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Libanon - Länderinformationsblätter

Publisher Switzerland: State Secretariat for Migration (SEM)
Publication Date 1 July 1997
Cite as Switzerland: State Secretariat for Migration (SEM), Libanon - Länderinformationsblätter, 1 July 1997, available at: https://www.refworld.org/docid/466fe83c2.html [accessed 3 November 2019]
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1. Verfassung

1.1. Staatsname

Al-Djumhurija al-Lubnanija = Libanesische Republik

1.2. Staatssymbol und Staatswappen

Das Staatsemblem besteht aus drei horizontalen Streifen: zwei rote umrahmen einen weissen Streifen. Der weisse Streifen ist doppelt so hoch wie jeder der beiden roten Streifen. Im Zentrum des weissen Streifens befindet sich eine grüne Zeder. Rot und weiss sind die Farben der beiden traditionellen politischen Parteien Libanons, das heisst der Kaîsi und die Yemeni. Die Zeder vereinigt die beiden Gruppen. Alljährlich am 21. November findet zu Ehren des Staatswappens ein Nationalfeiertag statt.

1.3. Staatsform

Die libanesische Regierungsform wird durch die Verfassung vom 23.5.1926 mit Revisionen von 1927, 1929, 1943, 1990 und 1995 sowie durch den ungeschriebenen nationalen Pakt von 1943 bestimmt. Bei der Staatsform handelt es sich um eine parlamentarische demokratische Republik mit einem Mehrparteiensystem.

Nach 15 Jahren Bürgerkrieg (1975 - 1990), während denen die politischen Institutionen der Regierung einer Milizdiktatur gewichen sind, ist der Libanon - seit der Anwendung der Übereinkommen von Taef vom 22.10.1989, auch "Dokument der nationalen Versöhnung" genannt und der mit diesen verbundenen Revisionen (1990) - wieder auf dem Weg zu einer parlamentarischen Demokratie. Seit dem 21.9.1990 befindet sich das Land in der Ära der II. Republik.

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2. Soziales und Kultur

2.1. Bevölkerung

Gemäss der "Erhebung der statistischen Grunddaten über die Einwohner und die Wohnungen im Libanon", welche vom Sozialministerium 1996 durchgeführt wurde, bestand die libanesische Wohnbevölkerung aus 3,1 Millionen Einwohnern bei einer Fläche von 10'452 km². Dazu kommen ca. 11 Millionen im Ausland lebende Libanesen, vor allem in Amerika (U.S.A., Brasilien, Argentinien), in Westafrika und in Australien.

Die Alterspyramide der libanesischen Bevölkerung sieht wie folgt aus: 29,2% der Libanesen sind weniger als 15 Jahre alt, 63,8% sind im Alter zwischen 15 und 64 Jahren und 6,9% sind älter als 65 Jahre.

Nach Schätzungen lebt zwischen 78 und 87% der Bevölkerung in den Städten oder deren Agglomerationen, vor allem in der Hauptstadt Beirut (1,5 Millionen), Tripoli (500'000), Zahleh (200'000), Sidon (Saïda) (100'000), Baalbek (18'000) und Sur (Tyre) (15'000).

Anders als in anderen Ländern des Mittleren Ostens ist die libanesische Bevölkerung dadurch geprägt, dass sie sich aus Angehörigen verschiedenster Ethnien und Religionen zusammensetzt.

Traditionsgemäss ist die Bevölkerung in 17 grosse Religionsgemeinschaften aufgeteilt (s. Kap. 2.3.), aber sie besteht auch aus folgenden ethnischen Gruppen: Libanesen (82,6%), Palästinenser (9,6%), Armenier (4,9%), Syrer, Ägypter, Kurden, Europäer und andere (2,9%) (Schätzung von 1983).

Ausserdem wohnten 1994 ca. 1,1 Millionen Ausländer auf libanesischem Boden, wovon 92% die arabische Staatsangehörigkeit besassen; von diesen wiederum waren 87,5% (890'000) syrische Staatsbürger.

Im übrigen zählt der Libanon nach den verfügbaren Quellen zwischen 350'000 und 600'000 Palästinenser, wovon 349'773 offiziell als Flüchtlinge registriert sind (August 1996). Annähernd 55% davon leben in einem der 12 Flüchtlingslager der Regierung in der Nähe von Beirut (Mar Elias, Burj el-Barajneh, Bbayeh, Shatila), von Tripoli (Nahr el-Bared, Beddawi), von Sidon (Saïda) (Aïn el-Helweh, Mieh Mieh), von Sur (Tyre) (El-Buss, Rashidieh, Borj el-Shemali) und von Baalbek (Wavell). Zu diesen Lagern der Regierung kommen noch die Vororte und die Gegenden, in welchen sich die Palästinenser - übrigens oft illegal - eingerichtet haben, nachdem sie aus den Kampfgebieten geflohen sind. Sie nehmen verlassene Gebäude von Beirut oder von Sidon (Saïda) in Beschlag, bilden Elendsviertel (Beirut: Raouché, Mazraa, Hamra, Borj Abou Haïdar, Sportviertel), bilden spontan Kleinlager (Wali al-Zineh im Iqlim al-Kharoub) oder neue Ansiedlungen (Bekaa: Saadnayel, Talabaya, Bar Elias). Manchmal haben sie sich in den Zugängen der bestehenden Lager selbst eingerichtet, wie in Sikkeh in der Nähe von Aïn el-Helweh oder auch am Rande des Küstenstreifens zwischen Sidon (Saïda) und Beirut (an den Stränden von Saint-Michel und Saint-Simon bei Khaldé).

Nachdem die Palästinenser bis 1991 Nutzniesser der für sie günstigen Abkommen von Kairo waren, hat seither der Grossteil von ihnen Flüchtlingsstatus, mit welchem zahlreiche zivile und sozio-ökonomische Einschränkungen verbunden sind.

Nach dem Bericht des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (1996) leben noch weitere Flüchtlingsgruppen im Libanon, vor allem Iraker (1'165), Afghanen (550) und Sudanesen (202). Im Juni 1994 gewährten die libanesischen Behörden ca. 130'000 Staatenlosen das libanesische Bürgerrecht.

2.2. Sprache

Die offizielle Landessprache ist arabisch in Form syro-libanesischer und palästinensischer Dialekte. Das Arabisch wird von 93% der Bevölkerung gesprochen. Französisch und Englisch werden vor allem in der Wirtschaft und im Bildungswesen verwendet. Das im Libanon gesprochene Französisch ist oft mit arabischen Ausdrücken vermischt, was das "Franbanesisch" bildet. Es gibt noch weitere Sprachen, wie beispielsweise Kurdisch und Armenisch.

2.3. Religion

Der Libanon ist ein laizistischer, aber multikonfessioneller Staat. Die Verfassung sieht keine Staatsreligion vor. Im Gegenteil, sie garantiert vorbehaltlos die Gewissens- und Glaubensfreiheit sowie deren freie Ausübung. An die 17 Religionen oder Sekten sind im Libanon offiziell anerkannt, wovon 15 durch Gesetze und Dekrete organisiert sind.

Die Religionsgemeinschaften können in drei grosse Gruppen unterteilt werden: Die Christen (30 - 40%), die Moslems (60 - 70%) und die Juden. Mit Ausnahme der jüdischen Gemeinschaft, welche im Libanon eine verschwindend kleine Minderheit bildet (ca. 1'000), gliedern sich die beiden anderen Gemeinschaften in zahlreiche Gruppen:

Unter den Christen gibt es 12 Gemeinschaften, unterteilt in zwei grosse Gruppen:

- Gemeinschaften, welche die Autorität der römischen Kirche nicht anerkennen; das heisst die Griechisch-Orthodoxen, (300'000), die Syrisch-Orthodoxen oder Jakobiten (20'000), die Armenisch-Gregorianer (150'000), die Nestorianer (10'000) und die Evangelischen, welche von etwa 12 protestantischen Kirchen gebildet werden (40'000).

- die unter der Autorität des Papstes stehenden Gemeinschaften: Die Maroniten (775'000 - 1,8 Mio.), die Griechisch-Katholischen oder Melkiten (337'000), die Armenisch-Katholischen (12'000), die Syrisch-Katholischen (15'000), die Chaldäer (10'000), die Römisch-Katholischen (20'000). Zu beachten ist, dass die Maroniten im Libanon sowohl eine religiöse als auch eine politische Kraft bilden. Führer dieser Gemeinschaft ist der in Bkerké residierende Patriarch Nasrallah Pierre Sfeir. Die Kopten nehmen eine neue Stellung im Libanon inne, nachdem beim Besuch des Patriarchen von Alexandria 1995 die erste koptisch-orthodoxe Kirche des Landes eingeweiht wurde (Saint Marc). Diese Gemeinschaft von 2'000 Anhängern bleibt offiziell jedoch durch die syrisch-orthodoxe Kirche vertreten.

Unter den Moslems werden traditionellerweise drei Gemeinschaften unterschieden:

- Die Schiiten - welche vorwiegend den 12. Iman anerkennen (Ithna Acharya) und Jaafariten sind - bilden die grösste Religionsgemeinschaft im Libanon (32%). Ihr Führer ist der Scheich Abd al-Amir Qabalan, Abgeordneten-Präsident des höheren islamischen Rates der Schiiten (Dar al-Iftaa al-Jaafari). Die schiitischen Sekten der Ismaeliten und der Alauiten (50'000) sind im Libanon ebenfalls anzutreffen.

- Die Sunniten - hauptsächlich Hanefiten - bilden die drittgrösste Gemeinschaft im Libanon (21%), wenn von den Tausenden von sunnitischen Palästinensern abgesehen wird. Der Scheich Dr. Muhammad Rashid Qabbani trägt den Titel eines Mufti der Republik. Ihm steht ein höherer juristischer Rat zur Seite (Dar al-Fatwa al-islamiyah).

- Die Drusen bilden in religiöser Hinsicht eine einheitliche Gemeinschaft; hingegen sind sie, sozial gesehen, zwischen Yazbakis und Joumblatis unterteilt. Die etwa 200'000 Drusen stehen unter der geistigen Führung von Scheich Aql Druse und des Generalsekretärs Scheich Muhammad Abouchacra.

Die zahlreichen, durch den Bürgerkrieg verursachten Völkerverschiebungen - davon waren annähernd 800'000 Personen betroffen - haben die geographische Verteilung der Religionsgemeinschaften verändert. Die Verschiebungen tangierten 949 Dörfer vor allem im Zentrum und im Süden des Landes. Seit 1991 unternimmt die Regierung, trotz der damit verbundenen zahlreichen Schwierigkeiten und des Widerstandes gewisser örtlicher Gemeinschaften, Anstrengungen zur Wiederansiedlung dieser Personen in ihrer angestammten Umgebung. Dutzende von Dörfern wurden so wieder mit ihren ehemaligen Bewohnern bevölkert. Die beiliegende Darstellung gibt einen Überblick über die Verteilung der Gemeinschaften im Libanon.

