt kam

© privat

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Als ich mein Zuhause verließ und mich von meiner Familie verabschiedete, war mir klar: Ich werde sie nie wieder sehen, nie nach Afghanistan zurückkehren. Ich hatte nichts dabei, kein Gepäck, keine Erinnerungsstücke.

Meine Reise war lang und beschwerlich, mehr als einmal dachte ich, ich würde es nicht schaffen. Zu wissen, dass mein altes Leben Vergangenheit und meine Zukunft unbekannt war, half nicht. In Österreich lebte ich anfangs in einem Flüchtlingsheim. Ich dachte meine Flucht war schlimm – doch die richtigen Schwierigkeiten begannen hier. Ich war wie ein neugeborenes Baby – ich konnte mich nicht verständigen oder verstehen, da niemand meine Sprache sprach, mich kaum fortbewegen, da ich nicht wusste wie oder wohin. Ich wusste nicht, wie man sich in der neuen, fremden Kultur verhält. Wie ein Kind musste ich erst alles lernen – Schritt für Schritt, Wort für Wort. Monatelang konnte ich nichts machen außer essen, schlafen, herumsitzen. Jeden Tag dasselbe.

Arbeiten durfte ich als Asylwerber nicht und kostenlose Deutschkurse waren für mich, da ich bereits 18 war, dort nicht vorgesehen – einen regulären konnte ich mir nicht leisten. Eines Tages, nach etwa zehn Monaten, telefonierte ich mit einem afghanischen Schulfreund, der mittlerweile in Indien lebt. Er erzählte von seinem Studium. Dann fragte er: „Und, was machst du so?“ Und ich musste antworten: „Nichts. Den ganzen Tag – nichts.“ Da wurde mir klar: Ich muss etwas ändern. Das ist kein Leben. Ich entschied mich vom Flüchtlingsheim in eine gemietete Wohnung zu ziehen – mit 290 Euro Grundversorgung im Monat musste ich mir alles finanzieren. Am nächsten Tag fuhr ich nach Wien und meldete mich dort für einen kostenlosen Deutschkurs an. Dort lernte ich meine Lehrerin Regina kennen, die für mich eine wichtige Stütze wurde. Nach meiner Anerkennung wollte ich studieren, doch mein Deutsch reichte nicht aus. Also schlug Regine eine Ausbildung vor.

© privat. Shokat Ali gewinnt den 1. Preis beim Lehrlingswettbewerb

© privat. Shokat Ali gewinnt den 2. Preis beim Lehrlingswettbewerb

Nach einem Gespräch mit einem afghanischen Bekannten, entschied ich mich Zahntechniker zu werden, denn ich wollte schon immer mit meinem Beruf Menschen helfen. Ich bekam eine Lehrstelle – von da an ging es bergauf. Ich nahm an Lehrlingswettbewerben teil und wurde in Wien erster und ein anderes Mal zweiter in ganz Österreich. Bald schließe ich meine Ausbildung hoffentlich erfolgreich ab. Gemeinsam mit Freunden gründeten wir einen Verein, der afghanischen Flüchtlingen zurück ins Leben hilft z.B. mit kostenlosen Workshops. Mit meiner Geschichte möchte ich ihnen Mut machen – denn jeder, der wirklich will, kann es hier schaffen!

Die Webseite des Vereins findet ihr unter: http://www.neuerstart.at/


Jede Familie, die durch Krieg zerrissen wird, ist eine zu viel

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