Die Schiiten leben hauptsächlich im Südosten Beiruts, in der Bekaa-Ebene (z.B. Baalbek) und im Süd-Libanon (z.B. Sidon [Saïda], Nabatieh). Die Sunniten sind in verschiedenen Städten im Süd-Libanon (z.B. Sur [Tyre]) und im Norden des Landes (z.B. Tripoli); die Drusen wohnen vorwiegend in den Bergen des Chouf; die maronitischen Christen leben in den Bergen oberhalb von Beirut (Metn und Kesrouan) sowie im Süd-Libanon, die Griechisch-Katholischen und die Griechisch-Orthodoxen in der Bekaa-Ebene (z.B. Zahlé) sowie im Nord-Libanon (Akkra).

2.4. Schul- und Bildungswesen

Obwohl der Libanon keine Schulpflicht kennt, sind nur 13,6% der Bevölkerung Analphabeten (1996), d.h. 9,2% Männer und 17,8% Frauen.

Das öffentliche Schul- und Bildungswesen ist vierstufig:

1. Der öffentliche Unterricht dauert fünf Jahre (11. - 5. Grad).

2. Die Zwischen- oder Zusatzausbildung dauert drei bis sieben Jahre (6. - 10. Grad) und wird mit der Mittleren Reife ("Brevet libanais") abgeschlossen.

3. Nach Beendigung seiner Grundausbildung kann der Schüler entweder den Sekundarunterricht von drei Jahren (11. - 13. Grad) mit Maturitätsabschluss ("Baccalauréat"), oder eine Berufs- oder Technikerschule mit Staatsdiplomabschluss ("Diplôme d'Etat") wählen.

4. Nach Abschluss der Sekundarausbildung können die Studierenden die akademische Laufbahn in einer der zahlreichen Universitäten einschlagen. Diese befinden sich hauptsächlich in Beirut (z.B. die Libanesische Universität), aber auch in Louaize, Baabda, Balamand, Jounieh, Tripoli. Die Studierenden können, nach Beendigung ihrer Ausbildung an einer der spezialisierten Technika, ihre Ausbildung in einer der technischen Hochschulen fortsetzen (z.B. die Hochschule für Kunst und Gewerbe von Beirut). Es gibt auch Fakultäten und höhere Schulen für christliche Theologie (z.B. die theologische Fakultät der Universität Saint-Joseph [USJ] und Institute für islamische Studien [z.B. das Zentrum von Makassed, die Fakultät des Imam al-Ouzaï]).

Das öffentliche Unterrichtswesen im Libanon wird von jeher durch das private Unterrichtswesen konkurrenziert. Die Statistik weist eine deutliche Bevorzugung der Schüler für die Privatschulen aus, und zwar auf Primar-, Sekundar- und der höheren Stufe. So waren 1992 1'287 öffentliche Schulen gegenüber 1'159 Privatschulen und 354 Berufs- und technischen Schulen zu verzeichnen, wovon nur 29 öffentlich waren. Für diese Bevorzugung eines privaten Unterrichtswesens gibt es zwei Gründe: Einerseits widerspiegelt es die kulturellen und konfessionellen Verhältnisse, und anderseits gewährleistet es eine bessere Ausbildung.

2.5. Medizinische Infrastruktur

Seit 1994 ist der Höhere Rat für Gesundheit (Conseil supérieur de la santé, CSS), welcher dem Gesundheitsministerium untersteht, für die Gesundheitspolitik im Libanon verantwortlich. In seinem Auftrag wird der CSS von der Vereinigung der Ärzte und Apotheker, den Privatspitälern und den Dekanen der medizinischen Fakultäten im Libanon unterstützt.

Der Libanon verfügt über ca. 8'000 Ärzte (1995), davon jährlich 750 neue, welche entweder in einer der drei medizinischen Fakultäten (libanesische Universität, amerikanische Universität, Universität Saint-Joseph) in Beirut, oder im Ausland ausgebildet werden. Wenn der Libanon heute auf der einen Seite eine Ärzteschwemme ausweist, mangelt es anderseits an gut ausgebildetem Krankenpersonal, vor allem auf dem Land.

Die Gesundheitsdienste im Libanon sind im allgemeinen auf einem durchschnittlichen bis guten Niveau. 1995 wurden 159 öffentliche und private Spitäler, 133 private Kliniken und Entbindungsheime sowie mehr als 313 (1986) Notfallstationen und Sanitätsposten des öffentlichen und privaten Sektors gezählt. Das libanesische Rote Kreuz ist die grösste private Organisation unter den zahlreichen karitativ und konfessionell tätigen Vereinigungen. Die Spitalinfrastruktur ist im allgemeinen von durchschnittlicher bis sehr guter Qualität, sofern es sich um Privatspitäler handelt, wie das Hôtel-Dieu de France und das amerikanische Spital. Der Libanon verfügt heute über eine Infrastruktur, welche die folgenden wichtigsten spezialmedizinischen Bereiche vollständig abdeckt: Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Krebsbehandlung, Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie, Ophtalmologie, Psychiatrie, Kardiologie, Neurologie, Gastroenterologie, Urologie, Gynäkologie und Nuklearmedizin. Dennoch ist zu erwähnen, dass diese Infrastruktur ungleichmässig auf das ganze Land verteilt ist und dass die Mehrzahl der erwähnten Dienste, welche modernste Technik benötigen, im allgemeinen in den Privatspitälern der Hauptstadt zu finden sind.

Die ärztliche Versorgung im Libanon kann als zufriedenstellend gelten, vor allem dank der Tatsache, dass praktisch sämtliche Medikamente verfügbar sind. Dabei ist zu bemerken, dass die Medikamente dank der Existenz von Notfallstationen teilweise ebenfalls in den ländlichen Gebieten verfügbar sind.

Was das öffentliche Fürsorgewesen anbelangt, ist das Medizinalwesen dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterworfen. Obwohl die in den öffentlichen und privaten Einrichtungen grosszügig erbrachten, von Staates wegen gewährleisteten Dienstleistungen kostenlos sind, verbessert der vom Patient oder seiner Familie gewährte Bakschisch oft die Sorgfalt bei der Versorgung. Diese mangelhaften Leistungen der Nationalen Sozialversicherungskasse (Caisse nationale de la sécurité sociale, CNSS) führen im allgemeinen die Meistbegüterten dazu, eine Privatversicherung abzuschliessen, welche ihre individuellen Bedürfnisse, ja selbst die Behandlung im Ausland, abzudecken vermag.

3. Frau und Familie

Es ist schwierig, von der Stellung der Frau in der libanesischen Gesellschaft eine allgemeingültige Darstellung zu geben, zumal diese Stellung von der sozialen Klasse, der Zugehörigkeit zu Konfession oder Gemeinschaft, dem Ausbildungsniveau sowie vom geographischen Umfeld der Frau abhängig ist.

Von der Verfassung her steht die Frau in gleichen Rechten wie der Mann. Die auf patriarchalischer Tradition und auf einem gemeinschaftlichen System gegründete libanesische Gesellschaft auferlegt der Frau indessen eine Vielzahl von Einschränkungen. Diese betreffen in erster Linie den persönlichen Status (z.B. Heirat, Scheidung, Erbfolge und Kinderbetreuung) sowie das sozio-ökonomische Leben der Frauen, welches oft mit dem traditionellen Bild der Frau am Herd einhergeht. Eine Frau jedoch, welche eine höhere Ausbildung genossen hat, aus der Mittel- oder Oberschicht stammt und in einer der grossen urbanen Zonen wohnt, lebt mit wesentlich weniger Zwängen als diejenigen in den ländlichen Gebieten. Solche Frauen entgehen somit den durch das Brauchtum auferlegten Einschränkungen und können sich leichter emanzipieren. Sie können mithin Tätigkeiten in der Regierung, der Verwaltung, der Justiz, dem Gesundheitswesen, den Schulen, den Universitäten und selbst im dem üblicherweise den Männern vorbehaltenen Finanzbereich ausüben. Es ist jedoch anzumerken, dass das politische Leben im allgemeinen den Männern vorbehalten ist. Das hindert allerdings die Frauen nicht daran, ein sehr aktives, manchmal oppositionelles Vereinsleben zu führen.

4. Medien

Die Presse-, Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit sind innerhalb der vom Gesetz festgelegten Schranken gewährleistet. Seit der Rückkehr zur Normalisierung 1991 haben die sich folgenden Regierungen schrittweise Einschränkungen gegenüber Fernsehen, Radio und Presse eingeführt.

Was die audiovisuellen Medien anbelangt, hat die Regierung der unkontrollierten Zunahme der Radio- und Fernsehstationen, wie sie während des Bürgerkriegs üblich war, ein Ende gesetzt, indem sie zwei neue Gesetze betreffend Medien erliess. Das Gesetz Nr. 382 vom November 1994 legt die grossen Linien der libanesischen audiovisuellen Organisationen fest und verpflichtet alle Privatstationen dazu, eine Betriebsbewilligung einzuholen. Zudem unterscheidet dieses Gesetz zwei Kategorien von libanesischen Stationen, diejenigen, welchen es erlaubt ist, Programme und Nachrichten politischer Natur auf dem ganzen libanesischen Territorium zu verbreiten, und diejenigen, welchen dies nicht erlaubt ist. Das Dekret Nr. 7997 vom 29.2.1996, ursprünglich für die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen erlassen, auferlegt jedoch weitere Einschränkungen, und zwar sowohl auf der Ebene der Modalitäten zum Erlangen der Lizenz als auch in Form von Bestimmungen über die Sendeberufspflicht. Die Folge davon war, dass die Anzahl der erlaubten Radiostationen 1996 von ca. 150 auf elf, und die Anzahl Fernsehstationen von 52 auf sechs zurückging. Lediglich drei Radio- und drei Fernsehstationen dürfen Informationen politischen Inhaltes senden.

Was die Presse anbelangt, ist sie nicht nur durch das Gesetz vom 14.9.1962, mit späteren Änderungen, sowie durch das Gesetz Nr. 112 von 1983 über die Druckerzeugnisse, sondern auch durch gewisse Bestimmungen des "Syrisch-libanesischen Übereinkommens über Militär und Sicherheit vom September 1991" geregelt. Diese Bestimmungen verbieten insbesondere diejenigen Informationen, welche das öffentliche Interesse betreffend falsche oder erlogene Nachrichten verbreiten und dadurch der Sicherheit des Libanon oder Syriens zuwiderlaufen, die freundschaftlichen Beziehungen mit ausländischen Staaten gefährden, den Präsidenten oder den Premierminister verleumden, die öffentliche Ordnung stören, Rassenhass hervorrufen oder religiöse Gefühle anstacheln. 1996 wurden mehrere Zeitungen und Journalisten durch das Spezialgericht für Publikationen als der Verletzung einer dieser verschwommenen Regeln für schuldig befunden, so Ad-Diyar, Al-Liwa, Nida al-Watan, al-Kiffah al-Arabi und al-Massira.

Diese staatlichen Massnahmen veranlassten die Verantwortlichen von Presse und audiovisuellen Medien, eine Selbstzensur auf ihren Veröffentlichungen einzuführen und allzu sensible Themen zu meiden. Ausserdem sind einzelne Medien finanziell weiterhin von gewissen Gruppen abhängig und verkörpern Partisaneninteressen.

4.1. Nachrichtenagenturen

Der Libanon verfügt über zahlreiche nationale und internationale Presseagenturen. Aus libanesischer Sicht sind zwei Organisationen hervorzuheben:

- Die libanesische Pressegewerkschaft (Syndicat de la presse libanaise). Diese Vereinigung von Berufsjournalisten wurde 1911 gegründet und ist unabhängig.

- Die nationale Informationsagentur (Agence nationale de l'information). Sie wurde 1962 gegründet und steht unter staatlicher Kontrolle.

4.2. Zeitungen und Zeitschriften

Nach Angaben des Informationsministeriums gab es 1995 zehn grosse Tageszeitungen auf etwa 40 Zeitungen, 96 Zeitschriften (Wochen- und Monatszeitschriften) und 273 verschiedene Publikationen. Diese Publikationen erscheinen hauptsächlich in den folgenden Sprachen: Arabisch, Französisch, Englisch, Armenisch und Spanisch.

Hier einige Tageszeitungen:

- Al-Amal (Die Hoffnung). 1939 gegründet. Arabisch. Im Besitz der Kataeb-Partei.

- Al-Anwar (Lichter). 1959 gegründet. Arabisch. Unabhängig.

- Aztag. 1927 gegründet. Armenisch.

- Al-Hakika (Die Wahrheit). Arabisch. Im Besitz der Bewegung Amal.

- An-Nahar (Der Tag). 1933 gegründet. Arabisch. Unabhängig.

- An-Nidaa (Der Ruf). 1959 gegründet. Arabisch. Im Besitz der libanesischen kommunistischen Partei (PCL).

- Nidaa al-Watan. 1937 gegründet. Arabisch. Im Besitz einer maronitischen Oppositionsbewegung.

- L'Orient-Le-Jour. 1942 gegründet. Französisch. Unabhängig.

- Sawt al-Uruba (Die Stimme Europas). 1959 gegründet. Arabisch. Organ der An-Najjadé-Partei.

- Zartonk. 1937 gegründet. Armenisch. Organ der armenischen demokratisch-liberalen Partei.

Hier einige Periodika:

- Al-Ahad (Sonntag). Arabisch. Organ der Hisbollah.

- Al-Akhbar (Die Nachrichten). 1954 gegründet. Arabisch. Im Besitz der PCL.

- Al-Hadaf (Das Ziel). 1969 gegründet. Arabisch. Organ der Volksfront für die Befreiung Palästinas (FPLP).

- Al-Hurriya (Freiheit). 1960 gegründet. Arabisch. Stimme der FDLP (Demokratische Front für die Befreiung Palästinas) und der Organisation für die kommunistische Aktion im Libanon (OACL).

- Al-Massira. 1985 gegründet. Arabisch. Im Besitz der ehemaligen libanesischen Streitkräfte.

- Al-Afkar Amal. 1975 gegründet. Arabisch. Im Besitze der Amal-Bewegung.

- Fikr (Idee). Arabisch. Im Besitz der Nationalen Syrischen Sozialistischen Partei (PSNS).

4.3. Radio

Aufgrund des erwähnten Gesetzes gibt es nicht mehr als elf Radiostationen, welche die Erlaubnis haben, legal im Libanon zu senden, davon lediglich drei mit politischen Programmen: Radio Orient, National Broadcasting Network Radio und Radio Free Liban. Die neun übrigen Sender sind an verschiedene Interessengruppen, oft politischer Art, gebunden, wie die Stimme des Libanon (La Voix du Liban) der Kataeb-Partei, die Stimme der Enterbten (La Voix des Déshérités) der Hisbollah oder auch die Stimme des Berges (La Voix de la Montagne) der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP), und schliesslich das Radio des Mont-Liban (Radio du Mont-Liban) der griechisch-orthodoxen Familie Murr.

4.4. Fernsehen

Heute gibt es lediglich sechs Fernsehstationen im Libanon; sie sind alle direkt oder indirekt an die Macht gebunden:

- Télé-Liban (TL). 1959 gegründet, gehört der Regierung.

- Future Television. 1993 gegründet, steht dem Premierminister Hariri nahe.

- Murr Television (MTV). 1990 gegründet, steht dem Innenminister Murr nahe.

- National Broadcasting Network. Steht Nabih Berri nahe.

- Lebanese Broadcasting Compagny International (LBCI). Steht dem maronitischen pro-syrischen Abgeordneten Suleiman Franjieh nahe.

- Hingewiesen sei noch auf das Manar-TV, im Besitze der Hisbollah, welches ermächtigt ist, Informationen über die Aktivitäten der Widerstandsbewegung im Süd-Libanon auszustrahlen.

5. Wirtschaft

5.1. Volkswirtschaft

Die libanesische Wirtschaft erholt sich zunehmend, wobei diese Erholung wegen des Bürgerkrieges nur langsam erfolgt und in gewissen Sektoren während 1991 und 1992 gar eine negative Tendenz aufwies. 1996 hat sich die Tendenz zum Wachstum allgemein fortgesetzt (6,5% 1995, aber 4% 1996 wegen regionalen Spannungen), dies dank positiver Massnahmen zum Wiederaufbau und zur Ankurbelung der Wirtschaft durch die Regierung.

In Zahlen:

- Struktur des Bruttoinlandproduktes (PIB): Dieses verteilt sich auf die Landwirtschaft (13%), die Industrie (18%) und die Dienstleistungen (68%). Die Staatsverschuldung wuchs 1996 auf 11 Mia. US $, verursacht vor allem durch eine Erhöhung der Baukosten und der schwachen Staatseinkommen.

- Aussenhandel: Die Handelsbilanz war 1996 defizitär (5,92 Mia US $), was vor allem auf die starken Importe im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau, der Modernisierung des Automobilparks und der industriellen Wiederankurbelung zurückzuführen ist.

- Zahlungsbilanz: Sie weist einen Überschuss auf (786 Mio. US $ ), da sie von einem Kapitalzustrom von in das Ausland emigrierten Libanesen und von ausländischem Kapital zugunsten des Wiederaufbaus profitiert.

Aber diese Entwicklung, welche positiv erscheint, ist immer noch zu stark schwankend, um von wirtschaftlicher Stabilität sprechen zu können. Die grossen Arbeiten im Zentrum von Beirut (Horizont 2000) - politisches Symbol für eine nationale Versöhnung und internationales Bild des Erfolgs der Regierung Hariri - lassen nämlich die zahlreichen infrastrukturellen Defizite und die beträchtlichen Alltagsprobleme, welche der Grossteil der libanesischen Bevölkerung noch ertragen muss, nicht vergessen. Die kürzlich erfolgte israelische Militäroperation gegen den Libanon (April 1996), welche Schäden von etwa 500 Mio US $ verursachte, ausgenommen, haben die 15 Jahre Krieg praktisch jegliche Infrastruktur zerstört oder beschädigt: Verkehrswege, Häfen und Flughäfen, das Telekommunikationsnetz, Wohnungen, das Trinkwassersystem und das Gesundheitswesen. Dazu kommen eine schwache Währung, eine hohe Inflation (15%), ein Geist allgemeiner Korruption und ein immer tieferer Lebensstandard. So wird alles zu einer Quelle des Profits missbraucht, bis hin zum illegalen Handel mit Waffen und Drogen.

Die Lebensbedingungen im Libanon sind aus folgenden Gründen zerbrechlich und instabil: das Klima des Misstrauens unter den verschiedenen Glaubensgemeinschaften dauert an; die sozialen Spannungen werden durch die ungleiche Verteilung des Reichtums verschärft; die Kaufkraft bleibt schwach. Dazu kommen unverändert hohe Lebenshaltungskosten, während die Löhne zu niedrig sind, um einer Familie ein angemessenes Leben zu ermöglichen (Mindestlohn für alle Berufssparten [S.M.I.G.] von 300'000 LL oder ~200 $ am 2.5.1996); schliesslich trägt auch die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit nicht dazu bei, die Armut zu lindern, von welcher nach wie vor ein Drittel der Bevölkerung betroffen ist.

5.2. Beschäftigungssituation

Die erwerbstätige Bevölkerung beträgt offiziell ca. 900'000 Personen, davon 75% Männer. Dieses Arbeitskräftepotential wäre in Anbetracht der Bedürfnisse des Wiederaufbaus eigentlich ungenügend. Dennoch ist die Beschäftigungslage mit einer Arbeitslosenrate von 15 bis 30%, wovon vor allem die Jungen betroffen sind, äusserst ungünstig. Für diesen Widerspruch gibt es verschiedene Gründe:

- Da die libanesische Wirtschaft praktisch ausschliesslich auf den Tertiärsektor hin orientiert ist, führte dies zu einer Vernachlässigung der anderen Sektoren. So stösst man in Industrie, Gewerbe, Bauwesen und Landwirtschaft auf einen Mangel an qualifizierten libanesischen Arbeitskräften.

- Angesichts dieses Mangels sowie der Kosten im Bauwesen haben die libanesischen oder ausländischen Unternehmen (z.B. Solidère) auf billige Arbeitskräfte zurückgegriffen, welche froh sind, überhaupt Arbeit zu erhalten, wie die syrischen Arbeitskräfte (1994 auf 650'000 geschätzt) und die Palästinenser. Dadurch sind die Einheimischen von den manuellen Tätigkeiten ausgeschlossen.

- Schliesslich ist zu bemerken, dass die Jungen im Hinblick auf erhoffte bessere Verdienstaussichten im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung eine akademische Laufbahn bevorzugen. Doch viele von ihnen finden nicht die ihrer Ausbildung angemessene Arbeitsstelle. Manche verlassen den Libanon mit der Hoffnung, das Glück im Ausland zu machen.

5.3. Währung

Die Währung ist das libanesische Pfund (LL), welches 100 Piaster (PL) entspricht.

Es gibt im Libanon im wesentlichen zwei Geldsorten:

- Das Metallgeld, bestehend aus Münzen von 5, 10, 25 und 50 Piaster und 1 libanesischen Pfund.

- Das Papiergeld, bestehend aus Banknoten von 1, 5, 10, 25, 100, 250, 500, 1'000, 5'000, 10'000, 20'000, 50'000 und 100'000 Pfund. Die vier letzten Banknoten wurden 1994 eingeführt.

Es gibt keinen amtlichen Kurs für das libanesische Pfund. Es hat jedoch eine gesetzliche Parität, welche täglich von der Bank von Libanon im Verhältnis zu allen anderen ausländischen Devisen auf der Basis ihrer reellen Kurse auf dem Markt festgesetzt wird.

Im Juli 1997 hatte 1 US $ den Wert von 1537,67 LL.

6. Mobilität

6.1. Kommunikationsmittel

Jeder libanesische Staatsbürger kann sowohl innerhalb als auch ausserhalb seines Landes frei umherreisen. Die Bewegungsfreiheit ist wegen der Kontrollposten der Sicherheitskräfte (libanesische oder syrische Kräfte) auf den libanesischen Strassen und wegen drakonischer Beschränkungen in der Sicherheitszone des Süd-Libanons durch die proisraelische Miliz (ALS) etwas eingeschränkt. Dem Reisenden können zusätzliche Beschränkungen auferlegt werden:

- Der Ehemann kann seiner Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern verbieten, libanesisches Gebiet zu verlassen;

- Junge Männer im Militärdienstalter (18 - 30 Jahre) müssen über eine besondere Erlaubnis der Militärbehörden verfügen, wenn sie das Land legal verlassen wollen, oder nachweisen können, dass sie vom obligatorischen Militärdienst befreit sind oder diesen absolviert haben;

- Ein Aufenthalt in Israel ist für alle libanesischen Staatsbürger untersagt. Beizufügen ist, dass gewisse Libanesen Geschäftsreisen nach Israel unternehmen oder Ferienaufenthalte dort verbringen, wobei sie dank einer Erlaubnis der israelischen Behörden über den Süd-Libanon oder via Jordanien oder Zypern dorthin gelangen.

Offiziell verfügt der Libanon über ein 7'100 km langes Strassennetz (wovon 1'990 km Hauptstrassen), ein Eisenbahnnetz von 412 km (wovon nur die Linie Beirut - Rayak funktioniert), zwei zivile Häfen (Beirut und Jounieh) und fünf Handelshäfen (Beirut, Tripoli, Jounieh, Sidon [Saïda] und Sur [Tyre]). Seit 1992 investiert die Regierung in grossem Stil in den Wiederaufbau von Hafen und Flughafen von Beirut sowie in die Wiederinstandsetzung der wichtigsten Strassenverbindungen.

Routen, über welche man den Libanon verlassen kann:

Luftweg: Der Flughafen von Beirut (Khaldé) wird von mehr als 30 Fluggesellschaften angeflogen. Die Ausreise über den Flughafen bleibt die schnellste Möglichkeit, das Land zu verlassen, aber für eine gesuchte Person aufgrund der zahlreichen Kontrollen, bei denen auch EDV eingesetzt wird, auch die mit dem grössten Risiko verbundene. Libanesische Sicherheitskräfte und -angestellte sowie Mitglieder des syrischen Nachrichtendienstes arbeiten dort nebeneinander.

Seeweg: Die wichtigsten Zivil- und Handelshäfen (Tripoli, Jounieh, Beirut, Sidon [Saïda]) werden von den libanesischen Behörden kontrolliert. Während des Bürgerkrieges gab es etwa 15 illegale Häfen, in denen Schmuggel betrieben wurde. Seit dem 15.5.1991 wurden die meisten von ihnen von den Behörden geschlossen.

Landweg: Die Küstenstrasse Tripoli-Beirut-Sur (Tyre) und die Strasse Beirut-Damaskus sind die Hauptverkehrsachsen des Libanon. Sie erlauben die Verbindung mit Israel durch die Sicherheitszone im Süd-Libanon sowie mit Syrien durch die Bekaa-Ebene.

6.2. Reisepapiere

Folgende Papiere werden bei einer Rückkehr in den Libanon benötigt:

- Libanesische Staatsangehörige benötigen einen Reisepass oder eine Identitätskarte (gültig oder abgelaufen), oder einen Familienregisterauszug. (Einer von der Polizei mittels gerichtlicher Anordnung gesuchten Person wird kein Pass ausgestellt.)

- Syrische Staatsangehörige brauchen lediglich eine Identitätskarte, um über den Landweg in den Libanon einzureisen; für einen länger als drei Monate dauernden Aufenthalt benötigen sie einen Reisepass oder ein Visum. Im März 1994 haben Syrien und der Libanon ein Protokoll unterzeichnet, um die Grenzüberschreitung ihrer Staatsbürger zwischen den beiden Staaten zu erleichtern. Dieses Abkommen erlaubt es libanesischen Staatsbürgern, die weder einen Reisepass noch eine Identitätskarte besitzen, nur mit einer "Register-Bescheinigung" (Attestation de registre) in Syrien einzureisen.

- Die Palästinenser sind je nach Status besonderen Einschränkungen unterworfen: Sind sie bei der UNRWA als Flüchtlinge registriert, müssen sie gemäss den Konventionen von London von 1946 und von Genf von 1951 über einen gültigen 'Reiseausweis' (Travel Document) verfügen, um den Libanon verlassen zu können; die Palästinenser, welche dieser Kategorie nicht angehören, die aber im Libanon gemeldet sind, erhalten generell ein 'Reisedokument für palästinensische Flüchtlinge' oder manchmal ein 'Laissez-passer', wenn sie im Besitze einer von den libanesischen Behörden ausgestellten Flüchtlingskarte für Palästinenser (blau) sind.

Zu diesen Papieren kommt noch die Visumspflicht für alle Palästinenser hinzu, welche seit dem 25.9.1995 den Libanon verlassen oder wiederum dorthin zurückkehren wollen.

- Die Staatenlosen, sowie die offiziell nicht registrierten Palästinenser, die Kurden und andere müssen über ein gültiges 'Laissez-passer' verfügen, um reisen zu können.

Die Identität eines libanesischen Staatsbürgers war bislang mit Sicherheit erstellt, wenn er seinen Pass vorzeigte. Seit März 1997 hat die Regierung eine neue, zur Zeit (Juli 1997) fälschungssichere Identitätskarte herausgegeben. Sie verfügt vor allem über zahlreiche Sicherheitsmerkmale und ihre Daten werden vollumfänglich mittels EDV erfasst.

7. Regierung

7.1. Staatsoberhaupt

Der Präsident der Republik, ein maronitischer Christ, wird in geheimer Abstimmung mit einer Zweidrittelmehrheit der Stimmen durch die Abgeordnetenkammer für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt und ist nicht direkt wiederwählbar. Dennoch wurde der Präsident Elias Hraoui am 24.11.1989 gewählt und - nach einer Verfassungsänderung (Art. 49) - im Oktober 1995 für weitere drei Jahre in seinen Funktionen bestätigt. Das Staatsoberhaupt ist das Symbol für die nationale Einheit. Zu seinen Vorrechten gehört, dass er für den Erlass und den Vollzug von Gesetzen verantwortlich ist, doch bedürfen praktisch sämtliche seiner Entscheidungen der Zustimmung des Premierministers, welchem die Befugnis der Mitunterzeichnung zusteht.

7.2. Landesregierung

Infolge des im August 1990 aufgenommenen Übereinkommens von Taef in die libanesische Verfassung fand ein Machttransfer vom Präsidenten auf den Regierungschef statt.

Der Präsident des Ministerrates oder Premierminister ist zwingend ein Sunnit. Er wird vom Präsident nach Konsultation der Abgeordneten und des Präsidenten der Nationalversammlung ernannt. Das Ministerkabinett besteht aus 30 Ministern. Es muss die verschiedenen im Parlament vertretenen gemeinschaftlichen Strömungen widerspiegeln und ist ihm gegenüber verantwortlich. Folglich kann die Regierung theoretisch durch das Parlament gestürzt werden.

Unter der Präsidentschaft von Hraoui gab es im Libanon eine starke Regierungsinstabilität. Es folgten sich mehrere Ministerkabinette: S. Al-Hoss (13.11.1989 - 6.9.1991), O. Karamé (6.9.1991 - 6.5.1992), R. Al-Solh (18.5.1992 - 22.10.1992), R. Hariri (22.10.1992 - ). Dieser letztere wurde im Oktober 1996 ein drittes Mal ernannt.

Die erwähnte Instabilität der Regierungen hängt nicht in erster Linie mit der Zerbrechlichkeit der politischen Mechanismen zusammen, sondern mit der sozio-politischen Instabilität auf Grund mangelnder Legitimität von staatlichen Institutionen, mit den Nachkriegsspannungen unter den verschiedenen libanesischen Gemeinschaften und mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes. Ausserdem stellte die Regierung Ende 1996 noch immer nicht eine nationale pluralistische Koalition dar, sondern vereinigt weiterhin vor allem prosyrische Strömungen.

Seit der im Mai 1991 erfolgten Unterzeichnung verschiedener Verträge mit Syrien sowohl hinsichtlich wirtschaftlicher Belange als auch in Bezug auf Verteidigung und Sicherheit erfährt das politische System Libanons auch einen Eingriff in seine Unabhängigkeit. So unterliegt jegliche Entscheidung in Bezug auf die nationale oder regionale Sicherheit des Libanons der Billigung Syriens. Desgleichen geht jede Spannung oder Krise im Triumvirat - es vereinigt die drei libanesischen Präsidenten (Präsident der Republik, Regierungs- und Parlamentspräsident) - vor den obersten Schiedsrichter, das heisst den syrischen Präsidenten Hafez el-Assad. Trotz dieser 'de facto'- Bevormundung glauben gewisse politische Akteure, dass dies der Preis für die Gewährleistung der inneren Stabilität darstellt.

8. Parlament

Die Legislative besteht aus einer Kammer, der Nationalversammlung (Majlis An-Nuwab). Das alle vier Jahre gemäss dem Proporzwahlsystem gewählte Parlament setzte sich ursprünglich aus 99 Sitzen zusammen. Diese wurden nach religiöser Zugehörigkeit aufgeteilt, wobei allerdings die Christen in der Überzahl waren (im Verhältnis 6:5). Seit der Verabschiedung der Übereinkommen von Taef (Dokument der nationalen Einheit vom 22.10.1989), wurde die Anzahl der Abgeordneten sukzessiv von 108 1989 auf 128 1992 erhöht. Die Mandate werden zur Zeit zu gleichen Teilen, nämlich im Verhältnis 5:5 an Christen und Moslems vergeben. Die Sitze werden anschliessend im gleichen Verhältnis an die Gemeinschaften jeder Gruppierung sowie gleichmässig unter allen Regionen verteilt. Der Inhaber des Postens des Parlamentspräsidenten ist seit dem 20.10.1992 ein Schiit, M. Nabih Berri.

Die Sitzverteilung gestaltet sich wie folgt:

GRUPPE Vor Taef Nach Taef Seit 1992

CHRISTEN

Maroniten 30 30 34

Griech.-Orthodoxe 11 11 14

Griech.-Katholische 6 6 8
(Melkiten)

Armen.-Orthodoxe 4 4 5

Armen.-Katholische 1 1 1

Protestanten 1 1 1

Andere 1 1 1

TOTAL 54 54 64

MUSLIME

Sunniten 20 23 27

Schiiten 19 23 27

Drusen 6 7 8

Alaouiten - 1 2

TOTAL 45 54 64

GESAMTTOTAL 99 108 128

 

Die Parlamentswahlen von 1996 führten zu einer Konsolidierung der 1992 erzielten Ergebnisse. Das neue Parlament weist zur Hauptsache die folgenden charakteristischen Merkmale auf:

- Es repräsentiert wie 1992 weiterhin einen grossen Teil der politischen und gemeinschaftlichen Vielfalt der libanesischen Gesellschaft.

- Es festigt jedoch die für die prosyrische Politik günstigen Strömungen. Annähernd 75% der Abgeordneten stehen somit der Regierung Hariri nahe.

- Bis auf wenige Ausnahmen repräsentieren wenige Abgeordnete kritische Positionen gegenüber der Regierung. Die Opposition, ohne die Hisbollah, verfügt in der Tat lediglich über 6,25% der Sitze.

- Im Gegensatz zu 1992 gab es keinen massiven Boykott der christlichen Opposition, aber nur eine symbolische Teilnahme.

Zusammengefasst ausgedrückt bleibt die neue Nationalversammlung im wesentlichen nichtpluralistisch. Sie verfügt jedoch über eine grössere Legitimität des Volkes als 1992, obwohl gewisse Quellen auf zahlreiche Unregelmässigkeiten bei den Wahlen hinweisen.

Hinzuweisen ist noch auf die Anwesenheit von zwei Frauen im Parlament.

9. Verwaltung

Der Libanon ist in fünf Verwaltungskreise (Mohafazat: Nord-Libanon, Mont-Liban, Süd-Libanon, Bekaa und Beirut) aufgeteilt, die ihrerseits 24 Distrikte (Caza) umfassen. Die Distrikte sind ausserdem in etwa 678 Gemeinden (Wilaya) unterteilt (siehe die politische Karte).

Das Abkommen von Taef sieht eine Dezentralisierung und eine Erweiterung der Kompetenzen der Gouverneure und der Bürgermeister vor.

Die Regierung leitet die libanesische Verwaltung. Diese litt zwar, wie alle übrigen libanesischen Institutionen, während des 15 Jahre dauernden Bürgerkriegs an struktureller Lähmung, aber funktioniert wiederum normal. Die Verwaltung bleibt weiterhin stark korrupt und ist durch Vetternwirtschaft geprägt. Projekte für die Restrukturierung der Verwaltung sind im Entstehen, doch leidet die Verwirklichung von Reformen insbesondere im Hinblick auf die Erneuerung des Staatsapparates noch an Ineffizienz und Unstimmigkeiten.

Der Südlibanon, die durch Israel besetzte Zone, ist in einer besonderen Lage, sind doch dort 125 Dörfer direkt der Kontrolle der Israelis unterstellt, und 33 Dörfer werden durch die proisraelische Miliz, die Südlibanesische Armee (ALS), kontrolliert. Anders ausgedrückt werden diese Dörfer von einer zivilen und militärischen Verwaltung nach einem nichtlibanesischen System verwaltet. Die Dörfer der Zone dürfen unter bestimmten Bedingungen an den libanesischen Parlamentswahlen teilnehmen.

10. Wahlen

Das neue Wahlgesetz vom 24.6.1996 nimmt zum Teil die Elemente desjenigen vom Juni 1992 auf, sieht jedoch folgende Änderungen vor: Durchgeführt werden die (geheimen) Wahlen für ganz Libanon auf der Ebene des Mohafazat (Verwaltungskreise), mit Ausnahme des Mont-Liban, wo sie in den Caza (Distrikten) stattfinden. Diese Formel erlaubte gleichzeitig, in einem bestimmten Wahlkreis eine gewisse Klientel zu unterhalten, aber vor allem die Reihen der christlichen Opposition im Mont-Liban zu trennen. Dieses neue Gesetz erregte heftige Polemik auf Grund einer Beschwerde einiger Abgeordneten an den Verfassungsrat, wobei sie sich auf die Unvereinbarkeit des besagten Gesetzes mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bürger beriefen. Der Rat erklärte das angefochtene Gesetz für ungültig und gab der Regierung die Lösung vor, indem er ausdrücklich feststellte, es fehle an einer Ausnahmeklausel, welche eine Berufung auf "ausserordentliche Umstände" ermöglichen würde.

Die Parlamentswahlen von 1996 fanden zwischen August und September statt. Wie im Gesetz vorgesehen, wurden die Sitze innerhalb jeden Wahlkreises im Verhältnis der Gemeinschaften nach Proporz verteilt. Streng genommen bewirkt das Wahlsystem eine Majorz-Abstimmung gemäss der auf der Liste aufgeführten Namen. Das Mehrheitswahlrecht wird jedoch durch die Notwendigkeit der Verteilung nach Konfessionen gewichtet. Jeder Abgeordnete verkörpert nämlich normalerweise gleichzeitig seinen Wahlkreis und seine Religionsgemeinschaft. Der Sitz des Abgeordneten ist zwingend seiner Gemeinschaft vorbehalten, aber dieser Abgeordnete ist vom ganzen Wahlkreis gewählt. Da dieser konfessionell nicht vollständig einheitlich ist, präsentiert sich ein Kandidat auf einer multikonfessionellen Liste. Je grösser also der Wahlkreis ist, umso mehr ist der Kandidat, um gewählt zu werden, auf eine überparteiliche Unterstützung angewiesen (siehe Tabelle über die Verteilung der Gemeinschaften).

Die aus den Urnengängen von 1996 hervorgegangene Versammlung hat eine grössere Legitimität als diejenige von 1992, und dies trotz der zahlreich berichteten Wahlunregelmässigkeiten. Aus Sicht der Regierung ist die Wahlbilanz in doppelter Hinsicht eine positive: Einerseits wurde damit erreicht, dass das Parlament an Homogenität zugunsten einer prosyrischen Orientierung noch dazu gewann, anderseits, dass die christliche Opposition zwischen den Exillibanesen, welche zum Boykott aufriefen, und denjenigen im Land, welche zur Rückkehr zur Verfassungsmässigkeit bereit waren, aufgespalten wurde.

Was die Gemeindewahlen anbelangt, haben seit 1963 keine solchen mehr stattgefunden. Vorerst 1997, dann 1998 vorgesehen, beschloss das Parlament schliesslich ihre Verschiebung bis zum April 1999.

11. Recht und Gerichtswesen

Während des Bürgerkriegs war der Justizapparat vollständig lahmgelegt. Gegenwärtig funktionieren die gerichtlichen Institutionen auf dem ganzen Territorium wieder annähernd normal, mit Ausnahme der von Israel kontrollierten Sicherheitszone und der Palästinenserlager, welche ihre eigene Justiz haben.

11.1. Recht

Die Verfassung präzisiert durch allgemeine Begriffe, dass die richterliche Gewalt im Rahmen eines vom Gesetz umschriebenen Statuts funktioniert (Art. 20 der Verfassung). Es sind somit in erster Linie die Gesetzestexte und die Dekrete, sowie die dazugehörigen Strafbestimmungen, welche die Gerichtsorganisation, den Zivil- und Strafprozess festschreiben. Gewisse Privatrechtsbereiche, wie das Personenrecht, wurden jedoch der Gerichtsbarkeit der Gemeinschaften (islamisch, christlich und jüdisch) überlassen, welche von spezifisch konfessionellen Gesetzen oder Kodifkationen beherrscht werden.

Nachstehend die wichtigsten Strafgesetze:

- Das Gesetz über die Organisation der Rechtspflege von 1961

- das Gesetz über das Strafverfahren von 1948

- das Strafgesetzbuch von 1943

- das Militärstrafgesetzbuch von 1946, abgeschafft durch das Gesetz von 1968

Die libanesische Justiz macht momentan eine Krise durch. Obwohl verfassungsrechtlich unabhängig, ist sie von Eingriffen der politischen Behörden nicht verschont. Auch ist die Effizienz der Gerichtsbarkeit noch keineswegs optimal, vor allem auf Verfahrensebene, obwohl es den Anschein hat, dass die Urteile im ordentlichen Verfahren ergehen. In den Regionen, in welchen die staatliche Autorität nicht vollständig wiederhergestellt wurde, bleibt ihre Vollstreckung im Ungewissen. Ferner ist seit 1992 eine zunehmende Militarisierung der Justiz (Zunahme der Militärgerichte, der militärischen Untersuchungsrichter und Staatsanwälte) zu verzeichnen. So werden zahlreiche Fälle, die eigentlich in den Kompetenzbereich der ordentlichen Strafgerichte gehörten, immer öfters den Militärgerichten übertragen.

11.2. Ordentliche Gerichte

Die libanesische Gerichtsbarkeit besteht - wie diejenige Frankreichs - aus hierarchisch strukturierten Gerichten, welche in Zivil-, Straf- und Handelssachen entscheiden.

Schematisch dargestellt, wird die Struktur von drei Instanzen gebildet:

- Die Rechtsprechung der ersten Instanz (Friedensrichter und erstinstanzliches Gericht) ist zuständig für die ihr vom Gesetz übertragenen zivil- und strafrechtlichen Streitigkeiten. Der Libanon zählt etwa 56 erstinstanzliche Gerichte mit einem Einzelrichter.

- Die Rechtsprechung zweiter Instanz oder der Appellationshof behandelt die Appellationen gegen die Urteile der erstinstanzlichen Gerichte und beurteilt in erster Instanz die besonders schwerwiegenden Zivil- und Strafsachen. Der Libanon zählt elf Appellationshöfe, davon fünf in Beirut, bestehend aus je drei Richtern.

- Die Rechtsprechung dritter Instanz oder der Kassationshof überprüft auf Appellation hin die Urteile der Vorinstanzen, mit der Möglichkeit, die Urteile zu bestätigen, aufzuheben und sie, sofern erforderlich, zurückzuweisen. Diese Gerichte beurteilen ebenfalls die Kompetenzkonflikte zwischen verschiedenen staatlichen Gerichtsinstanzen (z.B. Konflikt zwischen Zivil- und Gemeinschaftsgericht). Der Libanon zählt vier Kassationshöfe in Beirut, wovon sich drei mit Zivil- und einer mit Strafsachen beschäftigt.

11.3. Sondergerichte

Der (Staats)gerichtshof bildet in der oben erläuterten Struktur eine Besonderheit. Er wird durch Dekret des Ministerrates nach Konsultation der Richter und Staatsanwaltschaft von Fall zu Fall gebildet und ist aus dem ersten Präsidenten, einem weiteren Präsidenten und vier Richtern des Kassationshofes, einem Ersatzrichter, einem Generalprokurator des Kassationshofes oder einer seiner Stellvertreter zusammengesetzt. Seine sachliche Zuständigkeit ist auf die Beurteilung der gegen die staatliche Sicherheit gerichteten Straftaten beschränkt, mit Ausnahme bestimmter Straftaten, welche in die Zuständigkeit der Militärjustiz fallen. Sein Sitz befindet sich im Justizpalast in Beirut.

11.4. Militärgerichte

Der Libanon kennt für die Beurteilung der den Militärangehörigen angelasteten Straftaten eine Spezialgerichtsbarkeit. Das libanesische Militärstrafgesetzbuch und das Militärgesetzbuch umschreiben diese Ausnahmen und sind grundsätzlich weder auf Zivilklagen noch auf Klagen anwendbar, welche Militärpersonen in nichtmilitärischen Delikten betreffen.

Die Struktur der Militärgerichtsbarkeit ist dreistufig: fünf Militärgerichte erster Instanz, ein Appellationshof (Beirut) und ein Kassationshof (Beirut). Jedes Militärgericht setzt sich aus fünf Richtern (wovon einer in der Eigenschaft als Zivilperson) sowie vier Offizieren zusammen. Derjenige mit dem höchsten Grad versieht die Funktion des Präsidenten.

12. Militär und Sicherheitsorgane

12.1. Militär

Die Armee erfuhr seit 1991 eine starke Restrukturierung. Die ca. 48'900 Mann starke Armee (1996) steht unter dem Kommando von General Gemile Lahoud (Maronite). Ein Generalstab unter der Leitung von General-Major Abu Dirgham (Druse) kommandiert die 2'500 Offiziere und ihre operationellen Einheiten, welche auf fünf Militärregionen aufgeteilt sind, sowie die elf multikonfessionellen Brigaden, die Regimentskommandos für punktuelle Operationen, sowie die Logistikeinheiten, die Militärpolizei und die Präsidentengarde. Kurz gesagt, ist die libanesische Armee 1997 eine disziplinierte Armee, welche in der Lage ist, ihrer Rolle als Garant für die staatlichen Institutionen und für die Verteidigung des Staatsgebietes, trotz noch begrenzter materieller Mittel, gerecht zu werden. Allerdings ist nicht zu vergessen, dass die Position der Militärs und die politische Glaubwürdigkeit der Armee noch brüchig sind, nachdem die Anwesenheit von israelischen (1'500 Mann) und syrischen (30'000 Mann) Truppen auf ihre Weise je einen Teil von Libanon besetzt halten; die Israelis die Sicherheitszone im Süd-Libanon, die Syrer fast ausschliesslich das Bekaa-Tal und Nordlibanon.

Was die Militärdienstpflicht anbelangt, trifft sie, von besonderen Ausnahmen abgesehen, jeden libanesischen Staatsbürger zwischen dem vollenden 18. und dem vollendeten 30. Altersjahr, wenn er aufgeboten wird. Der Dienst dauert seit 1993 zwölf Monate. Nach Beendigung der obligatorischen Dienstzeit gehören die Soldaten bis zum Alter von 49 Jahren zur Reserve.

Bei Verletzung der Dienstpflicht ist der Einberufene oder die Militärperson den gesetzlich vorgesehen Sanktionen, vor allem dem Militärstrafgesetzbuch (CPM), unterworfen.

- Im Falle von Dienstverweigerung wird der Rekrut mit Zuchthaus von mindestens drei Monaten bis zwei Jahren in Friedens- und von zwei bis fünf Jahren in Kriegszeiten verurteilt.

- Im Falle von Desertion im Innern Libanons wird die Militärperson in Friedenszeiten mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft; in Kriegszeiten ist das Doppelte vorgesehen.

- Im Falle von Desertion mit Flucht ins Ausland erhält die Militärperson eine Gefängnisstrafe von zwei bis fünf Jahren in Friedens- und bis zu zehn Jahren in Kriegszeiten.

12.2. Polizei und Gendarmerie

Die innere Sicherheit wird grundsätzlich von den internen Sicherheitskräften (FSI) gewährleistet. Nebst den Aufgaben, die ihnen im Allgemeinen übertragen sind (z.B. die Wahrung von Ruhe und Ordnung, Kontrolle aller gegen die innere Stabilität des Landes gerichteten Umtriebe, sowie die Verhinderung von Straftaten), versehen diese Kräfte auch verwaltungs- und gerichtspolizeiliche Funktionen.

Die FSI sind dem Innenministerium unterstellt und koordinieren gewisse Aktivitäten mit der libanesischen Armee (z.B. Kampf gegen die Kriminalität, gegen den Drogenhandel, innere Sicherheit).

Mit 13'000 Mitgliedern, sind die FSI in gleicher Weise wie die Armee organisiert (z.B. 6 Brigaden) und den selben militärischen Verpflichtungen unterstellt.

Die Haupteinheiten der FSI sind der Generalstab, die Zentralverwaltung, die territoriale Polizei unter General Rafic Hassan, die mobilen Reservebataillone, die Polizei von Beirut, Hafen- und Flughafenpolizei. Der Leiter der FSI ist der Brigadegeneral Umar Makhzumi (Schiite).

12.3. Milizen

Die Ära der Hegemonie der Milizen während des Bürgerkriegs (1975 - 1990) ist seit März 1991 der Kontrolle des Staates auf praktisch dem ganzen libanesischen Staatsgebiet gewichen. Die Mehrheit der Milizen wurde entwaffnet. Mehrere Tausend Milizangehörige wurden in die Armee oder in die FSI eingegliedert. Eine Ausnahme bilden lediglich die Milizen im Süd-Libanon.

- Die Südlibanesische Armee (ALS) kontrolliert unter der Führung von General Lahad, in Zusammenarbeit mit den israelischen Truppen (Tsahal), eine Sicherheitszone von ca. 1'000 km². Die ALS zählt etwa 2'500 Personen auf Aushebungsbasis, manchmal auch zwangsweise rekrutierte Milizionäre. Die Dienstpflicht obliegt im Grundsatz allen Männern zwischen 18 und 35 Jahren.

- Der Islamische Widerstand (al-muqawamah al-Islamiyah), ein Armeezweig der Hisbollah, bildet in Wirklichkeit die von den libanesischen und syrischen Behörden tolerierte Milizarmee, hat doch ihre Mission zum Ziel, gegen die israelische Anwesenheit im Süd-Libanon zu kämpfen. Sie besteht aus 1'000 bis 3'000 Kämpfern und führt Guerilla-Aktionen gegen die Sicherheitszone vom Bekaa-Tal oder dem Iqlim al-Touffah aus. Ihre Aktionen beschränken sich jedoch auf den Süd-Libanon.

- Zu diesen beiden Milizen kommen noch die kleineren antiisraelischen palästinensischen Gruppierungen, welche zur anti-Arafat Widerstandsfront gehören (dissidente Fatah, Fatah-CR, FPLP-CG) oder kleinere islamische Gruppierungen (z.B. Hamas, islamischer Jihad). Diese Gruppen operieren von den Lagern des Süd-Libanon aus gegen die Sicherheitszone oder arbeiten manchmal mit dem Islamischen Widerstand zusammen.

12.4. Geheimdienste

Die libanesischen Nachrichtendienste sind in zwei grosse Dienste gegliedert:

- Der zivile Geheimdienst einerseits wird gebildet durch die Allgemeine Sicherheit (Sûreté générale, el-Aman el-Am), unter der Leitung von Raymond Roufaël, welcher sich vor allem um die Überwachung der Ausländer und der nicht-libanesischen Vereinigungen oder Gruppen kümmert, welche auf dem Staatsgebiet tätig sind. Anderseits die Staatssicherheit (Sécurité de l'Etat) unter der Leitung von Nabih Farhat und Antoine Traboulsi, mit dem Auftrag, politische Informationen zu sammeln. Die beiden Abteilungen unterstehen der Kontrolle des Innenministeriums.

- Der militärische Geheimdienst wird aus dem Zweiten Büro (Deuxième Bureau) der libanesischen Armee oder dem Büro für militärische Nachrichten (Bureau des Services de Renseignements Militaires) gebildet. Dieses Büro unter der Leitung von Miche Rabhani gehört zum Verteidigungsministerium.

Die libanesischen zivilen und militärischen Geheimdienste arbeiten eng miteinander sowie mit den verschiedenen syrischen Geheimdiensten und den libanesischen und syrischen Sicherheitskräften zusammen.

13. Inhaftierung und Strafvollzug

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen berichten, dass die Regierung willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen vornimmt. Die libanesischen Sicherheitskräfte, vor allem die Militärprokuratoren, respektieren oft die gesetzlichen Vorschriften für Festnahme und Inhaftierung nicht. Zudem praktizieren diese Kräfte weiterhin willkürliche Festnahmen von politischen Oppositionellen, Journalisten und Verteidigern von Menschenrechten. Da die gegen diese Personen vorgebrachten Verhaftungsgründe ungenügend sind, werden sie in aller Regel wieder freigelassen.

Es wurde auch berichtet, dass die syrischen Armeekräfte ungesetzliche Inhaftierungen vorgenommen hätten, und manchmal sogar Gefangene in die syrischen Gefängnisse gebracht hätten. Auf diese Weise würden 210 Libanesen in Syrien eingekerkert.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Milizen des Südlibanon (Hisbollah, palästinensische Gruppierungen und die ALS) - ohne gesetzliche Grundlage und unter Missachtung des anerkannten Völkerrechts - ebenfalls willkürlich libanesische Staatsbürger festnehmen und inhaftieren. Oft dienen diese Gefangenen dem Austausch unter den Milizen.

Was den Strafvollzug anbelangt, respektieren die in den Urteilen ausgesprochenen Strafen im Grossen und Ganzen den gesetzlichen Rahmen und werden auch im Geist des Gesetzes vollzogen. Ob dies der Fall ist, hängt jedoch von den finanziellen Mitteln der Gerichtsverwaltung und der Strafanstalten ab. Die libanesische Gefängnisinfrastruktur kennt nämlich zwei grosse Probleme: Einerseits die Vermischung von fast allen Kategorien von Straftätern aller Altersklassen und anderseits die Überbelegung und die Unzuträglichkeit der Haftanstalten.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Milizen des Südlibanons bei der Verurteilung von Personen, welche sie als schuldig erachten, ihre eigene Gerechtigkeit walten lassen. Ohne gesetzlichen Rahmen können diese Personen während ihres Prozesses nicht in den Genuss der Mindestgarantien für die Verteidigung kommen.

14. Allgemeine Menschenrechtssituation

Die 1991 erfolgte Ausdehnung und die 1992 erfolgte Stärkung des Rechtsstaates sowie der Legalität hat die Kontrolle der Regierung über das libanesische Territorium verstärkt, ausgenommen im Südlibanon, in der israelischen Sicherheitszone und in den direkt an diese angrenzenden Gebieten. Im Allgemeinen sind die Menschenrechtsorganisation der einhelligen Meinung, dass sich die Lage nicht verbessert, sondern im Gegenteil in gewissen Bereichen verschlechtert hat.

Gewisse Rechte, wie die Presse-, die Radio- und Fernseh-, die Meinungsäusserungs- und Vereinsfreiheit, sowie die Ausübung gewisser politischer Rechte (Bewilligungspflicht für die Bildung von politischen Gruppierungen, Verfolgung von offener regimekritischer Opposition), bleiben eingeschränkt. Hinzuweisen ist auch auf die Rolle der Frau, welche von der Tradition her Einschränkungen erfährt, ohne dass damit allerdings eine fundamentale Diskriminierung verbunden wäre.

Gewisse Rechte sind stärker eingeschränkt, wie die Versammlungsfreiheit und die Demonstrationsfreiheit, welche nach einem Dekret von 1993 ohne die ausdrückliche Bewilligung des Innenministeriums nicht ausgeübt werden dürfen. So war der durch die Gewerkschaft CGTL erfolgte Streikaufruf mit dem Ziel, gegen die Lebenshaltungskosten zu protestieren und eine Lohnerhöhung zu verlangen, Anlass zu einem landesweiten, 16stündigen Ausgehverbot und zu einem massiven Eingreifen der Sicherheitskräfte am 19.9.1996.

1996 wurden vor allem folgende Menschenrechtsverletzungen festgestellt: Übergriffe auf die körperliche Integrität von Angeschuldigten während der Befragung durch die Polizei; ungleiche Anwendung der Amnestie vom 26.8.1991; prekäre Bedingungen für gewisse Häftlinge und Gefangene, willkürliche Festnahmen angeblicher politischer Oppositioneller; das Bestehen von Paralleljustizen zu den staatlichen Organen (palästinensische Gruppierungen, Südlibanesische Armee, Hisbollah); ein obskures Justizsystem, welches manchmal den zivilen und den militärischen Bereich durcheinanderbringt; Missbräuche bei der Machtausübung durch die libanesischen und syrischen Truppen und der Rückgriff auf die Todesstrafe.

In den der direkten Kontrolle der libanesischen Regierung entzogenen Gebieten des Südlibanons scheinen die Menschenrechtsverletzungen viel häufiger zu sein, bleiben jedoch schwer messbar.

15. Politische und religiöse Bewegungen

Die Akteure im politischen Leben des Libanons sind zahlreich und sehr verschieden.

15.1. Internationale und ausländische Bewegungen

- ALS (Südlibanesische Armee):

Geschichtliche Entwicklung: Nachdem die israelischen Truppen zweimal (1978 und 1982) mit dem Ziel, die PLO auszulöschen, in den Libanon eingefallen sind, haben sie sich allmählich in Richtung Südlibanon zurückgezogen. Dort haben sie zusammen mit der ALS (2'500 Mann), der von ihnen geschützten Miliz, an der israelisch-libanesischen Grenze eine Sicherheitszone errichtet. Die israelischen Streitkräfte (IDF oder Tsahal) und die ALS kontrollieren die erwähnte Region weiterhin militärisch und führen ausser den Luftangriffen und den häufigen Bombardierungen der Stellungen des Islamischen Widerstandes punktuelle und gezielte Einfälle ausserhalb ihrer Einflusszone im Südlibanon durch.

Einflussgebiet: Die Sicherheitszone umfasst ein Gebiet von etwa 1'000 km², in welchem ca. 150'000 Libanesen unter der Kontrolle von General Lahad, dem Chefkommandanten der ALS leben. Lediglich einige Durchgangsstellen ermöglichen den Zugang in den Südlibanon.

- Syrische Armee:

Geschichtliche Entwicklung: Syrien, welches seit 1975 in den libanesischen Konflikt involviert ist, hat seine politische und militärische Position im Libanon zunehmend verstärkt, dies bis zu einem bestimmenden Einfluss auf das Schicksal dieses Landes. Durch die Abkommen von Taef legitimiert, hat Syrien seine Position durch das syrisch-libanesische Abkommen über Bruderschaft, Zusammenarbeit und Koordination (Traité de Fraternité, de coopération et de coordination libano-syrien) vom 22.5.1991 und durch das Sicherheitsabkommen vom 1.9.1991 noch gefestigt.

Die auf etwa 30'000 Mann geschätzten syrischen Truppen im Libanon unterstützen seit dem Sturz von General Aoun am 13.10.1990 die libanesischen Streitkräfte bei der Kontrolle des libanesischen Territoriums. Gemäss den Abkommen von Taef hätten besagte Truppen im September 1992 anderswo stationiert werden sollen. Nach Auffassung der libanesischen Regierung hängt jedoch die militärische Stabilität im Libanon von dieser Präsenz ab.

Einflussgebiet: Die syrischen Streitkräfte üben eine fast ausschliessliche Kontrolle im Nordlibanon (Tripoli) und in der Bekaa-Ebene aus. Sie werden dabei aktiv von mehreren politischen Gruppierungen oder ehemaligen alliierten Milizen, wie der Nationalen Syrischen Sozialistischen Partei (PSNS), dem Frangie-Klan und seiner al-Marada-Partei, sowie der Partei Waad von Hobeika unterstützt. Im Zentrum des Landes teilen sich die syrischen Truppen und ihre Geheimdienste (Moukhabarat) ihre Sicherheitsaufgaben mit den libanesischen Truppen. Beirut steht nur theoretisch unter ausschliesslicher Kontrolle der libanesischen Armee. Die syrischen Truppen sind in Südlibanon, jenseits des Awali-Flusses, nicht mehr vertreten.

- PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation und die palästinensischen Gruppierungen):

Geschichtliche Entwicklung: Obschon die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) 1982 durch die Israelis aus dem Libanon vertrieben wurde, ist sie seit 1990 wieder im Libanon präsent. Obwohl es ihr weder gelungen ist, eine Erneuerung der Kairoer Abkommen vom 3.11.1969 zu erreichen, noch die Anerkennung des Status einer ausländischen Autorität zu erlangen, hat sie sich im Juli 1991, gegen gewisse Konzessionen ihrerseits, mit den libanesischen Behörden auf einen Modus vivendi einigen können. 1992 wurde in Beirut wieder ein PLO-Büro eröffnet. Die seit 1993 unter Kontrolle der PLO stehenden autonomen Gebiete in Israel stellen immer mehr die Anwesenheit der Palästinenser im Libanon in Frage. Die libanesischen Behörden scheinen jegliche Verwurzelung und Ansiedlung der Palästinenser auf libanesischem Territorium abzulehnen. Im übrigen hat die PLO im April 1994 damit begonnen, die Waffen in den Flüchtlingslagern zu sammeln, um sie nach Israel an die neue palästinensische Polizei zu überführen. Mehrere Hundert Palästinenser, welche im allgemeinen der Fatah nahestehen, haben den Libanon verlassen, um in die Reihen der palästinensischen Sicherheitskräfte in den Autonomen Gebieten einzutreten.

Seit 1994 ist die PLO als Akteur der libanesischen Szene praktisch verschwunden. Gleichzeitig hat die Organisation den palästinensischen Flüchtlingen ihre Infrastrukturen und ihre Unterstützung entzogen. 1997 berufen sich nur noch wenige palästinensische Flüchtlinge auf Yasser Arafat. Viele von ihnen sind den antiisraelischen Organisationen, welche gegen die israelisch-palästinensischen Abkommen gerichtet sind, beigetreten. Unter diesen Organisationen, welche sich in der Regel gegenseitig konkurrenzieren, finden sich vor allem die Fatah-CR von Abu Nidal, Saïqa von I. Al-Kadde, die PFLP-GC von Ahmed Jibril, die PFLP von G. Habasch und die dissidente palästinensische Gruppierung von Mounir Maqdah.

Einflussgebiet: Die bewaffneten palästinensischen Gruppierungen befinden sich vor allem in den Flüchtlingslagern des Südlibanon. Einige von ihnen beteiligen sich an den Operationen des Islamischen Widerstandes gegen die israelische Sicherheitszone.

· FINUL (Friedenstruppen der Vereinigten Nationen):

Mit der Resolution 425 des Uno-Sicherheitsrates wurden am 19.3.1978 die aus ca. 4'500 Mann zusammengesetzten Interimstruppen der UNO geschaffen. Deren Mission ist es, im Süden des Libanon eine Pufferzone von 500 km² zwischen der irsraelischen Sicherheitszone und den Stützpunkten des Islamischen Widerstandes zu überwachen. Mehrere Abkommen zwischen der FINUL und den libanesischen Behörden haben eine zunehmende Ausdehnung der staatlichen Kontrolle im erwähnten Gebiet ermöglicht.

15.2. Libanesische Gruppierungen

Die Parlamentswahlen von 1996 führten zu einer Festigung derjenigen Strömungen, welche der fundamental prosyrischen Regierungspolitik günstig gesinnt sind. Die im wesentlichen ausserparlamentarische und grundsätzlich christliche Opposition bleibt bedeutungslos.

15.2.1. Hauptsächliche Parteien / Parlamentarische Gruppierungen

- Amal (Afwaj al-Muqawamah al-Lubnaniyyah): Schiitische, prosyrische Bewegung, welche 1974 vom vier Jahre später in Libyen verschwundenen Imam Moussa Sadr gegründet wurde; geführt wird sie gegenwärtig von Sadr al-Din al-Sadr (Parteipräsident) und Nabih Berri, gegenwärtig Präsident des libanesischen Parlaments. Bis 1991 kontrollierte die 2'000 Mann starke Milizarmee im wesentlichen Westbeirut und die Region von Sur (Tyre), wobei sie allerdings mit 'Amal islamiya' und der Hisbollah rivalisierte. Mit letzterer unterhält sie seit einem am 5.11.1990 unterzeichneten Abkommen eine mehr oder weniger friedfertige Beziehung. Im Laufe des Jahres 1991 hat die Amal-Bewegung abgerüstet und nimmt seither aktiv an der libanesischen Politik teil. Seit 1992 beteiligen sich bewaffnete Gruppierungen der Amal im Südlibanon an den Operationen des Islamischen Widerstandes gegen Israel. 1996 war die Amal-Bewegung mit 23 Vertretern im Parlament vertreten und stellte zwei Minister.

- Hisbollah (Partei Gottes): Schiitische, fundamentalistische, pro-iranische Bewegung mit antiisraelischen Tendenzen. Sie wurde 1983 gegründet und wird von den Scheichen Fadlallah und Nasrallah geleitet. Unter dem Einfluss der Hisbollah stehen zahlreiche Gruppierungen, wie der Islamische Djihad, die Unterdrückten der Erde, die islamische Amal oder die Organisation der Revolutionären Gerechtigkeit. Die Hisbollah ist im Innern ebenfalls von Abtrünnigen betroffen, darunter insbesondere der Scheich Sobbih Touffayli. Die Hisbollah, welche sich 1991 weigerte, ihre Waffen abzugeben, hat die Führung der gegen Israel gerichteten Bewaffneten Front des Islamischen Widerstandes übernommen. In militärischer Hinsicht kann die Organisation auf die Duldung durch die Regierung, auf die direkte Unterstützung des Irans und die indirekte Hilfe Syriens zählen. Allerdings beschränkt sich ihre militärische Präsenz im Libanon, welche auf zwischen 1'000 und 3'000 Mann geschätzt wird, auf den Südlibanon und die Bekaa-Ebene. In die politische Szene hat sie anlässlich der Parlamentswahlen von 1992 Eingang gefunden, indem sie acht Sitze errang. 1996 war die Hisbollah im Parlament mit neun Abgeordneten vertreten. Neben ihren militärischen und politischen Aktivitäten unterhält die Hisbollah zahlreiche soziale, medizinische und schulische Institutionen. Sie hat sich auch richterliche Gewalt, basierend auf der Scharia, verliehen.

- PSNS (Nationale Syrische Sozialistische Partei): Die Partei wurde 1932 gegründet. Sie ist Verfechterin eines Grosssyriens. Seit 1986 ist sie in zwei rivalisierende Tendenzen gespalten: Einerseits in das Comité suprême von Inaan Raad und anderseits in das Comité d'urgence von Ali Kanso. Die Partei besitzt seit 1991 offiziell keine Miliz mehr. Eine gewisse Anzahl Milizionäre nimmt seit 1991 an den Aktionen des Islamischen Widerstandes im Südlibanon teil. Politisch geführt von Dawoud Baz, Hafiz as-Sayeh (Präsident) und Anwar al-Fatayro (Generalsekretär), hat die Partei vor allem im Norden und im Zentrum des Libanons durch die Wahl von sechs Abgeordneten 1992 und fünf Abgeordnete 1995 ihre Position gefestigt. Die PSNS wird in der Regierung durch As'ad Hardan vertreten.

- PSP (Sozialistische Fortschrittspartei): Hauptsächlich drusische Partei, die 1949 von Kemal Joumblatt gegründet wurde. Leader ist seit 1977 sein Sohn Walid. 1991 verfügte die PSP über eine Milizarmee von zwischen 4'000 und 15'000 Mann. Ein grosser Teil der Milizionäre hat sich der libanesischen Armee angeschlossen. In politischer Hinsicht hat die Partei - obgleich in zwei Richtungen gespalten - einen grossen Einfluss auf den Chouf und sicherte sich dadurch 1996 13 Sitze im Parlament. Drei Mitglieder der Partei, Walid Joumblatt, Muhsin Dalloul und Akram Shuhayib, sind Minister in der gegenwärtigen Regierung.

Es seien noch weitere Parteien erwähnt, welche im Parlament von 1996 präsent sind: die prosyrischen Parteien al-Waad von Elie Hobeika und Marada von Suleyman Frangieh sowie die fundamentalistische sunnitische Jamaa Islamyya, welche der Muslimbrüderschaft nahesteht, die armenische Partei Tachnag und die Partei Nassers (OPN) von Moustapha Saad.

15.2.2. Oppositionsparteien / Ausserparlamentarische Oppositionsgruppen

Wie oben erwähnt, war der christliche Boykott der Parlamentswahlen von 1996 weniger bedeutend als derjenige von 1992. Die Opposition ist so zwischen den parlamentarischen und den ausserparlamentarischen Parteien aufgespalten.

- BNL (Nationaler Block): 1943 gegründet. Von Raymond Eddé, Sélim Salhab (Präsident) und Jean Hawat (Generalsekretär) geführt, hat der BNL die gleichmässige Verteilung der Staatsgewalt unter Christen und Moslems im Rahmen des libanesischen Nationalismus zum Ziel. Die Partei wehrt sich gegen die Doppelbesetzung durch Syrien und Israel. Der BNL ist vor allem in den Regionen des Jbeil und des Metn vertreten.

- FL (Forces libanaises): Am 7.7.1980 aus der Vereinigung der Milizen der Kataeb, der Nationalen Liberalen Partei, der 'Gardiens du Cèdre' und des Tanzim hervorgegangen. Diese christliche Miliz wurde nacheinander von Béchir Gemayel, Fouad Abou Nader, Elie Hobeika und seit 1986 schliesslich von Samir Geagea geführt. Dieser hatte sich 1985 nach einer Meinungsverschiedenheit mit E. Hobeika, dem zukünftigen Chef der prosyrischen Waad-Partei, mit der Partei überworfen. Nachdem die FL mit General Aoun - Chefkommandant der libanesischen Armee, der sich seit 1989 gegen die Regierung gewandt hatte - in den Krieg getreten waren, wurde die Miliz am 28.9.1991, nach teilweiser Abgabe ihrer Waffen an die Regierungskräfte, zu einer politischen Partei. Seit 1991 werden die Forces libanaises von den libanesischen Behörden streng überwacht. Mehrere ihrer Mitglieder seien seit 1990 in Attentate und Morde verwickelt. Einige der Täter wurden wegen dieser Vergehen zum Tode verurteilt. Seit dem 23.3.1994 sind die FL verboten. Ihre hauptsächlichsten Führer, Samir Geagea und Fouad Malek, befinden sich zur Zeit im Gefängnis.

- Kataeb (Phalangistische Partei oder Libanesische Sozialdemokratische Partei): Wurde 1936 von Pierre Gemayel gegründet und wird heute von Georges Saadé (Präsident), Georges Umayrah (Vizepräsident) und Karim Paqraduni (Generalsekretär) geführt. Die Partei ist nationalistisch, reformistisch und sozialdemokratisch ausgerichtet. Verschiedene christlich-libanesische Tendenzen haben sich ab 1976 in der Libanesischen Front (christlich) als Gegenpartei zur Befreiungs- und Einigungsfront (moslemisch) zusammengefunden. Die Phalangistische Partei hat diese christlichen Tendenzen bis 1985 vereint und verschiedene politisch-militärische Gruppierungen ins Leben gerufen.

- PNL (National Libanesische Partei, Parti national libanais): 1958 von den Chamoun gegründet. Will die phalangistische Politik im Libanon reformieren. Pro-westliche Ausrichtung, aber mit traditionalistischen Zügen. Der PNL wird zur Zeit von Dory Chamoun geführt. Seit November 1996 nimmt die PNL an einer oppositionellen Organisation, der National Libanesischen Gruppierung, teil.

- GNL (National Libanesische Gruppierung, Groupement national libanais): Gegründet am 21.11.1996. Diese oppositionelle Organisation vereinigt die PNL und eine bestimmte Anzahl von politischen Persönlichkeiten, wie den Ex-General M. Aoun, den ehemaligen Präsidenten A. Gemayel, Elie Karamé, sowie mehrere Minister. Sie streben in erster Linie den Abzug sämtlicher ausländischer Truppen aus dem Libanon, die Gutheissung des politischen Konfessionalismus, die Bewahrung des privaten und unabhängigen Erziehungswesens und die Verwirklichung einer "Konsensdemokratie" an.

15.2.3. Illegale Parteien und Bewegungen

Das Innenministerium hat im Februar 1992 entschieden, die Aktivitäten von nahezu 138 Parteien und verschiedenen Vereinigungen zu verbieten, vor allem diejenigen der proirakischen Baath-Partei von A. Al-Majid Rafei (Flügel Nationales Kommando), der Partei des 'Front populaire' und der Revolutionären Arabischen Arbeiterpartei. Während des Bürgerkrieges gab es etwa 230 Parteien und Gruppierungen.

Die heutigen dissidenten Bewegungen sind nicht unbedingt illegal. Durch ihre politische Orientierung - meistens aounistischer Ausrichtung - stehen sie in Opposition zur aktuellen libanesischen Regierung. Politische Infragestellung setzt die betroffenen Gruppen oder Personen jedoch einem Druck oder sogar willkürlichen Verhaftungen seitens der libanesischen und syrischen Behörden aus. Einige davon sind: der Nationale Libanesische Kongress (Congrès national libanais, CNL), das Zentralbüro der nationalen Koordination (Bureau central de coordination nationale, BCCN), geführt von Najib Zouein, die Bewegung des Wechsels (Mouvement du changement), präsidiert von Elie Mahfouz, die Front des libanesischen Volkes (Front du peuple libanais), geleitet von Joseph Haddad, die Vereinten Bewegungen des Widerstandes (Mouvements unis de résistance, MUR), das Noble Volk Libanons (Peuple noble du Liban), die von Roger Azzam geführte Weltfront für die Befreiung Libanons (Front mondial pour la Libération du Liban, FMLL).

15.3. Gewerkschaften

Alle arbeitenden Personen, mit Ausnahme der Staatsbeamten, haben das Recht, Gewerkschaften zu gründen. Die Confédération Générale des Travailleurs du Liban (CGTL), deren Vorsitz Elias Abou Rizq innehat, bildet den Dachverband von 22 Gewerkschaften der libanesischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Der Libanon zählt ca. 160 Gewerkschaften und Vereinigungen zur Verteidigung der Interessen der Arbeitnehmer.

15.4. Religiöse Gruppierungen

Die libanesische Politik wurde bis anhin von der konfessionellen Vielfalt charakterisiert und geprägt. Seit dem Abkommen von Taef steht die Trennung von Kirche und Staat auf der Tagesordnung. Eine derartige Massnahme erfolgte bereits innerhalb der Armee.

15.5. Menschenrechtsorganisationen

Offiziell sind die Aktivitäten der Vereinigungen für die Verteidigung der Menschenrechte nicht verboten. Ihre Arbeit wird jedoch durch Druck- und Einschüchterungsversuche eingeschränkt. Die diesbezüglichen libanesischen Gruppen auferlegen sich deshalb eine eigene Zensur. Im April 1996 konnte Amnesty international jedoch über das Massaker von Cana eine Untersuchung durchführen.

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